In der Nacht vom 16. auf den 17. November könnte man bei klarem
Himmel Zeuge eines außergewöhnlichen Schauspiels werden: Experten
erwarten zu diesem Zeitpunkt einen heftigen Sternschnuppenregen. Und die
Astronomen sind vorbereitet. So will das Deutsche Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR) die Meteore mit einem "europäischen Feuerkugelnetz" aus
insgesamt über 40 Kamerastationen untersuchen.
Die Leoniden, die für einen irdischen Beobachter aus dem
Sternbild des Löwen (Leo) zu kommen scheinen, werden durch den Kometen P/55
Temple-Tuttle verursacht, der die Sonne auf einer elliptischen Bahn
alle 33 Jahre umkreist. Staubteilchen unterschiedlicher Größe, die der
Komet auf seiner Bahn verliert, verteilen sich über die gesamte
Kometenbahn, sind aber verständlicher Weise in direkter Nähe des Kometen
in größerer Zahl anzutreffen. Einmal im Jahr nun durchläuft die Erde
diese Bahn aus Staubteilchen, die dann mit einer relativen Geschwindigkeit
von 250.000 Kilometern pro Stunde auf die Erde treffen.
So sind in jedem Jahr Mitte November vergleichsweise viele
Sternschnuppen zu sehen - in einem durchschnittlichen Jahr so etwa fünf
bis zehn Meteore pro Stunde. Doch 1999 könnte alles anders werden, da der
Komet in diesem Jahr der Erde besonders nahe kommt. Den letzten
Teilchensturm dieser Größenordnung konnte man 1966 beobachten: Damals
sorgten die Leoniden für ein gewaltiges Himmelsschauspiel.
So wollen auch die Astronomen vorbereitet sein: Die DLR-Forscher
betreiben ein sogenanntes europäisches Feuerkugelnetz aus über 40
Kamerastationen, das nach besonders hellen Meteoren Ausschau halten soll.
Die Daten der Stützpunkte in Tschechien, der Slowakischen Republik,
Belgien, Holland, Österreich, der Schweiz und Deutschland werden dann bei
der DLR in Berlin-Adlershof oder im tschechischen Ondrejov Observatorium
bei Prag ausgewertet.
Die Leoniden sind für Wissenschaftler von besonderem Interesse, die
sich mit der Entstehung unseres Sonnensystems beschäftigen: Man geht
nämlich davon aus, dass sich in Kometen Material aus der Entstehungszeit
unseres Sonnensystems vor viereinhalb Milliarden Jahren erhalten hat. So
erhofft man sich aus den Studien Erkenntnisse über die Zusammensetzung
des Materials, aus dem unsere Erde und vielleicht auch einmal Leben
entstanden ist.
Allerdings geht von den Leoniden auch eine gewisse Gefahr für
die Satelliten aus, die dem Teilchensturm ausgesetzt sein werden. Die
etwa 71 Kilometer pro Sekunde schnellen Partikel könnten bei einem
Treffer an der richtigen Stelle erheblichen Schaden anrichten. Um die
Gefahr zu reduzieren, werden empfindliche Satelliten so gedreht, dass
besonders gefährdete Instrumente geschützt sind. Großflächige
Sonnensegel werden so eingestellt, dass sie dem Sturm möglichst wenig
Angriffsfläche bieten.
Wer auf den möglichen Sturm von vielleicht Tausenden von
Sternschnuppen pro Stunde warten will, sollte ab Mitternacht die ersten Leoniden-Meteore
am östlichen Horizont beobachten können. Das Maximum erwarten die
Wissenschaftler dann für 3 Uhr morgens am 18. November.
Allerdings sind die Leoniden für manche Überraschung gut:
Bereits im letzten Jahr hatten viele gespannt in den Himmel gestarrt und
waren bitter enttäuscht worden: Das Maximum wäre bereits 18 Stunden vor
der vorhergesagten Zeit zu beobachten gewesen. Doch gerade dieser Umstand
macht den Wissenschaftlern Mut: "Das war offenbar 1965 genauso",
erläutert Detlef Koschny von der europäischen Weltraumagentur ESA.
"Einige Feuerkugeln eine Nacht früher und in der eigentlichen Nacht
dann viel weniger Meteore als erwartet. Aber eine Jahr später,
1966, kam dann der richtige Sturm."