Einwohner von Bochum haben die Weltausstellung EXPO regelrecht
vor ihrer Haustür: In der Nähe des botanischen Gartens hat das
Astronomische Institut ihr neuartiges Hexapod-Teleskop (HPT) aufgebaut,
das auf sechs Beinen stehend und computerunterstützt einzigartige Bilder
liefern soll. Das Teleskop kann während der EXPO besichtigt werden.
Das Hexapod-Teleskop - eines von elf Exponaten aus deutschen Hochschulen und
einziges Hochschulprojekt aus Nordrhein-Westfalen - ist der ganze Stolz des
Bochumer Astronomischen Instituts unter Prof. Dr. Rolf Chini. Es ist eine Synthese mehrerer neuartiger Komponenten,
die im herkömmlichen Teleskopbau bisher nicht eingesetzt wurden und dürfte
sich - so die Erbauer - ideal für den zukünftigen Einsatz in Flugzeugen, Stratosphärenballons und
Satelliten eignen.
Was schon auf den ersten Blick auffällt, ist die besondere Montierung
des Teleskops: An Stelle der klassischen
Zwei-Achsen-Montierung, mit der bisher alle Teleskope
ausgerüstet sind, dienen beim HPT sechs, in der Länge
verstellbare Beine mit hochpräzisen Spindeln dazu,
das Teleskop auf das gewünschte Objekt zu richten und
entsprechend der durch die Erdrotation verursachten Bewegung
der Gestirne nachzuführen. Durch die Anordnung der optischen
Struktur oberhalb der sechs Beine werden die
Ausgleichsgewichte klassischer Teleskope vermieden und so
eine Gewichtsreduktion um mehr als das Zehnfache erreicht.
Anders als eine Zwei-Achsen-Montierung erlaubt das Hexapod-Teleskop
komplizierteste Bewegungen. So können beispielsweise Schwingungen, wie
sie beim Einsatz von Teleskopen auf Stratosphärenballons,
Flugzeugen und Satelliten auftreten, leicht
kompensiert werden.
Auch im Hauptspiegel steckt einiges Know-How: Er besteht aus einer
Konstruktion aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff und
einer 55 Millimeter dicken Zerodurplatte, die als Spiegelelement
dauerhaft aufgebracht ist. Piezoelektrische
keramische Positionierelemente halten den dünnen Hauptspiegel
computergesteuert in der idealen Form. Gegenüber klassischen
Konzepten, wo ein vergleichsweise dicker Spiegel in einer
überwiegend geschlossenen Metallspiegelzelle von mehreren
Tonnen untergebracht ist, ergeben sich zahlreiche Vorteile: Das Teleskop wird -
ideal für die angepeilte Nutzung bei Luft- und Raumfahrtprojekten -
deutlich leichter und die Temperatur des Spiegels passt sich schneller der
jeweiligen Außentemperatur an, was der Bildqualität zu Gute kommt.
Zudem wurde ein weiterer Nachteil bisheriger Teleskopkonstruktionen
vermieden: Abhängig von der Teleskopposition verbiegen sich große
Hauptspiegel unter ihrem Eigengewicht, was mit erheblichen
Einbußen der Abbildungsqualität einhergeht. Der HPT-Spiegel
ist der erste Hauptspiegel, der auf Grund seiner festen
Verbindung mit seinen 36 Unterstützungspunkten sowohl auf
Druck als auch auf Zug reagiert und als Folge seiner großen
Elastizität ständig eine ideale, optischen
Oberfläche bietet. Das macht ihn zum derzeit genauesten Teleskopspiegel der
Welt.
Auch beim Sekundärspiegel haben sich die Bochumer etwas einfallen
lassen: Eine weitere rechnergesteuerte Hexapodhalterung sorgt dafür, dass
sich dieser unabhängig von der
Teleskopposition immer in der optimalen Lage befindet. Bei
geeignetem Standort mit stabilen atmosphärischen Bedingungen dürfte sich daher
- so die Hoffnung der Astronomen - eine Bildschärfe erreichen lassen, wie
sie derzeit nur vom Weltraum aus möglich ist.
Noch bis zum 31. Oktober 2000 ist das Hexapod-Teleskop auf dem Campus
der Ruhr-Universität in der Nähe des Botanischen Gartens zu sehen.
Jeweils zwischen 8.30 und 16 Uhr kann der Stolz der Bochumer
Wissenschaftler besichtigt werden. Ab einer Mindestzahl von zehn
Teilnehmern bieten die Astronomen Führungen an. Eine Anmeldung ist
erforderlich (Telefon 0234/322-5802).