Neutrinos gehören vermutlich zu den unter
Wissenschaftlern begehrtesten Teilchen. Das genaue Messen ihrer
Masse würde die
unterschiedlichsten Wissenschaftszweige einen gehörigen Schritt
voran bringen. Amerikanische Forscher möchten sich nun ganz
besondere Helfer zu Nutze machen: Sie wollen der Neutrinomasse mit
Hilfe von Supernova-Explosionen auf die Spur kommen.
Wissenschaftler gehen derzeit davon aus, dass es drei
verschiedene Typen von Neutrinos gibt, die alle eine
unterschiedliche Masse haben und diese beträgt, so die Vermutung,
in allen Fällen weniger als einige Zehntausendstel der Masse eines
Elektrons. "Wenn man aber diese Masse kennt, könnte dies
Wissenschaftlern helfen, die Nuklearreaktionen in Sternen besser zu
verstehen und eventuell auch die mysteriöse dunkle Materie
aufzuspüren", erläutert Richard Boyd, Professor für Physik
und Astronomie an der Ohio State University.
Um nun dem Geheimnis der Neutrinos auf die Spur zu kommen, hat
sich Boyd mit einigen Kollegen einen besonderen Trick einfallen
lassen: Wenn die Neutrinos tatsächlich unterschiedlich schwer sind,
müssten beispielsweise die schwereren Neutrinos, die bei
Supernova-Explosion ausgestoßen werden, später auf der Erde
ankommen als die leichteren. Die Suche nach diesen Neutrinos ist so
neu nicht: Man geht davon aus, das in jeder Sekunde Millionen von
ihnen von der Sonne abgestrahlt werden. Das Problem ist nur, dass
Neutrinos quasi alles durchdringen, was sich ihnen in den Weg stellt
und somit äußerst schwer nachzuweisen sind.
Mit viel Mühe hat man inzwischen in riesigen unterirdischen
Wassertanks Neutrinos nachweisen können, nur die Masse war
mit den bisherigen Methoden so gut wie gar nicht bestimmbar: "Die extrem
geringen Massen sind auf der Erde äußerst schwer zu messen, aber
wir können die Unterschiede in der Flugzeit von Neutrinos von einer
entfernten Supernova zur Erde messen, was unsere Ergebnisse rund
eine Millionen mal besser machen würde," so Boyd. Kennt man
aber die genaue Masse der Neutrinos, kann man auch abschätzen, wie
groß etwa ihr Beitrag zur fehlenden Materie im Universum ist.
Selbst bei einer winzigen Masse, könnte der Anteil der Neutrinos am
Massenbudget des Universums schon wegen ihrer Anzahl beträchtlich
sein.
Die Astronomen um Boyd hoffen nun auf eine Supernova-Explosion,
bei der ein Schwarzes Loch zurückbleibt. Beim finalen Kollaps zum
Schwarzen Loch könnte, so erläutert Boyd, bis zu 99 Prozent der
Energie in Form von Neutrinos abgegeben werden und so könnte man
die Bildung des Schwarzen Loches quasi als "Startschuss"
für das Wettrennen der Neutrinos von der Supernova zur Erde nehmen.
Dabei sollten die schweren Neutrinos etwas hinter die leichteren
Neutrinos zurückfallen. "Es ist ein sehr kleiner
Zeitunterschied", so Boyd, "aber wir können ihn messen
und er würde uns die genaueste Messung der Masse der Neutrinos
ermöglichen." Der Wissenschaftler hofft, dass sich während
der nächsten hundert Jahre zumindest einige geeignete
Supernova-Explosionen ereignen werden.
Ob der in einem Salzmine in New Mexiko geplante Neutrinodetektor
namens OMNIS (für Observatory for Multiflavour Neutrinos from
Supernovae) tatsächlich gebaut wird, hängt von der
amerikanischen National Science Foundation ab. Dort will das
Wissenschaftlerteam die Geldmittel für den Bau der Anlage
beantragen, die im Unterschied zu den schon bestehenden Detektoren
alle drei Neutrinotypen aufspüren kann. Aktuelle Detektoren sind
nur in der Lage eine Neutrinoart zu entdecken.