Rotationskurven gemäß ART

Bernhard

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Hallo zusammen,

angeregt durch diesen Beitrag von SCHWAR_A möchte ich mal wieder den Preprint von F.I. Cooperstock und S. Tieu in Erinnerung rufen.

Auf den ersten Blick mag man sich vielleicht denken, dass bei typischerweise schwachen Gravitationsfeldern einer typischen Galaxie, wie z.B. der Milchstraße, M31, M33 usw. allgemein relativistische Rechnungen nicht unbedingt neue Aspekte der Galaxiendynamik zeigen, weil die ART für schwache Gravitationsfelder bekanntlich in die newtonsche Mechanik übergeht. Man übersieht dabei aber allzu leicht, dass es dabei nicht nur um diesen newtonschen Limes gehen könnte, sondern auch um die Ausbreitungsgeschwindigkeiten der beteiligten Gravitationsfelder.

Sollte also eine unendliche Ausbreitungsgeschwindigkeit der Gravitationsfelder (newtonsche Mechanik) tatsächlich den Bedarf eines Dunkle-Materie-Halos vortäuschen? Der Preprint von F.I. Cooperstock und S. Tieu legt diesen Verdacht ansatzweise nahe.
Beste Grüße

B.
 
Zuletzt bearbeitet:

Alex74

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Diese Meldung habe ich immer im Kopf wenn mal wieder was Neues über DM berichtet wird.

Ich glaube es geht hier den meisten so wie mir: daß unsereins kaum abwägen kann was nun wahrscheinlich richtiger ist.

Problematisch für mein Verständnis ist, daß alternative Theorien (oder eben auch herkömmliche die ohne DM auskommen wie diese) sich immer nur an der Galaxiendrehung aufhängen, während DM auch andernorts Wirkung zeigen soll und auch auf irgendeine Weise aus der Hintergrundstrahlung hervorgeht.

Sehe ich das richtig, daß:

-wenn die ART die Drehung alleine erklären kann, man dann aber ein Problem mit den beobachteten Gravitationslinsen und der Hintergrundstrahlung hat?
-wenn etwas wie MOND (oder vergleichbar) die Drehung erklären kann, man prinzipiell vor dem gleichen Problem steht?
-und daß andererseits wiederum DM alles im Einklang erklären könnte, aber praktisch nicht experimentell zu belegen ist?

Gruß Alex
 

Bernhard

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Haben da die Autoren nicht Voraussetzung mit Rechenergebnis vertauscht?

Das finde ich schon interessanter:
1. the set of equations they derive is essentialy correct, though does not posses nontrivial, asymptotically flat solutions,
Solchen Einwänden sollte man natürlich nachgehen...
2. the model of galaxy they propose is questionable because it posseses an additional source of gravitational field in the form of a rotating flat disk at z=0.
??? Müsste ich mich erst mal einarbeiten, um das näher nachvollziehen zu können.

Vielen Dank für die Links.
 

Bernhard

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-wenn die ART die Drehung alleine erklären kann, man dann aber ein Problem mit den beobachteten Gravitationslinsen und der Hintergrundstrahlung hat?
-wenn etwas wie MOND (oder vergleichbar) die Drehung erklären kann, man prinzipiell vor dem gleichen Problem steht?
-und daß andererseits wiederum DM alles im Einklang erklären könnte, aber praktisch nicht experimentell zu belegen ist?
Hi Alex,

die Thematik ist ganz klar relativ komplex, macht die Diskussion deswegen aber auch interessant. Ich wollte das Thema auch eher als Stoffsammlung starten und Bynaus hat ja auch gleich den "Elchtest" für den Preprint definiert :) . Bevor man also gleich zu so Themen wie dem Bullet-Cluster kommt, kann man sich vorher noch mit einfacheren Dingen beschäftigen. Mit dem Bullet-Cluster und den zugehörigen Argumenten kennt sich "Ich" glaube ich ganz gut aus. Ich kenne mich damit praktisch gar nicht aus.

Gravitationslinsen kann praktisch nur die ART wirklich gut beschreiben. Die gehören genaugenommen in dieses Thema hier gar nicht rein.

Was MOND zur Zeit so treibt ist mir momentan genaugenommen ziemlich Wurst.
Schönen Gruß

B.
 

Alex74

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Ich meinte die speziellen Gravitationslinsen, mit denen man nachwies daß die Hauptmasse nicht mit der leuchtenden Materie deckungsgleich ist.
Gerade daran wundert mich einiges; denn im Prinzip ist sowas imho ein Beweis für Dunkle Materie. Daher erstaunt mich daß man sich dennoch in anderer Richtung Gedanken macht. Das wiederum weckt in mir Zweifel daran wie diese Gravitationslinsenbilder zustande kommen und ob hier andere Interpretationen möglich sind.
 

Bernhard

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Ich meinte die speziellen Gravitationslinsen, mit denen man nachwies daß die Hauptmasse nicht mit der leuchtenden Materie deckungsgleich ist.
Wie bestimmt man bei denen eigentlich die Masse der leuchtenden Materie? Sind diese Verfahren zuverlässig und wenn ja mit welchem Fehler behaftet?
 

FrankSpecht

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Moin, Bernhard,
Wie bestimmt man bei denen eigentlich die Masse der leuchtenden Materie? Sind diese Verfahren zuverlässig und wenn ja mit welchem Fehler behaftet?
Dazu gibt es ein ganz hervorragendes PDF (ab Seite 8) aus einem Astroseminar der Uni Erlangen: Galaxienhaufen

Das geht u.a.
1.) über die Häufigkeitsverteilungen der Radialgeschwindigkeiten, die in Galaxienhaufen beobachtet wurden (isotherme Verteilung)
2.) über die Hydrostatische Gleichung: dP/dr = -ρ (GM/r²)
3.) zum Virial-Theorem

Ein anderer Ansatz ist die Masse-Leuchtkraft-Relation von Galaxien. Das ist im Prinzip die Erkundung der Sonnenumgebung (Milchstraße) und die Ubertragung auf andere Galaxien mit Annahme ahnlicher Sternverteilung.
 

Bernhard

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Hallo Frank,

auch Dir vielen Dank auf den Link auf das pdf.

Die Annahme einer maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung ist vermutlich experimentell abgesichert (?), so dass die resultierenden Ergebnisse innerhalb der newtonschen Mechanik nicht direkt angreifbar sind. Trotzdem bleibt noch die Frage nach der endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit der Gravitationsfelder. Mir ist dabei noch nicht klar, welche langreichweitigen Auswirkungen das hat. In erster Ordnung fordert so ein Argument ja die Verwendung retardierter Positionen und man könnte sich damit dann überlegen, wie eine relativistische Verallgemeinerung des Virial-Satzes aussieht und wie sich diese Korrektur auf Ergebnisse, wie die Masse-Leuchtkraft-Beziehung auswirkt.
Gruß
 

SCHWAR_A

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Hallo Bernhard,

zur Laufzeit von Gravitation habe ich mal was geschrieben.

Vielleich hilft das ja ein bißchen, um zu sehen, daß es wohl egal ist, ob man nun Laufzeit mitberücksichtigt, oder SRT und ART in die Simulationen mit einbaut.

Viele Grüße.
 

SCHWAR_A

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@Bernard:
Im paper von F. I. Cooperstock and S. Tieu wird gleich zu Beginn etwas gemacht, was ich nicht verstehe:
In Gleichung 1 steht ....(cdt − Ndphi)[SUP]2[/SUP].

Dadurch wird m.E. doch über die neu eingeführte Funktion N eine quasi beliebig tunebare Laufzeitverzögerung eingeführt.
Später sieht man die experimentell gefundenen Tune-Parameter auch in einigen Tabellen.

Das erinnert mich daran, daß man im Prinzip jede Kurve eines Signals mittels Fouriersynthese erzeugen kann,
man muß nur genügend Parameter verwenden.
Das hat doch aber nichts mit Physik zu tun, sondern ist nur mathematische Spielerei.

Oder sehe ich das völlig falsch?
 

Bernhard

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Hallo Bynaus,

schaut man sich diese Arbeit einmal etwas genauer an, entdeckt man neben einigen groben Rechtschreibfehlern ein doch etwas haarsträubendes Mißverständnis seitens des Autors. So entwickelt Korzynski die Feldgleichungen nach \sqrt(G) mit einem Hinweis auf die Arbeit von Cooperstock und Tieu. Diese erwähnen aber nur, dass dort das Hilfsfeld N quadratisch in die Gleichungen erster Ordnung eingeht ( :D ):
C.&Tieu schrieb:
Note that from both the field equation for rho and the expression for omega that N is of order G^(1/2)
IMHO ist damit der erste Einwand von Korzynski, dass die Metrik für große r nicht gegen die Minkowski-Metrik konvergiert, erst mal vom Tisch.

Leider zeigt Google nicht, was aus der Arbeit von C&T inzwischen geworden ist und ob sie mittlerweile in einer Zeitschrift auf Papier veröffentlicht wurde. Vermutlich aber nicht, wenn man sich die vielen Kritiken (s. Google-Suche nach Cooperstock Tieu) ansieht.
Gruß
 

Bernhard

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Oder sehe ich das völlig falsch?
Hi SCHWAR_A,

ich würde da eher falsch sagen. Das Vorgehen von C&T ist in diesem Punkt durchaus üblich und zulässig. Man beschränkt sich zuerst auf eine Klasse von Metriken, die lediglich die benötigten Symmetrien erfüllen und setzt an alle unbekannten Stellen erst mal sinnvoll parametrisierte Funktionen (N, u, w, usw.). Dann setzt man diese Klasse von Metriken in die Feldgleichungen ein und analysiert die weiteren Einschränkungen für die unbekannten Funktionen. Die bekannte Schwarzschildmetrik wurde beispielsweise genau nach so einem Verfahren gefunden.
Gruß
 

SCHWAR_A

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Hi Bernhard,
danke.

Aber dennoch kann ich damit jede beliebige Rotations-Kurvenform annähern, was aber mit einer zugrundeliegenden Physik sofort mit nur einem Parametersatz für alle Beobachtungen das richtige Ergebnis bringen müßte, oder nicht?

Viele Grüße.
 

Luzifix

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Hallo!
Wie ist das denn mit dem Massendefekt bei einer ganzen Galaxie, weiß man da etwas, der könnte doch infolge kosmischer Großereignisse viel größer sein als wenn man das nur bei einer Sonne betrachtet? Wenn ich versuche, über dieses Thema nachzudenken, fallen mir außer dem Massenverlust nur Aspekte ein, die die Rotationsgeschwindigkeit verlangsamen. Zum Beispiel die Wirkung der fernen kosmischen Massen, die ja um 100 Ly verzögert an den Flanken der Milchstraße ankommen. Oder auch die früher größere Dichte des Universums. Da war der Grundpegel des G-Potentials im materiefernen Raum höher und der Trog, den eine Galaxie mit einer bestimmten Masse in diesen Raumzeitteppich drückte, war (relativ betrachtet) weniger tief. Mit der Entfernung aller Massen voneinander sinkt die Galaxie bei gedacht konstanter Masse tiefer, was einen Effekt bringt, als würde sie schwerer werden mit dem Alter. Also genau das Gegenteil von dem, was man beobachtet. Als würden bei der Pirouette die Arme ausgebreitet.
 

Luzifix

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Verstehe ich nicht.

Solche Verstehe-ich-nichts haben sicher einen gewissen Sammlerwert und lassen sich ev. sogar bei ebay versteigern?

Die fernen Massen ziehen an der rechten Seite eines Objekts immer etwas stärker als an der linken, auf der linken Seite ist es umgekehrt. Außerdem kommt der gravitative Status quo, wie er rechts wirkt, auf der linken Seite mit Verspätung an. Das sind bei der Milchstraße rund 100 Jahre. Wie sich das bei der Expansion der Entfernungen auswirkt, habe ich noch nicht endgültig durchdacht. Aber für den Fall, daß es sich um Wirkungen von Massen handelt, die eben gerade im Begriff sind, mit v= äq(c) aus unserem Wahrnehmungsbereich zu verschwinden, ist der Fall klar: Die wirken nämlich auf der näheren Seite noch, während die von ihnen ausgegangene Gravitation auf der Gegenseite erloschen ist. Dieses Faszinosum steht wohl im Widerspruch zu allem, was ich im Zusammenhang mit Mach über das Wirken von fernen Massen gelesen habe. Ich bin mir schon bewußt, daß ein falscher Satz hier schnell zum Wissenschaftstroll qualifiziert. Also gebe ich mir Mühe.
 
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