@Schmidts Katze: Was leider oft vergessen geht, ist, dass es eigentlich ganz anders geplant war. Schon in den 50er Jahren wusste man, dass die Druckwasserreaktoren eine suboptimale Lösung waren, weil sie das Uran nicht effizient nutzen, viel Abfall produzieren und hohe Anforderungen an Mensch und Material haben. Zudem ist die Urananreicherung nicht proliferationssicher (was dann zum Nicht-Profliferationsvertrag geführt hat). Man sah die Druckwasserreaktoren als Übergangstechnologie, die innerhalb weniger Jahrzehnte von Brütern abgelöst werden sollten, die all diese Probleme nicht haben. Niemand dachte auch nur im Traum an geologische Tiefenlager, weil sie gar nie nötig werden würden. Die Entwicklung der Brüter wurde dann begonnen, und neben vielen gescheiterten Projekten gibt es heute auch einige, die erfolgreich waren und sind. Womit wohl niemand gerechnet hatte, war die Ablehnung, auf die die Atomtechnologie bei der Bevölkerung stiess. Rational kann man das nicht erklären: Die Nutzung der Atomenergie produziert mit Ausnahme der radioaktiven Abfälle (die damals ja eben als vorübergehendes Problem angesehen wurden) keinerlei schädliche Stoffe. Ausser in und um Tschernobyl (das tatsächlich ein riskantes Experiment mit einem instabilen Reaktor war, das so im Westen nie durchgeführt worden wäre) sind nie Menschen an der Nutzung der Atomtechnologie gestorben (und auch dort waren es höchstens ein paar tausend - tragisch, ja, aber eine sehr kleine Zahl im Vergleich zur "Konkurrenz"). Heute kommt noch dazu, dass die Nutzung der Atomenergie nur sehr wenig CO2 freisetzt. Die Brüter sind nie bei der Bevölkerung angekommen, weil ihre trampligen Verwandten, die Druckwasserreaktoren, einen so schlechten Eindruck gemacht haben - obwohl sie sich eigentlich ganz gut aufgeführt haben.
Natürlich darf man die Vorgänge in Fukushima nicht ignorieren, und man muss auch hier bei uns die Lehren daraus ziehen. Der mangelnde Hochwasserschutz, stellt sich heraus, war lange zuvor erkannt und bemängelt worden - es wurde aber nie nachgebessert. Man muss sich fragen, ob das hier möglich ist: und ja, es ist möglich. Ich weiss, dass das AKW Mühleberg in der Schweiz unterhalb eines Staudammes liegt, und dass dies wiederholt auch von Fachleuten kritisiert wurde. Einige AKW stehen in der Nähe von Erdbebenzonen, so dass man auch das im Detail anschauen - und vielleicht einige davon abschalten - muss (zur Erinnerung: Die Reaktoren in Fukushima 1 hatten das Erdbeben selbst, das viel stärker war als alles, wofür sie ausgelegt waren, problemlos überlebt - erst der Tsunami führte zum Problem. AKW können also durchaus erdbebensicher gebaut werden). Sicherheit sollte, gerade um das Vertrauen der Bevölkerung zurück zu gewinnen, oberste Priorität haben. Im Gegenzug muss man aber auch anerkennen, dass in AKW der neusten Generation (III+) eben sehr viele der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte eingeflossen sind. Der kleine Altersunterschied zwischen den Reaktoren in Fukushima 1 und Fukushima 2 hat dazu geführt, dass in letzterer Anlage die Reaktoren nach dem Erdbeben und dem Tsunami praktisch problemlos heruntergefahren wurden. Es würde sich deshalb lohnen, alte Reaktoren kontinuierlich durch neue zu ersetzen, an den jeweils sichersten bekannten Stellen.
Heutige Flugzeuge sind sicherer als die DC-3, und jene war ihrerseits sicherer als die allerersten Passagierflugzeuge. Wenn wir nach den ersten Flugzeugabstürzen entschieden hätten, dass Fliegen generell unsicher ist, wären wir in der Luftfahrt heute nicht da, wo wir sind. Die Entwicklung der Technologie geht definitiv in diese Richtung: künftige Atomreaktoren werden in Fabriken in kleinen Modulen und in Serienfertigung hergestellt. Das erhöht die Qualität enorm und senkt die Preise für die einzelnen Einheiten. Deutschland und vielleicht auch die Schweiz verpassen jetzt diese Entwicklung, aber man kann ja später immer noch einsteigen - zu dem entsprechenden Preis. Weltweit gesehen macht die Atomenergie derzeit gute Fortschritte, deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir das Zeitalter der DC-3 bald hinter uns lassen werden.
Solarius schrieb:
Demnach bleiben noch 377,5 TWh nichtelektrische Energie übrig.
Sofern die Rechnungen überhaupt glaubwürdig sind (siehe UMa's Kommentar): das entspricht immer noch einer grossen Menge CO2, die ausgestossen wird.
Windräder kann man auch auf landwirtschaftliche Flächen bauen. Ackerbau ist weiterhin problemlos möglich.
Windräder schon - bloss hast du dann Probleme mit Vögeln und dem Lärmschutz. Zudem, wenn du Wind statt Solar nimmst, verdreifacht sich die benötigte Fläche (mindestens: Wind über Land hat noch schlechtere Flächenleistungswerte als Offshore-Wind): statt 7% sinds dann eben (mindestens) 21%. Und dann musst du immer noch speichern.
Das die Vergütungssätze stark gesunken sind und weiter sinken werden hast du aber mitbekommen? Im Jahr 2024 werdem die ersten Solarzellen, die noch mit 57,4 Cent vergütet wurden, aus der Förderung herausfallen. In 20 Jahren fallen selbst die jetzt gebauten Solarzellen aus der Förderung. Es wird langfristig also wieder billiger.
Aber wann kommt der Peak? Sicher nicht bald, und in der Zwischenzeit werden die Kosten (und die CO2-Emissionen) weiter steigen. Wann kommt der Punkt, an dem die Bevölkerung nicht mehr bereit ist, das zu tragen? Vor oder nachdem die Netze unter der Last des schwankenden Stromangebots kollabieren?
spacewalk1 schrieb:
Bis heute existiert weltweit noch keine kommerziell betriebene Transmutationsanlage, welche zur Beseitigung nuklearer Abfälle in der Lage ist. Auch die kommerzielle Verfügbarkeit der Integral Fast Reactors ist nicht bestimmt.
Es gibt das S-PRISM Design von General Electrics / Hitachi. Dieser basiert auf dem Integral Fast Reactor, dessen Prototyp 30 Jahre lang erfolgreich getestet wurde. Derzeit wird S-PRISM in zwei Ländern aktiv diskutiert: in Grossbritannien und in den USA.
Dein Argument, es gäbe keine Anlage, mit der das möglich sei, und deshalb sei das ganze generell abzulehnen oder zu ignorieren, ist etwa so, wie wenn du 1960 sagst, wir haben keine Mondrakete, also kann man mit einer Rakete auch nicht zum Mond fliegen, und wir werden auch keine solche Rakete zu entwickeln versuchen, so lange wir nicht eine haben, die schon dorthin fliegen kann und damit beweist, dass es möglich ist. Mit dieser Geisteshaltung bleibt dir nichts anderes übrig, als den nuklearen Abfall zu vergraben, womöglich gegen den erklärten Willen der Bevölkerung.