Venus Express: Die Venus rotiert langsamer

astronews.com Redaktion

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Durch Auswertung von Daten der europäischen Venussonde Venus Express haben Astronomen entdeckt, dass unser sonnennäherer Nachbarplanet sich offenbar etwas langsamer um die eigene Achse dreht als bei früheren Messungen. Ihnen war nämlich aufgefallen, dass sich Strukturen auf der Oberfläche des Planeten nicht dort befanden, wo sie eigentlich sein sollten. (10. Februar 2012)

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Frankie

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Ketzerische Frage:

Könnte die Venus wegen ihrer eh schon geringen Rotation auf dem Weg zu einer gebundenen Rotation sein? Der Effekt sollte doch stärker weden, je ginger die Rest-Rotation ist, oder?

Grüße,
Frankie
 

MGZ

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Ich denke, man kann davon ausgehen, dass sich der Gesamtdrehimpuls der Venus nicht stark genug geändert hat, um den Effekt zu erklären.
Wenn man die Rotationsgeschwindigkeit der Erde ein halbes Jahr lang messen würde und dann auf 20 Jahre extrapoliert, dann wird man auch eine Abweichung zur Realität feststellen. Im Sommer haben auf der Nordhalbkugel alle Bäume Blätter, sodass sich im Endeffekt das Trägheitsmoment erhöht und die Erde langsamer rotiert. Im Winter fallen die Blätter runter und die Rotationsgeschwindigkeit erhöht sich wieder.
Ich kann mir vorstellen, dass es auf der Venus Prozesse gibt, die zeitweise Drehimpuls zwischen Atmoshäre und Gesteinskörper austauschen.
 

Bynaus

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@Frankie: Das wär sehr seltsam: die Geschwindigkeit, mit der das geschieht, wäre atemberaubend schnell, und wir müssten uns glücklich schätzen, dass wir das ausgerechnet jetzt, da wir die Venusrotation messen können, beobachten (und dass es nicht schon, sagen wir, vor 1000, 1 Mio oder 1 Mrd Jahre geschehen ist).

Es ist deshalb a priori wahrscheinlicher, dass es sich dabei um einen periodischen Effekt handelt.

MGZ schrieb:
Im Sommer haben auf der Nordhalbkugel alle Bäume Blätter, sodass sich im Endeffekt das Trägheitsmoment erhöht und die Erde langsamer rotiert. Im Winter fallen die Blätter runter und die Rotationsgeschwindigkeit erhöht sich wieder.

Ich glaube mich zu erinnern, dass das eine Urban Legend ist (dh, es stimmt so nicht), aber ich habe auf die Schnelle keinen Link dazu gefunden. Aber man kann ja z.B. argumentieren, dass die Blätter ja nicht einfach unten liegen bleiben und dann im Frühling wieder an die Bäume springen, sondern sie verrotten und werden so teilweise zu CO2 - womit diese Mass aber wieder deutlich über die Bäume zu liegen kommt...
 

Sissy

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Hi Bynaus,

die Erde rotiert tatsächlich unterschiedlich mit den Jahreszeiten. Die Blätter bestehen wie alles Leben hauoptsächlich aus Wasser. Da die Landmassen der Erde derzeit einen Überhang auf der Nordhemisphäre haben, ist im Nordsommer mehr Wasser(dampf) in der Atmosphäre und auf der Vegetation (Sträucher/Bäume) als Schnee im Winter am Boden. Das verändert die Rotationsgeschwindigkeit im Picosekundenbereich...

Ne verläßliche Quelle mit konkreten Angaben hab ich dafür jetzt aber auch nicht.

CS
Sissy
 

Bynaus

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die Erde rotiert tatsächlich unterschiedlich mit den Jahreszeiten.

Ja, das ist richtig - aber daran haben die Blätter keine Schuld. Der Unterschied aufgrund der Blätter liegt, wie du sagst, im Bereich von Picosekunden (siehe auch hier). Die saisonale Variation liegt aber im Bereich von Millisekunden. Das eine kann damit das andere nicht erklären.
 

DELTA3

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QUOTE=Frankie;85885]
Könnte die Venus wegen ihrer eh schon geringen Rotation auf dem Weg zu einer gebundenen Rotation sein? Der Effekt sollte doch stärker weden, je ginger die Rest-Rotation ist, oder?[/QUOTE]

Ich weiss nicht, wie stark der Effekt durch Gezeitenkräfte ist, der schliesslich zur gebundenen Rotation führt, immerhin ist die Venus wesentlich näher an der Sonne dran als die Erde, und hier bei uns ist der Gezeiteneinfluss der Sonne schon deutlich festzustellen!

Ich hab' mal kurz nachgerechnet: Wenn sich die Rotation innerhalb von ca. 20 Jahren um 6,5 Minuten verlangsamt hat, dann wären das ca. 53,4 msec pro (Erd-)Tag, in 10 Tagen also 0,543 Sec. Wenn sich die Rotation kontinuierlich weiter verlangsamt, dann müsste das also von Venus Express ohne weiters messbar sein! Warum steht darüber nichts in dem Bericht? Oder geht man vielleicht davon aus, dass die Messung vor 20 Jahren komplett falsch war?

Gruss, Delta3
 

Bynaus

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DELTA3

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Danke Bynaus für den Link.

Da steht allerdings nur, dass man weiter beobachten will, ob die Rotation weiterhin abnimmt.

Ich hätte da allerdings erwartet, dass man das vorher abklärt, bevor man einen solchen Bericht veröffentlicht. Schliesslich hätte es nur ein paar Tage, oder nur einer weiteren Messung bedurft, um eine Veränderung festzustellen, wenn die Messgenauigkeit so hoch ist, wie es hier dargestellt wird. Oder geht es da nur um eine schnelle Sensationsmeldung??

Wenn man davon ausgehen würde, dass die Messung vor 20 Jahren komplett falsch war, dann gäbe es wohl hier nichts zu berichten, oder? :)

Zumindest hätte man darüber diskutieren können, was die Ursache für eine solche Fehlmessung sein könnte. Denn immerhin werden solche Messungen ja von bewegten Objekten (Raumsonden) an einem bewegten Objekt (Venus) vorgenommen, deren relative Bahnparameter, wie auch die entsprechenden Signallaufzeiten, sehr genau eingerechnet werden müssen, wobei möglicherweise relativistische Effekte durch Gravitation und Geschwindigkeit auch noch berücksichtigt werden müssen. Ich stelle mir das nicht so einfach vor und denke, dass es da einige Fehlerquellen geben könnte.

Gruss, Delta3.
 

Bynaus

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Schliesslich hätte es nur ein paar Tage, oder nur einer weiteren Messung bedurft, um eine Veränderung festzustellen, wenn die Messgenauigkeit so hoch ist, wie es hier dargestellt wird.

Nein.

Zunächst einmal ist unklar, ob die Abbremsung koninuierlich oder nur in bestimmten Zeiträumen erfolgt (dann könnte es z.B. sein, dass zur Zeit gar keine Abbremsung mehr messbar wäre). Dann muss man diese Abbremsung an irgend etwas festmachen können - beim Magellan (und wohl auch jetzt bei Venus Express) sind das "Landmarks", also auffällige Oberflächenmerkmale, und der Zeitpunkt, an dem sie unter der (ziemlich genau bekannten) Position der Raumsonde vorbeiziehen. Trotz der beträchtlichen Abweichung von 6.5 Minuten hat sich da in 20 Jahren nur gerade eine Differenz von 20 km zwischen der erwarteten und tatsächlichen Position des Merkmals ergeben, dh, ca. 1 km / Jahr. Nun stellt sich die Frage, wie gut die Auflösung von Venus Express beim Erkennen von Merkmalen ist - ich schätze, sie ist nicht auf 100 m genau, und dann muss da noch ein bisschen Spielraum für statistische Streung etc. sein. Das heisst, unter einem Jahr zusätzlicher Messung läuft gar nichts. In einem einzigen (Erd-) Tag würde sich - koninuierliche, lineare Abbremsung immer vorausgesetzt - also eine Positionsänderung von nur gerade etwa 3 Meter ergeben.

Zumindest hätte man darüber diskutieren können, was die Ursache für eine solche Fehlmessung sein könnte. Denn immerhin werden solche Messungen ja von bewegten Objekten (Raumsonden) an einem bewegten Objekt (Venus) vorgenommen, deren relative Bahnparameter, wie auch die entsprechenden Signallaufzeiten, sehr genau eingerechnet werden müssen, wobei möglicherweise relativistische Effekte durch Gravitation und Geschwindigkeit auch noch berücksichtigt werden müssen. Ich stelle mir das nicht so einfach vor und denke, dass es da einige Fehlerquellen geben könnte.

Ja. Ich bin allerdings davon ausgegangen, dass solche Bedenken von den involvierten Wissenschaftlern ausdiskutiert wurden, bevor man damit an die Öffentlichkeit ging. Siehe auch:

“When the two maps did not align, I first thought there was a mistake in my calculations as Magellan measured the value very accurately, but we have checked every possible error we could think of,” said Nils Müller, a planetary scientist at the DLR German Aerospace Centre, lead author of a research paper investigating the rotation.

(fett von mir)

Hier ist noch der Original-Artikel der ESA. Leider ist darin kein Wort zu lesen, wann diese Eregebnisse publiziert werden, so dass man nachschauen kann, ob das auch wirklich diskutiert wird (wovon ich ausgehe): http://www.esa.int/esaSC/SEM0TLSXXXG_index_0.html

EDIT: Hier ist das Paper: http://adsabs.harvard.edu/abs/2012Icar..217..474M

EDIT2: Im Paper steht, dass die räumliche Auflösung des Magellan-Radars etwa 8 - 27 km betrug, während VIRTIS (das Instrument auf Venus Express) eine Auflösung von 90 km hat. Den "offset", den sie zu sehen glauben, kann ich nicht direkt nachvollziehen, aber offenbar weichen die VE-Daten systematisch etwa 0.2 Grad von den erwarteten Positionen ab. Sie diskutieren verschiedene Erklärungen, räumen aber ein, dass ein bisher unbekannter systematischer Effekt der Grund sein könnte.
Sie zitieren Arbeiten, in denen die Möglichkeit diskutiert wird, dass die Auswirkungen der Atmosphäre auf die Rotationsdauer bis zu 1 Stunde dauern könnten, über Zeiträume von ca. 10 Jahren. Es ist also nicht völlig ausgeschlossen, dass der Effekt real ist, aber überzeugt bin ich nicht.
 
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niesen

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Die Erde dreht sich seit einigen Jahren doch auch langsamer. Um Wieviel Prozent ist die Taglänge bei der Venus denn gestiegen? Wenn das auch dem Anstieg der Tageslänge der Erde im gleichen Zeitraum entspricht handelt es sich dann wohl um ein "universielles" Problem. Ich hab das grad mal nur im Taschenrechner mit den Wikipediadaten und den Daten im Artikel gemacht und komme ca auf den Faktor 100, die die Venus schneller langsamer geworden sein könnte als die Erde.. hab ich richtig gerechnet? http://de.wikipedia.org/wiki/Erdrotation

Edit: 6,5min/243,0185Tage und 6ms/23 h 56 min 4,10 s
 
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Bynaus

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Die Erde dreht sich seit einigen Jahren doch auch langsamer.

Nicht nur seit einigen Jahren - seit Jahrmilliarden! Die Erdrotation nimmt wegen derm Austausch von Drehimpuls mit dem Mond ständig (langsam) ab (dafür entfernt sich der Mond langsam von ihr). Darüber hinaus gibt es etliche kurzfristigere Schwankungen, von der Länge von Jahrmillionen bis zu Stunden.
 

DELTA3

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.. hab ich richtig gerechnet? http://de.wikipedia.org/wiki/Erdrotation
Edit: 6,5min/243,0185Tage und 6ms/23 h 56 min 4,10 s

Ich weiss nicht, wie du auf 6ms/24h kommst! Laut Wiki ist es bei der Erde viel weniger:

"Die Auswertung zahlreicher Beobachtungen aus den letzten 2700 Jahren zeigt, dass die Tageslänge während dieses Zeitraums im Mittel um etwa 17 μs pro Jahr zunahm"

Dabei wird die Erdrotation nicht nur durch die Gezeitenwirkung der Sonne, sondern im Wesentlichen auch durch die des Mondes abgebremst. Andererseits ist die Venus viel näher an der Sonne als die Erde (108Mill.Km : 150Mill.Km) und die Gravitation wirkt sich mit dem Quadrat der Entfernung aus, dürfte also auf der Venus fast doppelt so stark sein wie auf der Erde. Wie sich dabei die Gezeitenreibung auf die Tektonik der Venus und die dichte Venusatmosphäre auswirkt, kann ich allerdings nicht sagen.

Da die Rotation der Venus retrograd ist, müsste sich die Rotation umkehren, um zu einer gebundenen Rotation mit der Sonne zu kommen. Wie lange das bei der jetzt gemessenen Abnahme der Rotationsgeschwindigkeit dauert, müsste man mal ausrechnen.

Gruss, Delta3.
 
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