Ist die Philosophie tot, wie Stephen Hawkings meinte?

Freidenker

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Lange Zeit war die Philosophie die Mutter aller Wissenschaften. Doch was ist die Philosophie heute noch? Viele ihrer Kinder hat sie an Einzelwissenschaften verloren. Seit Wittgenstein soll sich die Philosophie auf "Sprachtherapie" beschränken, die Knoten wieder auflösen, die meist von Philosophen selbst durch falschen Sprachgebrauch entstanden sind. Ich denke, die Philosophie war die vernünfterige Schwester der vom Wunschdenken, Teufels- und Gotteswahn besessenen Religion. Heute sind es die Erkenntnisse der Naturwissenschaftler, besonders die der Physiker, Biologen und die der Hirnforschung, die ein aufgeklärter Geist genau beobachten und verdauen sollte. Einige Hirnforscher sprechen von einem neuen Weltbild. Einige Leiter der Max-Planck-Institute für Hirnforschung bezeichnen unsere geglaubte Willensfreiheit als eine Illusion. Ganz so neu ist dieses neue Weltbild der Hirnforscher nicht. Schon Demokrit, David Hume, Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche und andere Denker verneinten die Willensfreiheit. Heute werden die Vermutungen dieser Philosophen von den Hirnforschern durch erste Experimente bestätigt, und das ist gut so, denn Fakten zählen mehr als kluge Worte.

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Ausstellung - Philosophie und Willensfreiheit

Wie steht ihr zur Philosophie und zur Willensfreiheit?
 

TomS

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Wittgenstein, der Wiener Kreis um Carnap u.a. verengen die Philosophie auf Sprachphilosophie. Popper, Whitehead und Russell taten das nicht, und haben sich intensiv mit der Naturwissenschaft beschäftigt.

Meines Erachtens hat sich die Naturwissenschaft so weit fortentwickelt, dass Philosophen (= nicht-Naturwissenschaftler) kaum mehr mitreden können. Umgekehrt sind andere Themen in den Fokus der Philosophie gerückt (Hegel, Marx, Nietzsche, Sartre, Heidegger, Habermaß, Derrida, ...); lest da mal was, die Herren reden einfach von etwas ganz anderem, über etwas ganz anderes - keine Berührungspunkte.

Man kann die positivistische Position dahingehend verengen, dass sie sich selbst überflüssig macht, denn das, worüber sie reden kann, wird im Kontext anderer Wissenschaften definiert und man braucht keine Philosophen mehr. Es ist aber ein Unterschied, ob die Philosophie behauptet, es gäbe nichts außerhalb dessen, was man so diskutieren kann, oder ob sie etwas außerhalb dessen zwar akzeptiert, und sich nur selbst für unfähig erklärt, darüber zu reden. Dann möge sie das tun - aber anderen nicht das Recht dazu absprechen, anders zu handeln.

Hawkings hat sicher keine Deutungshoheit über die Philosophie (er hat sie auch nicht über die Physik); und er leistet innerhalb der Physik sicher weniger als man in der Öffentlichkeit glauben möchte.

btw.: folgendes Buch kann ich sehr empfehlen:

Philosophie der Physik
Hg.: Michael Esfeld

Inhalt: Seit ihren Anfängen bei den Vorsokratikern sind Philosophie und Physik eng miteinander verbunden. Kappt man diese Verbindung, gibt man die Kernaufgabe der Physik – zu Wissen über die Natur zu gelangen – ebenso auf wie die der Philosophie, die grundlegenden Charakteristika der Welt zu erforschen. Dieser Band soll die Vielfalt und Lebendigkeit der philosophischen Auseinandersetzung mit der Physik im deutschsprachigen Raum heute aufzeigen. Er setzt den Schwerpunkt auf die Interpretation der fundamentalen physikalischen Theorien, also die Quantentheorie und die allgemeine Relativitätstheorie, einschließlich der Quantengravitation und der Quantenfeldtheorie

http://www.suhrkamp.de/buecher/philosophie_der_physik-_29633.html
 

Alex74

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Meines Erachtens hat sich die Naturwissenschaft so weit fortentwickelt, dass Philosophen (= nicht-Naturwissenschaftler) kaum mehr mitreden können.
Einerseits stimmt das, andererseits gibt es zu viele philosophische Philosophien über die Philosophie als das man das verallgemeinern könnte. Für jeden Philosophen ist Philosophie anscheinend ohnehin etwas völlig anderes.

Philosophie ist meiner (!) Ansicht nach die Wissenschaft über die Dinge, die man prinzipiell nicht ohne weiteres widerlegen kann und folglich versucht, ein in sich konsistentes Gerüst aufzubauen das erklären kann wie es funktionieren könnte.

Dazu gehört eben die gesellschaftliche Philosophie, die die Frage behandelt wie man am besten eine Gesellschaft aufbaut damit sie (oder jeder einzelne darin) möglichst gut lebt.
Aber auch die Frage, auf welcher in sich widerspruchsfreien Logik ein Universum anfangen kann zu existieren ist eine philosophische Frage, die nur im Rahmen dieser behandelt werden kann - sofern die Physik aussagt daß keine relevanten Informationen aus der Zeit "vor" dem Urknall bis heute überlebt haben.

Insofern ist die Philosophie nicht tot und wird es niemals sein.

Gruß Alex
 

_Mars_

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Insofern ist die Philosophie nicht tot und wird es niemals sein.

Solange nicht jeder Mensch einen Abschluss in Physik od Naturwissenschaften hat (oder sich privat damit beschäftigt), wird sich immer wer Fragen, warum die helle Scheibe da oben ist etc. Daher ist immer Grund zum philosophieren, und für Aberglauben.
 

Frankie

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Ich denke eine grundsätzliche philosophische Bildung kann niemandem schaden.
Sie hilft das logische Denken zu entwickeln, und sollte daher ein Pflicht-Schulfach sein.
Auf keinen Fall würde ich die Philosophie als "tot" bezeichnen, allerdings sinkt deren Renommee ständig. Schade. Das ist aber auch ein Anzeichen dafür, wie die Gesellschaft sich verändert hat.

Liebe Grüße,
Frankie
 

TomS

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Ich weiß nicvht, wie die Gesellaschaft über Philosophie denkt (und ob sie darüber nachdenkt - wahrscheinlich weniger als über Superstars, Topmodels und Spielerfrauen).

Die Philosophie hat sich in den letzten 100 - 200 Jahren (aber insbs. im letzten Jahrhundert) gewandelt und sich von Ontologie, Metaphysik und Physik der Natur abgewandt hin zu anderen Themen. Sie konnte insbs. mit der Ebtwicklung der modernen Physik uns insbs. der Quantenmechanik nicht Schritthalten (was man daran sieht, dass es heute vermehrt die Physiker sind, die sich philosophische Gedanken machen - was manchmal kläglich scheitert). Umgekehrt hat sich auch die Physik mit ihrem positivistischen Zug (insbs. aus bzw. in der angelsächischen Welt) von der Philosophie abgewandt.

Deswegen ist sie aber nicht tot - Philosophie und Physik leiden eher unter einer wechselweisen Sprachlosigkeit.
 

Ich

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Mir ist das Thema des Threads nicht ganz klar. Wenn es um Willensfreiheit geht: M.E. wird in naher Zukunft allgemein bekannt sein, dass dieser Begriff überhaupt nicht definiert ist. Die Antwort hängt also allein von der Definition ab. Weiters meine ich, dass jede vernünftige (d.h. sich innerhalb der Naturgesetze bewegende) Definition Willensfreiheit bestätigen wird. Was gleichzeitig bedeutet, dass die heute vielfach mit dem Begriff verknüpfte Vorstellung von etwas, das über dem Determinismus der Physik steht, abgelehnt werden wird. Quanten hin oder her, die sind kein Ausweg.

Zur Philosophie im Allgemeinen: Ich beschäftige mich nicht sonderlich viel damit, aber sie ist wohl nicht tot, solange es Kanitscheider gibt. Es mag wohl mehrere geben, aber er ist mir durchaus positiv aufgefallen.

Außerdem, an Freidenker und TomS: "Hawkins" gibt 5 Crackpot-Punkte, "Hawkings" wären dann wohl ca. 3. Womit nur noch 2 übrig blieben.
 

Schmidts Katze

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Naja, ich kann wollen, was ich will.
Da kann ich mal das schöne Wort "Tautologie" anbringen.

Aber was will ich denn?
Ich will einen Beitrag bei astronews schreiben.
Dieser Wille ist in meinem Gehirn entstanden, und ich bin mir ziemlich sicher, daß in meinem Gehirn die selben Naturgesetze herrschen, wie im restlichen Universum.

Man könnte also sagen, dieser Wille ist kausal begründet in irgendwelchen Strukturen in meinem Gehirn, die auf die Informationen auf meinem Bildschirm reagieren.
Das macht aber nichts, denn es ist trotzdem mein Wille, und deshalb schreibe ich das jetzt.

Und jetzt will ich das abschicken.

Grüße
SK
 

TomS

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Das hast du echt gut hingekriegt ;-)

Ich finde die Überlegungen zum freien Willen faszinierend, insbs. wenn man sie moralphilosophisch betrachtet. Darf man einen Verbrecher für eine Tat verurteilen, die nicht er sondern seine Neuronen kausal begründbar zu "verantworten" haben? Ja, man darf, denn die selben Naturgesetze kommen ja auch in den Gehirnen der Richter zur Anwendung ...
 
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