physikalisch-kosmologische Fragen, diverse

zabki

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ich eröffne diesen etwas unspezifisch betitelten Faden, weil ich ein paar einschlägige Fragen stellen möchte, für die ich nicht jeweils einen eigenen Thread erstellen möchte.

Beliebig ausgiebige und anspruchsvolle Diskussion wäre von meiner Seite aus erwünscht, ich kann immer noch Verständnisfragen einbringen.

Also Frage (1):

Man liest in der Frühgeschichte des Universums von einem sog. "spontanen Symmetriebruch", z.B. (?) der Ausgliederung einer einheitlichen Kraft in starke Kernkraft und elektroschwache Wechselwirkung (diese wiederum in elektromagnetische und schwache Kraft).

Frage: Ist hier das Wörtchen "spontan" quasi umgangssprachlich zu verstehen (also etwa "unvorhersehbar, ohne Grund, könnte auch anders verlaufen sein")?

Falls ja - wie verträgt sich das damit daß man m.E. die Geltung der Quantenphysik und der Relativitätstheorie bis "kurz vor dem Urknall) (Planck-Zeit) annimmt? Man rechnet ja auch soweit zurück.
 
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ralfkannenberg

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Man liest in der Frühgeschichte des Universums von einem sog. "spontanen Symmetriebruch", z.B. (?) der Ausgliederung einer einheitlichen Kraft in starke Kernkraft und elektroschwache Wechselwirkung (diese wiederum in elektromagnetische und schwache Kraft).

Frage: Ist hier das Wörtchen "spontan" quasi umgangssprachlich zu verstehen (also etwa "unvorhersehbar, ohne Grund, könnte auch anders verlaufen sein")?
Hallo zabki,

stell' Dir anschaulich zwei Kugeln vor, die exakt aufeinanderliegen. Sei zudem der Einfachheit halber die untere Kugel am Boden befestigt, so dass sie nicht wegrollen kann.

Dann gibt es also im idealen Fall (d.h. Reibung = 0, Kugeln exakt homogen, Kugeln exakt kugelförmig usw.) einen Zustand (mit Durchmesser exakt 0), bei dem beide Kugeln in Ruhe verweilen. Das ist ja ein sogenanntes "labiles" Gleichgewicht und das System mit den beiden idealen Kugeln befindet sich in einer perfekten Symmetrie.


Nun genügt eine winzige Störung und die obere Kugel wird hinunterrollen. Es ist völlig klar, dass das passieren wird.

Damit ereignet sich also ein "Symmetriebruch" und dieser passiert "spontan". Allerdings weiss man aufgrund der perfekten Symmetrie vorher nicht, auf welcher Seite der unteren Kugel die obere Kugel hinunterollen wird.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

zabki

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hallo Ralf,

danke für das anschauliche Beispiel.

Es fällt mir allerdings schwer, mir das von (wenn auch idealisierten) Gegenständen auf das Verhältnis von Kräften zu übertragen. Es müßten ja quasi die Gesetzmäßigkeiten selber von Kräfte (bzw. die eine Kraft) unter bestimmten Bedingungen (analog der Geometrie der Kugeln und die Gravitation im Beispiel) sich verändern.

Hängt das vielleicht damit zusammen, daß "Kräfte" auch irgendwie "Austausch von Teilchen" sind?
 

ralfkannenberg

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Es fällt mir allerdings schwer, mir das von (wenn auch idealisierten) Gegenständen auf das Verhältnis von Kräften zu übertragen. Es müßten ja quasi die Gesetzmäßigkeiten selber von Kräfte (bzw. die eine Kraft) unter bestimmten Bedingungen (analog der Geometrie der Kugeln und die Gravitation im Beispiel) sich verändern.
Hallo zabki,

das sind nicht "Kräfte" im allgemeinen Sinn, sondern es handelt sich um die 4 Grundkräfte bzw. Wechselwirkungen, die bei genügend hohen Energien vereinheitlicht werden können. Und da es kurz nach dem Urknall sehr heiss war und dann eben ausgekühlt ist, konnten diese spotanen Symmetriebrüche stattfinden.


Hängt das vielleicht damit zusammen, daß "Kräfte" auch irgendwie "Austausch von Teilchen" sind?
100 von 100 Punkten ! :)


Freundliche Grüsse, Ralf
 

TomS

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Es fällt mir allerdings schwer, mir das von (wenn auch idealisierten) Gegenständen auf das Verhältnis von Kräften zu übertragen. Es müßten ja quasi die Gesetzmäßigkeiten selber von Kräfte (bzw. die eine Kraft) unter bestimmten Bedingungen (analog der Geometrie der Kugeln und die Gravitation im Beispiel) sich verändern.

Hängt das vielleicht damit zusammen, daß "Kräfte" auch irgendwie "Austausch von Teilchen" sind?
Besser ist es, mit den diesen Teilchen zugrundeliegenden Feldern zu argumentieren.

Stell dir vor, du hättest eine Wechselwirkung, die durch H2O vermittelt wird (rein hypothetisch).

Nun liege in einem Behälter extrem heißer Wasserdampf vor. Der Behälter expandiert, und der Wasserdampf kühlt sich ab. Unterhalb der kritischen Temperatur von 100 °C wird der Wasserdampf spontan zu Wasser kondensieren. Man spricht von einem Phasenübergang.

Etwas ähnliches geschieht insbs. im Falle des Higgsfeldes, wenn sich das Universum abkühlt. Das Higgsfeld “kondensiert” und vermittelt damit Masse für einige mit ihm wechselwirkende Teilchen. Im Gegensatz zum Wasserdampf wird dabei außerdem noch eine Symmetrie gebrochen, die dir aber leider nicht so anschaulich wie im Falle des umfallenden Stiftes vorstellen kannst.

Etwas näher an der Situation beim Higgsfeld sind wird mit einem Magneten. In diesem sind bei hohen Temperaturen alle Elementarmagnete völlig ungeordnet; es liegt keine Magnetisierung vor. Im Falle der Abkühlung richten sich benachbarte Elementarmagnete unterhalb einen kritischen Temperatur innerhalb kleiner Bereiche spontan identisch aus und brechen so die Rotationssymmetrie.

Dies ist ein recht gutes Beispiel für die spontane Symmetriebrechung im Zuge eines Phasenübergangs. Das Beispiel der gebrochenen Rotationssymmetrie durch die spontane Magnetisierung ist anschaulich, der entsprechende Symmetriebruch im Falle des Higgs jedoch leider nicht.
 

zabki

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aus dem Higgs-thread hierher kopiert:

Zitat von zabki
ist diese Aussage "zirkelfrei", d.h. ist die ART, aus der die Expansion folgt, wirklich eine ART, die nicht irgendwie schon so eingerichtet wurde, daß die Expansion aus ihr folgt?

Die ART beschreibt den quantitativen Zusammenhang zwischen der Materieverteilung und der zugehörigen Raumzeit. Man kann also im Prinzip entweder die Materieverteilung vorgeben und daraus die Form der Raumzeit berechnen oder umgekehrt.

Bei der Kosmologie kennt man aufgrund von umfangreichen Beobachtungen das kosmologische Prinzip (KP) und möchte deshalb gerne wissen, was sich daraus für die zugehörige Raumzeit folgern läßt. A. Friedmann hat diese Annahme (KP) 1922 vorweggenommen und daraus (per ART) gefolgert, dass das Universum expandieren muss.

vielen Dank für die weiterführende Antwort. Die genaue Logik ist mir aber doch noch nicht klar. In Wikip. lese ich, daß die Friedmann-Gleichungen auch ein kontrahierendes Universum erlauben. Also der statische Fall ist ausgeschlossen. Die Aussage "die Expansion des Universums folge aus der ART" scheint mir etwas anderes zu sagen.

Ich versuche mal ein Beispiel:

ist die Aussage so, als ob ein Flugzeug allein aufgrund der aerodynamischen Gesetze fliegt (d.h. sich fortbewegt), ohne daß noch etwas "hinzukommen" muß?

oder ist die Aussage so, daß die aerodynamischen Gesetze sagen "entweder das Flugzeug fliegt (bewegt sich fort) oder es stürzt ab". Was dann das Flugzeug eigentlich tut, hängt nicht von den aerodynamischen Gesetzen ab, diese schließen nur den Fall aus, daß es sich weder fortbewegt noch abstürzt. Sollte es dann nicht etwas außerhalb der aerodynamischen Gesetze geben, welches nun bewirkt, ob es fliegt oder abstürzt?
 
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TomS

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... ist diese Aussage "zirkelfrei", d.h. ist die ART, aus der die Expansion folgt, wirklich eine ART, die nicht irgendwie schon so eingerichtet wurde, daß die Expansion aus ihr folgt?
Die ART lässt eine große - nicht vollständig bekannte - Klasse von Lösungen zu.

Bei realistischen Anfangsbedingungen für Materie, Strahlung und Geometrie folgt, dass das Universum nicht statisch sein kann, sondern entweder expandieren und später kontrahieren oder ewig expandieren muss. Für die heute recht präzise bekannten Parameter gilt letzteres. Außerdem folgt bei sehr allgemeinen Annahmen über die Natur von Materie und Strahlung, dass die Extrapolation - ausgehend von Anfangsbedingungen bei endlicher Zeit - zu einer Urknallsingularität in der weiteren Vergangenheit führt.

Aus der Klasse der Lösungen wählen wir demnach die aus, die zu bestimmten Beobachtungen passen und studieren deren Konsequenzen. Wir betrachten also keine unrealistischen Modelle wie z.B. reines Vakuum, extrem hohe Materiedichte mit Kontraktionsphase, extrem inhomogene Materieverteilung, ... Diese Auswahl folgt nicht aus der Theorie, sondern aus der Beobachtung.

... ist die Aussage so, als ob ein Flugzeug allein aufgrund der aerodynamischen Gesetze fliegt, ohne daß noch etwas "hinzukommen" muß?

oder ist die Aussage so, daß die aerodynamischen Gesetze sagen "entweder das Flugzeug fliegt oder es stürzt ab". Was dann das Flugzeug eigentlich tut, hängt nicht von den aerodynamischen Gesetzen ab, diese schließen nur den Fall aus, daß es sich weder fortbewegt noch abstürzt. Sollte es dann nicht etwas außerhalb der aerodynamischen Gesetze geben, welches nun bewirkt, ob es fliegt oder abstürzt?
Gutes Beispiel - dies sind genau die o.g. Anfangsbedingungen.

Das Verhalten des Flugzeugs (Universums) hängt neben den aerodynamischen Gesetzen (Einsteinschen Feldgleichungen) vom Treibstoffvorrat (Materie- und Strahlungsinhalt) ab.

Dies ist ein generelles Problem aller bekannten Theorien: sie liefern uns - auf Basis ausgewählter Anfangsbedingungen - eine Erklärung der Dynamik, jedoch keine Erklärung der Anfangsbedingungen.
 
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zabki

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vielen Dank für die Antwort!

zu den nicht erklärbaren Anfangsbedingungen würde also gehören, daß das Universum überhaupt expandiert und sich nicht z.B. einfach jenseits der physikalisch erfaßbaren Grenzen in einem unbekannten Zustand befindet?
 

TomS

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Zu den Anfangsbedingungen gehört z.B. die Kombination aus aktueller Größe, Expansionsrate, Dichte und Druck der Materie. Dabei sind nicht alle Kombinationen zulässig.
 

zabki

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Wahrscheinlichkeit und Zeit

Nehmen wir als Beispiel ein radioaktives Atom. Das hat eine sog. Halbwertszeit, d.h. es gibt eine bestimmte Wahrscheinlicnkeit, dass es in einem bestimmten Zeitraum zerfallen ist. Wie kommt eigentlich die Wahrscheinlichkeit in die Zeit? Beim bekannten Modell der Urnenziehung kommt die Zeit gar nicht vor. In der Urne liegen die weißen und schwarzen Kugeln, man zieht und es gibt bestimmte Wahrscheinlichkeiten für das Ziehungsergebnis. Besseres Beispiel vielleicht noch das Würfeln mit mehreren Würfeln. Für einen bestimmtes Wurfergebnis bei einer bestimmten Anzahl von geworfenen Würfeln, sagen wir 6 Sechser bei sechs Würfeln, gibt es eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, daß dies Ergebnis eintritt, und zwar ist es egal, ob man alle Würfe gleichzeitig macht oder durch beliebige Zeiträume getrennt.

Ich stelle mir nun vor, daß in so einem radioaktiven Atom eine Anzahl winziger Würfelche steckt, die in einem bestimmten Zeittakt gewürfelt werden. Und bei einem bestimmten Wurfergebnis - sagen wir, alle Würfel haben die Sechs - zerfällt das Atom. Das ergibt dann, wenn ich das rechht sehe, eine bestimmte Wahrscheinlichkeit für das Atom, in einem bestimmten Zeitraum zerfallen zu sein, eine Halbwertszeit. Aber nur deshalb, weil ich die Zeit in Form je einer Ziehung pro Zeittakt schon eingeführt habe.

Wie ist das aber nun wirklich in einem Atom?
 

Herr Senf

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Die Halbwertszeit ist einfach eine Invariante. Wenn es nicht zu kompliziert wäre, könnte man über die Zerfallskanäle nach Feynman-Diagramm rechnen.

PS: das Problem ist nicht die Eigenzeit oder die (skalierte) Koordinatenzeit (sh. relativistisches Myon), sondern die "Hälfte", die ist Naturkonstante :)
 
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Ich

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Ich stelle mir nun vor, daß in so einem radioaktiven Atom eine Anzahl winziger Würfelche steckt, die in einem bestimmten Zeittakt gewürfelt werden. Und bei einem bestimmten Wurfergebnis - sagen wir, alle Würfel haben die Sechs - zerfällt das Atom. Das ergibt dann, wenn ich das rechht sehe, eine bestimmte Wahrscheinlichkeit für das Atom, in einem bestimmten Zeitraum zerfallen zu sein, eine Halbwertszeit. Aber nur deshalb, weil ich die Zeit in Form je einer Ziehung pro Zeittakt schon eingeführt habe.

Wie ist das aber nun wirklich in einem Atom?
Beim Alphazerfall ist diese Vorstellung nah an der Realität:
Wikipedia schrieb:
The theory supposes that the alpha particle can be considered an independent particle within a nucleus that is in constant motion, but held within the nucleus by nuclear forces. At each collision with the potential barrier of the nuclear force, there is a small non-zero probability that it will tunnel its way out. An alpha particle with a speed of 1.5×107 m/s within a nuclear diameter of approximately 10−14 m will collide with the barrier more than 1021 times per second. However, if the probability of escape at each collision is very small, the half-life of the radioisotope will be very long, since it is the time required for the total probability of escape to reach 50%. As an extreme example, the half-life of the isotope bismuth-209 is 1.9 x 1019 years.
 
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