Brauchen wir die Kernenergie?

Kibo

Registriertes Mitglied
Was soll falsch daran sein für den Neubau von Kernkraftwerken der Generation 3+ und 4 zu sein, wenn dadurch dann überaltete Anlagen mit schlechteren Sicherheitsstandarts geschlossen werden können?
 

Solarius

Registriertes Mitglied
Was soll falsch daran sein für den Neubau von Kernkraftwerken der Generation 3+ und 4 zu sein, wenn dadurch dann überaltete Anlagen mit schlechteren Sicherheitsstandarts geschlossen werden können?
Die Atomindustrie ist einfach nicht mehr glaubwürdig. Außerdem kann man Geld nur einmal ausgeben. Und bevor man das Geld für AKWs ausgibt, gibt man es doch besser für Erneuerbare Energien aus. Auf Telepolis gibt es ganz aktuell ein Interview mit Jürgen Stemke von der Piratenpartei.
http://www.heise.de/tp/artikel/37/37643/1.html
 

Bynaus

Registriertes Mitglied
Die Atomindustrie ist einfach nicht mehr glaubwürdig.

Als ob Leute, die die Atomenergie ablehnen, die "Atomindustrie" (wer ist das überhaupt? Die Hersteller? Die Betreiber? Diejenigen, die Geld mit der Angst davor machen, z.B. Greenpeace?) jemals für glaubwürdig befunden hätten. Da sind viele vorgefasste, ideologische, ja fast schon quasi-religiöse Meinungen vorhanden, die kein Stück weit kritisch hinterfragt werden, ja gar nicht hinterfragt werden dürfen.

Außerdem kann man Geld nur einmal ausgeben. Und bevor man das Geld für AKWs ausgibt, gibt man es doch besser für Erneuerbare Energien aus.

Im Moment gibt Deutschland auch viel Geld für den Ausbau der Fossilen Energien aus, um die Kapazitätseinbussen ab 2020 abfangen zu können. Dieses Geld auf wäre auf jeden Fall besser in neue, moderne AKW investiert, statt in zusätzliche CO2-Schleudern.

Da es keine Lösung für die Beseitigung des Atommülls gibt, wäre eigentlich ein Totalaustieg die logische Konsequenz aus dem Beitrag.

Und was macht man mit dem bestehenden Atommüll? Löst der sich in Luft auf, wenn das letzte AKW abgeschaltet ist?

Es gibt eine Lösung für die Beseitigung des Atommülls, sie gefällt den ideologischen Atomgegnern einfach nicht: Die Verbrennung in Reaktoren mit schnellen Neutronenspektren, wie etwa dem Integral Fast Reactor.
 

Kickaha

Registriertes Mitglied
Hallo,

mit Windenergie kann in kurzer Zeit (3 Jahre) 60% der Stromproduktion erreicht werden, die für das Jahr 2030 veranschlagt wird.
Die neuen Technologien bieten Sicherheit für das Netz durch stabilisierende Systeme und Kurzzeitausgleich von Spitzenlasten.
Link

Die Solarwärmekraftwerke Generation 2+ bieten Strom rund um die Uhr durch speicherung der Wärme und scheinen selbst in Europa effektiv zu laufen.

Beide Technologien sind dabei die Produktionskosten auf unter 2 Cent zu schaffen.

Ein Ausbau der Netze mit den neuen Technologien muss nicht teuer forciert werden.


Zusammen gesehen, es gibt keinen Grund an ein politisch wie technologisch nicht beherschbaren Atomstrom fest zu halten, der Müll Produziert für den die folgenden Generationen bezahlen müssen.


Namaste
 

Schmidts Katze

Registriertes Mitglied
Hallo Bynaus,

Als ob Leute, die die Atomenergie ablehnen, die "Atomindustrie" (wer ist das überhaupt? Die Hersteller? Die Betreiber? Diejenigen, die Geld mit der Angst davor machen, z.B. Greenpeace?) jemals für glaubwürdig befunden hätten. Da sind viele vorgefasste, ideologische, ja fast schon quasi-religiöse Meinungen vorhanden, die kein Stück weit kritisch hinterfragt werden, ja gar nicht hinterfragt werden dürfen.

da musst du auch mal die Gründe für diese Ablehnung sehen.
Ich kann mich noch gut an die Auseinandersetzungen in Brokdorf, Wackersdorf oder Gorleben erinnern.
Wir waren keine "Berufsdemonstranten", wie in der öffentlichen Meinung behauptet, sondern vielfach Anwohner, die Angst um die Gesundheit ihrer Kinder hatten, Bauern, die enteignet wurden, oder sich um ihre Böden sorgten.
Der Staat hat mit Wasserwerfern geantwortet.
Holger Börner brachte die Ansichten in der Politik gut auf den Punkt, als er ankündigte, die Grünen "mit der Dachlatte aus dem Landtag [zu] vertreiben."

Und deine Frage nach der Atomindustrie, natürlich die Hersteller und die Betreiber von kerntechnischen Anlagen, wer sonst?
Wer ist denn die Holzindustrie?
Waldbesitzer, Sägewerke und Möbelbauer, oder?

Und was macht man mit dem bestehenden Atommüll? Löst der sich in Luft auf, wenn das letzte AKW abgeschaltet ist?

Das ist eine Frage, die der Atomindustrie und der Politik immer wieder gestellt wurde, und die immer mit einem lapidaren "Jaja, regt euch mal nicht auf, wir machen das schon, uns könnt ihr vertrauen" beantwortet wurde.
Diese Frage jetzt den AKW-Gegnern zu stellen,finde ich etwas merkwürdig und auch ungerechtfertigt, die Antwort kann nur lauten, frag die, die den Müll produziert haben.

Grüße
SK
 

UMa

Registriertes Mitglied
Hallo Solarius,
Die Zahlen der Studie:

Photovoltaik: Installierte Leistung: 275 Gigawatt ergeben 248 TWh Ertrag
Windenergie an Land: Installierte Leistung: 60 Gigawatt ergeben 180 TWh Ertrag
Windenergie auf See: Installierte Leistung: 45 Gigawatt ergeben 180 TWh Ertrag
Wasserkraft Installiert Leistung: 5,2 Gigawatt ergeben 24 TWh Ertrag
Geothermie: Installierte Leistung 6,4 Gigawatt ergeben 50 TWh Ertrag
Abfallbiomasse: Installierte Leistung "nach Bedarf" ergeben 23 TWh Ertrag
Insgesamt kommt man auf 705 TWh Ertrag
die in der Studie angegebenen 3000 Volllaststunden für die Windkraft an Land sind viel zu hoch.
Von den bisher installierten knapp 30GW Windkraftanlagen, werden knapp 50TWh Strom erzeugt. Von 60GW würde ich daher einen Ertrag von 100TWh erwarten, nicht 180Twh.
Bei der Geothermie liegt die notwendige thermische Leistung über dem Wärmefluss aus dem Erdinneren unter ganz Deutschland.
Bei der Studie (Verlinkt in Beitrag #1259) wird von einem Stromverbrauch von 506TWh ausgegangen. Allerdings wurde z.B. nicht der gesamte Verkehr elektrifiziert. Leider sind die Zahlen für den Brennstoffverbrauch für den Verkehr auf Seite 21 weggelassen worden.
Was ist, wenn der gesamte Stromverbrauch höher liegt, vielleicht bei 1000 TWh oder bei 1500 TWh? Wie würde es dann aussehen?

Grüße UMa
 

Alex74

Registriertes Mitglied
Das ist eine Frage, die der Atomindustrie und der Politik immer wieder gestellt wurde, und die immer mit einem lapidaren "Jaja, regt euch mal nicht auf, wir machen das schon, uns könnt ihr vertrauen" beantwortet wurde.
Das ist nicht ganz richtig; Richtig ist, daß man seitens der Industrie viel Aufwand betrieb um ein geeignetes Endlager zu finden und die Politik dann eigenmächtig und fern jeglicher Realität und Expertisen auf einmal Gorleben favorisierte - welches von Beginn an gar nicht auf der Liste stand. Kein Mensch weiß, wie es zur Entscheidung zu Gorleben kam. Der stark vermutete Grund dafür ist, daß Gorleben ehemaliger Zonenrand ist und weiträumig sehr dünn besiedelt - dort vergrätzt man die wenigsten Wähler.
Die Industrie nahm einfach das, was die Politik beschloss. Der Industrie selbst ist doch völlig egal welche Lösung nun bestimmt wird.
 

Bynaus

Registriertes Mitglied
@Schmidts Katze: Deshalb schrieb ich "viele", und nicht etwa alle. Sicher, es gibt legitime Gründe, gegen Atomenergie zu sein. Für die Abfälle gibt es sicher auch bessere Lösungen, als sie zu verbuddeln. Man muss aber auch die Dinge in den Kontext setzen können, Vor- und Nachteile für die Gesellschaft als Ganzes gegeneinander abwägen.

Wir wollen alle einen gewissen Lebensstandard. Wir wollen Auto fahren, mit dem Flugzeug in die Ferien, wir wollen Güter aus aller Welt, Hochtechnologie von Mobiltelefonen bis zum MRI im Krankenhaus. Nun kann man lang fordern, wir müssten uns eben beschränken. Das wird die Mehrheit der Leute eben nicht wollen, und wer sie zwingen will, wird abgewählt. So lange das so bleibt, werden wir weiterhin viel Energie brauchen. Diese Energie (heute: etwa 3000 Watt pro Person Endenergie) muss von irgendwo her kommen. Wenn wir uns einig sind, dass es die wichtigste Aufgabe unserer Generation ist, aus den fossilen Energien auszusteigen, um den CO2-Gehalt der Atmosphäre zu stabilisieren (und danach hoffentlich zu reduzieren), dann müssen wir eben sehen, wie wir dorthin kommen. Selbst hohe Anteile von Erneuerbaren am gegenwärtigen Strommix machen kaum einen Unterschied auf den totalen CO2-Ausstoss, weil der Strom nur einen kleinen Teil (je nach Land zwischen etwa 10 und 20%) des Endenergiebedarfs abdeckt. Parolen wie "100% Strom aus Erneuerbaren Energien bis 2050!" sind deshalb irreführend (ich hab mir die Studie von Solarius angesehen: auch dort wird nicht der Gesamtenergiebedarf betrachtet). Nicht nur der Strombedarf, sondern der gesamte Energiebedarf muss CO2-frei werden, und diese Aufgabe ist ungleich schwieriger.

Wie in diesem Thread schon öfters erwähnt, ergibt Photovoltaik etwa 10 Watt pro Quadratmeter. Das heisst, wenn wir auf die flächensparendste aller erneuerbaren Energien setzen, brauchen wir immer noch 300 Quadratmeter Solarzellenfläche pro Person (geeignete Dächer machen etwa 10-20 Quadratmeter aus). In Deutschland stehen pro Person rund 4500 Quadratmeter zur Verfügung, dh, rund 7% der Landesfläche müssen mit Solarzellen zugebaut werden (noch mehr mit anderen Energieformen, etwa Wind). Das ist weder bezahlbar, noch umweltfreudlich, sondern schlichter Wahnsinn. Erneuerbare Energien sind gut, so lange wir alle brachliegenden Potentiale nutzen: Offshore-Wind, Dächer, hohe Geothermiegradienten, Stauseen etc. Aber irgendwann kommt die Schwelle, bei der man auf unverbautes, offenes Land ausweichen muss. Diese Schwelle kommt lange, bevor der Endenergiebedarf gedeckt ist. Dazu kommt die Kostenschwelle.

http://de.wikipedia.org/wiki/Erneuerbare-Energien-Gesetz#Zahlen_zum_EEG

Rund 100000 GWh Strom aus erneuerbaren Energien wurden 2011 in Deutschland vergütet - mit 16.7 Mrd Euro. Das sind etwa 170 Watt pro Person. Für 3000 Watt müsste man entsprechend mit knapp 300 Milliarden Euro pro Jahr rechnen (zum Vergleich: eine Marsrückkehrmission kostet gemäss der NASA etwa gleich viel - stemmt Deutschland künftig eine Marsrückkehrmission pro Jahr?). Wer jetzt sagt, ach, die Kosten werden sicher fallen, der muss sich nur mal die letzte Spalte dieser Tabelle anschauen: Die Kosten sind, wegen dem immer höheren Anteil an Solarenergie (der wegen dem hohen Ansatz profitabelsten Investition) ständig gestiegen. Erneuerbare Energien sind teuer und in dem Ausmass, wie man sie benötigen würde, um den gesamten Energiebedarf zu decken, nicht mehr finanzierbar.

Und womit füllt man dann die Lücke, wenn man gleichzeitig aus der Atomenergie aussteigen muss? Mit fossilen Energien natürlich. Niemand in der deutschen Regierung gibt sich offenbar der Illusion hin, dass man die Lücke mit Erneuerbaren füllen kann. Deshalb werden derzeit Kohle- und Gaskraftwerke gebaut (man lobt natürlich öffentlich und ausdrücklich ihre "Effizienz", die von 30 auf 35% gesteigert wurde...). Diese werden zu einem zusätzlichen Ausstoss von 300 Millionen Tonnen CO2 (etwa die Hälfte einer Jahresemission Deutschlands) allein bis 2020 führen.

http://www.newscientist.com/article...rbon-cost-of-germanys-nuclear-nein-danke.html

Langfristig werden diese Schwellen und Grenzen für alle offensichtlich werden - aber man könnte sie schon heute sehen, wenn man wirklich genau hinsehen würde. Die Strompreise werden künftig stetig weiter ansteigen, der Ausstieg aus den fossilen Energien wird immer weiter herausgeschoben. Ich würde sagen, dass in etwa 20 Jahren auch in Deutschland (und der Schweiz) wieder Atomkraftwerke der neusten Generationen gebaut werden, nachdem sie in anderen, langfristig vorausdenkenden Teilen der Welt zur Entwicklungsreife gebracht wurden. Wir werden sie dann halt aus China einkaufen müssen, zu chinesischen Bedingungen. Die Erneuerbaren werden ihre Nischen behalten - sie werden viel stärker ausgebaut sein als heute, aber trotzdem nur einen Teil (vielleicht 20-30%) des Endenergieverbrauchs beitragen. Insofern lohnt sich all die Zeit, die ich in diese Posts investiere, nicht wirklich: langfristig wirds der Markt richten. Aber sagt dann nicht, ich hätts euch nicht gesagt.

PS: Es könnte natürlich etwas ganz unvorhergesehenes geschehen, wie ein Durchbruch bei der heissen oder kalten Fusion. Je nach den effektiven Kosten einer solchen neuen Energieform könnte diese dann natürlich alle anderen Energieformen, inklusive aller heutigen Erneuerbaren und der Atomenergie, vom Platz fegen.
 
Zuletzt bearbeitet:

hardy

Registriertes Mitglied
Und bevor man das Geld für AKWs ausgibt, gibt man es doch besser für Erneuerbare Energien aus.

Da sind z.B. die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) anderer Meinung ... siehe mein Beitrag #1246.
Und andere Länder, z.B. China, tun eben beides: neue AKW bauen und Erneuerbare Energien fördern.
 

Solarius

Registriertes Mitglied
die in der Studie angegebenen 3000 Volllaststunden für die Windkraft an Land sind viel zu hoch.
Die Technik schreitet aber nun mal voran. Es gibt Windkraftanlagen mit 3500 Volllaststunden:
http://www.nordex-online.com/de/produkte-service/windenergieanlagen/n117-24-mw.html
Und auch das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Siemens kann 75 Meter lange Rotorblätter bauen:
Siemes Rekordrotorblatt: http://www.iwr.de/news.php?id=21350

Was ist, wenn der gesamte Stromverbrauch höher liegt, vielleicht bei 1000 TWh oder bei 1500 TWh? Wie würde es dann aussehen?
Das Potential ist bei der Windenergie auf jeden Fall da:
http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-15120-2012-09-11.html
Außerdem entwickelt man offenbar kräftig schwimmende Windkraftanlagen.
http://www.welt.de/dieweltbewegen/a...e-Windraeder-liefern-Strom-im-Ueberfluss.html

Auch bei den Solarzellen gibt es Weiterentwicklungen. Die Studie rechnet zum Beispiel mit einem Wirkungsgrad von 17%. Der ist mittlerweile überboten.
Solarzellen mit 44% Wirkungsgrad sind allerdings noch Zukunftsmusik:
http://www.photovoltaik.org/news/fo...olarzelle-mit-44-wirkungsgrad-entwickelt-1268

Auch die Speichertechnik wird immer weiter entwickelt:
http://www.heise.de/tr/artikel/Weiter-als-500-Kilometer-mit-einer-Ladung-1696051.html
Ich bin gespannt, ob das was wird.
 

Bynaus

Registriertes Mitglied
@Solarius: Du feilst an kleinen Details rum und ignorierst das grösste Problem. Es reicht nicht für 100% EE-Versorgung, ohne dass man grosse Areale zubaut. Wir können uns 100% EE-Versorgung auch rein ökonomisch nicht leisten. Es nützt nichts, davor die Augen zu verschliessen: dich selbst kannst du vielleicht täuschen, die Physik nicht.
 

hardy

Registriertes Mitglied
Fragen stellen sich, wie schnell könnte Frankreich überhaupt austeigen ?

Die Frage des Ausstiegs stellt sich für Frankreich nicht.
Eine Reduzierung des Kernenergieanteils bei der Stromerzeugung wird dagegen diskutiert.
Das wird m.E. aber nicht politisch angegangen wie in D.
Vermutlich wird man nicht jedes ältere KKW der 900 MWe-Klasse durch ein neues KKW ersetzen.

Weiterhin hat Frankreich die größte Atomindustrie in Europa und operiert global als Dienstleister. Kann AREVA überhaupt auf eine andere Industrie / Kraftwerksanlagen umsteigen?
Siemens ist dies möglich; AREVA würde ich sagen Nein. Somit wird Areva bis aufs Messer ihre Position verteidigen... ?

Du solltest dich mal auf der website von AREVA umschauen.
Dort kannst du z.B. lesen, dass AREVA in der Nordsee, 180 km nordwestlich von Bremerhaven, den Offshore-Windpark Global Tech I baut.
Dieser wird aus insgesamt 80 Windkraftanlagen des Typs M5000 von AREVA bestehen und eine installierte Gesamtleistung von 400 Megawatt aufweisen.

Die Kernenergie bleibt aber ein bedeutender Zweig des Unternehmens.
Sein Europäischer Druckwasserreaktor (EPR, Generation 3), noch zusammen mit Siemens entwickelt, wird derzeit in drei Ländern gebaut: in Finnland (Olkiluoto), in China (Taishan 1 & 2) und in Frankreich selbst (Flamanville).
 

Schmidts Katze

Registriertes Mitglied
Nachdem ich am Anfang dieses Threads einige Male etwas gepostet habe, habe ich mich aus der Diskussion zurückgezogen.

Bynaus, ich bezweifle deine Zahlen nicht; worum es mir geht, ist, die Kernenergie geniesst kein Vertrauen in der Bevölkerung, und dafür gibt es auch sehr gute Gründe.

Anfangs, in den 50ern, 60ern, wurde uns erzählt, tirili, ich stehe auf, der Kernreaktor heizt mein Duschwasser und meine Kaffeemaschine, dann fahre ich mit meinem kernkraftbetriebenen Auto zur Arbeit, wir bauen eine Zukunft mit frei verfügbarer Energie.

Dann kamen erste kritische Stimmen, die wurden lächerlich gemacht.
Die Proteste wurden polizeilich bekämpft, die Kernenergie wurde als grundsätzlich sicher dargestellt, die Endlagerung war nur eine Frage der Zeit.

Dann ist Tschernobyl hochgegangen.
Die Argumentation lautete jetzt; ja, in der Sowjetunion, im Sozialismus, da herrscht Schlendrian, da kann so eine Kiste schon mal hochgehen, in der "Freien Welt" ist das nicht möglich.

Es wurde bekannt, daß Atommüll in Russland auf Parkplätzen rumsteht, und daß er von der Mafia im Mittelmeer versenkt wird.

Dann ist Fukushima hochgegangen.
Ich habe vor diesem Unfall nie gehört, daß Japan kein Teil der freien Welt wäre, und musste mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen, daß es dort unglaubliche Verfilzungen zwischen Betreibern, Kontrollbehörden und der Regierung gab.

Und jetzt wird mir erzählt, in Europa ist das ganz anders als in Japan, in Europa stehen Sicherheitsfragen vor Gewinninteressen, und irgendwie muss ich an die Mafia denken.

Mit anderen Worten, es geht mir gar nicht darum, wie sicher die Atomenergie wäre, wenn alle Beteiligten nach bestem Wissen und Gewissen handeln würden; die Kernenergie hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, und das zu recht
 

Solarius

Registriertes Mitglied
(ich hab mir die Studie von Solarius angesehen: auch dort wird nicht der Gesamtenergiebedarf betrachtet)
Schau dir bitte noch einmal Tabelle 3-1 an. Demnach bleiben noch 377,5 TWh nichtelektrische Energie übrig. Meinst du wirklich, daran könnte die Energiewende scheitern? Ich glaube das nicht.

Aber irgendwann kommt die Schwelle, bei der man auf unverbautes, offenes Land ausweichen muss.
Windräder kann man auch auf landwirtschaftliche Flächen bauen. Ackerbau ist weiterhin problemlos möglich. Es wird also nichts zugebaut. Diese Diskussion hatten wir schon.

Rund 100000 GWh Strom aus erneuerbaren Energien wurden 2011 in Deutschland vergütet - mit 16.7 Mrd Euro. Das sind etwa 170 Watt pro Person. Für 3000 Watt müsste man entsprechend mit knapp 300 Milliarden Euro pro Jahr rechnen
Das die Vergütungssätze stark gesunken sind und weiter sinken werden hast du aber mitbekommen? Im Jahr 2024 werdem die ersten Solarzellen, die noch mit 57,4 Cent vergütet wurden, aus der Förderung herausfallen. In 20 Jahren fallen selbst die jetzt gebauten Solarzellen aus der Förderung. Es wird langfristig also wieder billiger.

Ich würde sagen, dass in etwa 20 Jahren auch in Deutschland (und der Schweiz) wieder Atomkraftwerke der neusten Generationen gebaut werden, nachdem sie in anderen, langfristig vorausdenkenden Teilen der Welt zur Entwicklungsreife gebracht wurden.
Wahrscheinlich werden alle Länder, die jetzt noch AKWs bauen, dies in 20 Jahren bitter bereuen.
 

spacewalk1

Registriertes Mitglied
Es gibt eine Lösung für die Beseitigung des Atommülls, sie gefällt den ideologischen Atomgegnern einfach nicht: Die Verbrennung in Reaktoren mit schnellen Neutronenspektren, wie etwa dem Integral Fast Reactor.

Bis heute existiert weltweit noch keine kommerziell betriebene Transmutationsanlage, welche zur Beseitigung nuklearer
Abfälle in der Lage ist. Auch die kommerzielle Verfügbarkeit der Integral Fast Reactors ist nicht bestimmt.

Wenn Du hier für AKW's vom Typ Schneller Brüter propagierst, solltest Du auch realistische Projekte erwähnen.
 

Bynaus

Registriertes Mitglied
@Schmidts Katze: Was leider oft vergessen geht, ist, dass es eigentlich ganz anders geplant war. Schon in den 50er Jahren wusste man, dass die Druckwasserreaktoren eine suboptimale Lösung waren, weil sie das Uran nicht effizient nutzen, viel Abfall produzieren und hohe Anforderungen an Mensch und Material haben. Zudem ist die Urananreicherung nicht proliferationssicher (was dann zum Nicht-Profliferationsvertrag geführt hat). Man sah die Druckwasserreaktoren als Übergangstechnologie, die innerhalb weniger Jahrzehnte von Brütern abgelöst werden sollten, die all diese Probleme nicht haben. Niemand dachte auch nur im Traum an geologische Tiefenlager, weil sie gar nie nötig werden würden. Die Entwicklung der Brüter wurde dann begonnen, und neben vielen gescheiterten Projekten gibt es heute auch einige, die erfolgreich waren und sind. Womit wohl niemand gerechnet hatte, war die Ablehnung, auf die die Atomtechnologie bei der Bevölkerung stiess. Rational kann man das nicht erklären: Die Nutzung der Atomenergie produziert mit Ausnahme der radioaktiven Abfälle (die damals ja eben als vorübergehendes Problem angesehen wurden) keinerlei schädliche Stoffe. Ausser in und um Tschernobyl (das tatsächlich ein riskantes Experiment mit einem instabilen Reaktor war, das so im Westen nie durchgeführt worden wäre) sind nie Menschen an der Nutzung der Atomtechnologie gestorben (und auch dort waren es höchstens ein paar tausend - tragisch, ja, aber eine sehr kleine Zahl im Vergleich zur "Konkurrenz"). Heute kommt noch dazu, dass die Nutzung der Atomenergie nur sehr wenig CO2 freisetzt. Die Brüter sind nie bei der Bevölkerung angekommen, weil ihre trampligen Verwandten, die Druckwasserreaktoren, einen so schlechten Eindruck gemacht haben - obwohl sie sich eigentlich ganz gut aufgeführt haben.
Natürlich darf man die Vorgänge in Fukushima nicht ignorieren, und man muss auch hier bei uns die Lehren daraus ziehen. Der mangelnde Hochwasserschutz, stellt sich heraus, war lange zuvor erkannt und bemängelt worden - es wurde aber nie nachgebessert. Man muss sich fragen, ob das hier möglich ist: und ja, es ist möglich. Ich weiss, dass das AKW Mühleberg in der Schweiz unterhalb eines Staudammes liegt, und dass dies wiederholt auch von Fachleuten kritisiert wurde. Einige AKW stehen in der Nähe von Erdbebenzonen, so dass man auch das im Detail anschauen - und vielleicht einige davon abschalten - muss (zur Erinnerung: Die Reaktoren in Fukushima 1 hatten das Erdbeben selbst, das viel stärker war als alles, wofür sie ausgelegt waren, problemlos überlebt - erst der Tsunami führte zum Problem. AKW können also durchaus erdbebensicher gebaut werden). Sicherheit sollte, gerade um das Vertrauen der Bevölkerung zurück zu gewinnen, oberste Priorität haben. Im Gegenzug muss man aber auch anerkennen, dass in AKW der neusten Generation (III+) eben sehr viele der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte eingeflossen sind. Der kleine Altersunterschied zwischen den Reaktoren in Fukushima 1 und Fukushima 2 hat dazu geführt, dass in letzterer Anlage die Reaktoren nach dem Erdbeben und dem Tsunami praktisch problemlos heruntergefahren wurden. Es würde sich deshalb lohnen, alte Reaktoren kontinuierlich durch neue zu ersetzen, an den jeweils sichersten bekannten Stellen.
Heutige Flugzeuge sind sicherer als die DC-3, und jene war ihrerseits sicherer als die allerersten Passagierflugzeuge. Wenn wir nach den ersten Flugzeugabstürzen entschieden hätten, dass Fliegen generell unsicher ist, wären wir in der Luftfahrt heute nicht da, wo wir sind. Die Entwicklung der Technologie geht definitiv in diese Richtung: künftige Atomreaktoren werden in Fabriken in kleinen Modulen und in Serienfertigung hergestellt. Das erhöht die Qualität enorm und senkt die Preise für die einzelnen Einheiten. Deutschland und vielleicht auch die Schweiz verpassen jetzt diese Entwicklung, aber man kann ja später immer noch einsteigen - zu dem entsprechenden Preis. Weltweit gesehen macht die Atomenergie derzeit gute Fortschritte, deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir das Zeitalter der DC-3 bald hinter uns lassen werden.

Solarius schrieb:
Demnach bleiben noch 377,5 TWh nichtelektrische Energie übrig.

Sofern die Rechnungen überhaupt glaubwürdig sind (siehe UMa's Kommentar): das entspricht immer noch einer grossen Menge CO2, die ausgestossen wird.

Windräder kann man auch auf landwirtschaftliche Flächen bauen. Ackerbau ist weiterhin problemlos möglich.

Windräder schon - bloss hast du dann Probleme mit Vögeln und dem Lärmschutz. Zudem, wenn du Wind statt Solar nimmst, verdreifacht sich die benötigte Fläche (mindestens: Wind über Land hat noch schlechtere Flächenleistungswerte als Offshore-Wind): statt 7% sinds dann eben (mindestens) 21%. Und dann musst du immer noch speichern.

Das die Vergütungssätze stark gesunken sind und weiter sinken werden hast du aber mitbekommen? Im Jahr 2024 werdem die ersten Solarzellen, die noch mit 57,4 Cent vergütet wurden, aus der Förderung herausfallen. In 20 Jahren fallen selbst die jetzt gebauten Solarzellen aus der Förderung. Es wird langfristig also wieder billiger.

Aber wann kommt der Peak? Sicher nicht bald, und in der Zwischenzeit werden die Kosten (und die CO2-Emissionen) weiter steigen. Wann kommt der Punkt, an dem die Bevölkerung nicht mehr bereit ist, das zu tragen? Vor oder nachdem die Netze unter der Last des schwankenden Stromangebots kollabieren?

spacewalk1 schrieb:
Bis heute existiert weltweit noch keine kommerziell betriebene Transmutationsanlage, welche zur Beseitigung nuklearer Abfälle in der Lage ist. Auch die kommerzielle Verfügbarkeit der Integral Fast Reactors ist nicht bestimmt.

Es gibt das S-PRISM Design von General Electrics / Hitachi. Dieser basiert auf dem Integral Fast Reactor, dessen Prototyp 30 Jahre lang erfolgreich getestet wurde. Derzeit wird S-PRISM in zwei Ländern aktiv diskutiert: in Grossbritannien und in den USA.

Dein Argument, es gäbe keine Anlage, mit der das möglich sei, und deshalb sei das ganze generell abzulehnen oder zu ignorieren, ist etwa so, wie wenn du 1960 sagst, wir haben keine Mondrakete, also kann man mit einer Rakete auch nicht zum Mond fliegen, und wir werden auch keine solche Rakete zu entwickeln versuchen, so lange wir nicht eine haben, die schon dorthin fliegen kann und damit beweist, dass es möglich ist. Mit dieser Geisteshaltung bleibt dir nichts anderes übrig, als den nuklearen Abfall zu vergraben, womöglich gegen den erklärten Willen der Bevölkerung.
 

spacewalk1

Registriertes Mitglied
Schon in den 50er Jahren wusste man, dass die Druckwasserreaktoren eine suboptimale Lösung waren, weil sie das Uran nicht effizient nutzen, viel Abfall produzieren und hohe Anforderungen an Mensch und Material haben.

Eine passende Beschreibung. Hier hilft wirklich nur noch die Stilllegung.


Die Entwicklung der Brüter wurde dann begonnen, und neben vielen gescheiterten Projekten gibt es heute auch einige, die
erfolgreich waren und sind.

Wenn Du solche Behauptungen aufstellst, kannst Du uns, an dieser Stelle, auch die erfolgreichen Brüter Projekte nennen.


Womit wohl niemand gerechnet hatte, war die Ablehnung, auf die die Atomtechnologie bei der Bevölkerung stiess.

Die Bevölkerung wird wohl ihre Gründe haben.


Rational kann man das nicht erklären: Die Nutzung der Atomenergie produziert mit Ausnahme der radioaktiven Abfälle (die
damals ja eben als vorübergehendes Problem angesehen wurden) keinerlei schädliche Stoffe.

Bitte hier noch das wertvolle Plutonium nicht vergessen.


Die Brüter sind nie bei der Bevölkerung angekommen, weil ihre trampligen Verwandten, die Druckwasserreaktoren, einen so
schlechten Eindruck gemacht haben - obwohl sie sich eigentlich ganz gut aufgeführt haben.

Der schlechte Eindruck hält weiterhin an.


Einige AKW stehen in der Nähe von Erdbebenzonen,...

Richtig erkannt.


Heutige Flugzeuge sind sicherer als die DC-3, und jene war ihrerseits sicherer als die allerersten Passagierflugzeuge. Wenn
wir nach den ersten Flugzeugabstürzen entschieden hätten, dass Fliegen generell unsicher ist, wären wir in der Luftfahrt
heute nicht da, wo wir sind.

Möchtest Du hier Flugzeuge mit Reaktoren vom Typ Schneller Brüter vergleichen?


Die Entwicklung der Technologie geht definitiv in diese Richtung: künftige Atomreaktoren werden in Fabriken in kleinen
Modulen und in Serienfertigung hergestellt. Das erhöht die Qualität enorm und senkt die Preise für die einzelnen Einheiten.

Neben dem Gartenzwerg, wird auch ein kleiner Atomreaktor stehen.


Dein Argument, es gäbe keine Anlage, mit der das möglich sei, und deshalb sei das ganze generell abzulehnen oder zu
ignorieren, ist etwa so, wie wenn du 1960 sagst, wir haben keine Mondrakete, also kann man mit einer Rakete auch nicht zum
Mond fliegen, und wir werden auch keine solche Rakete zu entwickeln versuchen, so lange wir nicht eine haben, die schon
dorthin fliegen kann und damit beweist, dass es möglich ist.

Zur Erinnerung: Die Mondraketen hatten keinen Atomantrieb, welcher auch noch Plutonium produziert.
Das Risiko eines Raketenstartes kann nicht mit dem Risiko eines GAU's verglichen werden.
 

Bynaus

Registriertes Mitglied
Hier hilft wirklich nur noch die Stilllegung.

Ja, langfristig schon. Aber die reale Alternative sind gegenwärtig fossile Kraftwerke - das können wir nicht wollen.

Wenn Du solche Behauptungen aufstellst, kannst Du uns, an dieser Stelle, auch die erfolgreichen Brüter Projekte nennen.

Klar:
http://en.wikipedia.org/wiki/EBR-II
http://en.wikipedia.org/wiki/Molten-Salt_Reactor_Experiment
http://en.wikipedia.org/wiki/Phénix
http://en.wikipedia.org/wiki/BN-600_reactor

Der schlechte Eindruck hält weiterhin an.

Kannst du deinen "schlechten Eindruck" rationalisieren? Im Vergleich mit den Alternativen natürlich... Ich sehe hier keinen Thread namens "Brauchen wir die Kohleenergie?" oder "Brauchen wir Staudämme?" - beide Technologien sind wichtig für die Energieversorgung, aber beide haben um viele Faktoren mehr Menschen umgebracht als die Atomenergie.


Manchmal sollte man eben auch den zweiten Teil eines Satzes lesen...

Möchtest Du hier Flugzeuge mit Reaktoren vom Typ Schneller Brüter vergleichen?

Nein. Flugzeuge mit Atomenergie aller Art. Von mir aus kannst du dir Druckwasserreaktoren als Propellermaschinen vorstellen, wenn dir das Freude macht.

Die Mondraketen hatten keinen Atomantrieb

Thema verfehlt.
 

Solarius

Registriertes Mitglied
Bei der Geothermie liegt die notwendige thermische Leistung über dem Wärmefluss aus dem Erdinneren unter ganz Deutschland.
Den Satz verstehe ich jetzt nicht. Was genau willst du damit sagen?

Noch etwas zu Offshore-Windkraftanlagen. Die Studie geht offenbar von 4000 Volllaststunden aus. Alpha ventus hat im Jahr 2011 offenbar 4450 Volllaststunden gehabt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Alpha_ventus
Die Studie trifft also keineswegs unrealistische Annahmen.

Und dann entwickelt man ja noch schwimmende Windkraftanlagen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Schwimmende_Windkraftanlage
Das mögliche Potential ist also wesentlich größer, als von der Studie angenommen.
 
Oben