Brauchen wir die Kernenergie?

Aragorn

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Und vielleicht könnte mit dem Anspruch an allgemeine unaufgeregte Aufklärung noch mal jemand hier erklären, wo der Wasserstoff herkommt, der da explodiert ist. Entsteht der elektrolytisch oder durch Reaktion mit dem glühenden Graphit? Oder noch anders.

Durch Reaktion des Wasserdampfs mit dem Zirkonium der Brennstabhüllrohre, entsteht Wasserstoff.

http://www-brs.ub.ruhr-uni-bochum.de/netahtml/HSS/Diss/BendiabMohammed/diss.pdf -> Kapitel 3.1 auf S. 37

Oder es entsteht durch die dem Meerwasser zugesetzte Borsäure: B(OH)3 + H20 <-> B(OH)4 + H
http://de.wikipedia.org/wiki/Borsäure

Gruß Helmut
 

ispom

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Was haben die Chinesen, denn die letzten Jahre bloß getrieben?

Ja, was wohl?
sie haben sich in 30 Jahren aus einem bettelarmen und durch kommunistische Ideologie und Mißwirtschaft heruntergekommenen Land wirtschaftlich und technologisch an die Weltspitze katapultiert.
Die reichen Industrieländer USA, Japan, Frankeich, D..., sie nutzen die Kernenergie seit über 40 Jahren...das erste chinesische KKW ging 1994 ans Netz,
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kernreaktoren_in_der_Volksrepublik_China
da mußte man zunächst Erfahrungen sammeln....

allerdings bin ich kein Experte in Sachen KKW und nicht informiert über den Sichheitsstandard, den die (Eigenbau-)chinesischen Kraftwerke aufweisen.
Aber es scheint mir logisch, daß dem angesichts der gegenwärtigen Ereignisse auch erhöhte Aufmerksamkeit gilt.
 

Alex74

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Die chinesischen Kraftwerke sind keine Eigenbauten.

Es sind Kopien eines französischen Kraftwerkstyps, zumindest einige davon.
Mein Vater kam letzte Woche erst von einem Einsatz dort zurück, er sagte es sei ein Wunder daß nicht noch die Beschilderung auf französisch war. :D
(Er kennt die französischen Kraftwerke in- und auswendig, die meisten Einsätze sind in Frankreich)

Die technischen Sicherheitsstandards sind entsprechend nicht gering (was aber noch nicht viel darüber aussagt ob auch das fachliche Sicherheitsniveau OK ist; so erzählte er mir, daß in China überall Mülltonnen rumstehen, die aber immer leer sind weil die Leute ihren Dreck einfach auf die Straße kippen - morgens kommt dann immer eine dutzende Mann starke Truppe und kehrt das alles wieder weg...). Es muß total verrückt sein.

Gruß Alex
 

ispom

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Die chinesischen Kraftwerke sind keine Eigenbauten.

siehe z.B. hier:

Das Kernkraftwerk Changjiang wird als gemeinsames Projekt der China National Nuclear Corporation (CNNC) und Huaneng Power International gebaut. Die Genehmigung zum Bau des Kernkraftwerks wurde im Juli 2008 durch die Staatliche Kommission für Entwicklung und Reform Chinas gefällt. Im Dezember 2008 begannen die ersten Arbeiten am Standort.[1]

Das Kernkraftwerk soll im Endausbau aus vier Druckwasserreaktoren vom chinesischen Typ CNP-600 mit einer elektrischen Leistung von jeweils 650 Megawatt bestehen.

oder hier
Das Kernkraftwerk Hongyanhe ist eines der neuesten Kernkraftwerks-Projekte der Welt und liegt in Hongyanhe, Donggang, Wafangdian, Dalian, Provinz Liaoning in der Volksrepublik China. Es sind in der ersten Phase vier Reaktoren des Typs CPR-1000 (Chinese Pressurized Reactor) geplant, einer davon befindet sich bereits seit August 2007 in Bau. In einer zweiten Phase sind weitere zwei Reaktorblöcke des Typs CPR-1000 vorgesehen

Der Reaktortyp CPR-1000 ist noch nirgends industriell oder kommerziell genutzt worden und ist ein chinesischer Druckwasserreaktor..
 

ispom

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Luzifix

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Das hier liest sich auch gut: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article jetzt_auf_deutsch_warum_ich_ueber_die_kernkraftwerke_in_japan_nicht_beunruh/

Allerdings kein Wort über das angeblich in den Brennstäben dort enthaltene Plutonium.

@Aragorn: Danke für die Infos. Die Formel für die Borsäurehydrolyse erscheint mir allerdings etwas an den Haaren herbei gezogen. Bin allerdings zu lange aus dem Labor heraus, um das beurteilen zu können. Vielleicht verglüht die Borsäure einfach zu Bortrioxid, wenn es heiß genug ist.
 

Alex74

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Diese Knallgasexplosion ist genau das, was eigentlich der Tschernobyl-GAU war.

In Tschernobyl gab es keinen Stahlbehälter der den Kern abschirmt, eine Kernschmelze führt dort wegen der Überhitzung also fast zwangsläfug zur Explosion und, da diese Teile des Kerns direkt mit sich reißt, auch direkt dazu daß hochradioaktives Material pulversisiert und in die Welt hinaus geblasen wird.

In diesen Ausmaßen ist das schon alleine wegen des Stahlmantels nicht mehr möglich. Eine Kernschmelze hat in diesen Konstruktionen nicht die Konsequenz, die man ihr zuschreibt, die Presse verbindet Kernschmelze im Moment automatisch mit GAU - und das ist Unsinn.

Was möglich ist, ist das Ausdringen von kontaminiertem Sekundärmaterial; das ist offenbar das, was in Japan passiert - hat aber weder lang- noch mittelfristig Auswirkungen auf die Umgebung, dazu ist es viel zu wenig.

Gruß Alex

PS.: siehe hierzu auch: aktueller Artikel auf SPON
 
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ispom

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danke für den link, Luzifix.
kannte ich noch nicht
gut gefallen hat mir dieser Beitrag:

....Voller Mißbilligung berichten deutsche Medien, daß die Japaner sich gerade etwas weniger für die Risiken der Kernenergie interessieren als für die Frage, wieviele ihrer Landsleute, Bekannten und Verwandten in diesem Augenblick tot im Meer treiben oder in zusammengestürzten Hausruinen ihren letzten Atemzug tun. Zehntausende, ist eine realistische Annahme. Im glücklichsten Fall nicht ganz so viele wie es in Deutschland Demonstranten gibt, die das gräßliche Geschehen zum Anlaß nehmen, um gelbe Luftballons zu schwenken und in die Fernsehkameras zu grinsen, weil bei ihrer Outdoor-Anti-AKW-Party das schönste Frühlingswetter herrscht....
 

hardy

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Das hier liest sich auch gut: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article jetzt_auf_deutsch_warum_ich_ueber_die_kernkraftwerke_in_japan_nicht_beunruh/

Danke für den link, Luzifix.

Allerdings kein Wort über das angeblich in den Brennstäben dort enthaltene Plutonium.

Wieso "angeblich"?

Ich vermute mal, dass du auf den Einsatz von Uran-Plutonium-Mischoxid (MOX)-Brennelementen in einigen der japanischen KKW anspielst.

Tatsache ist aber, dass auch beim Einsatz herkömmlicher Uranoxid-Brennelemente im Reaktor unvermeidlich Plutonium entsteht. Die spaltbaren Plutonium-Isotope Pu-239 und Pu-241 tragen sogar wesentlich zur Leistungsproduktion eines Leichtwasserreaktors bei: etwa ein Drittel der Leistung stammt aus Spaltungen von Pu-Kernen.

Im Hinblick auf die Situation in den vom Erdbeben betroffenen japanischen KKW muss uns also der Einsatz von MOX-Brennelementen nicht zusätzlich beunruhigen.

Gruss
hardy
 

Luzifix

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Im Hinblick auf die Situation in den vom Erdbeben betroffenen japanischen KKW muss uns also der Einsatz von MOX-Brennelementen nicht zusätzlich beunruhigen.

Hallo hardy!

Ich dachte auch nur daran, daß der Gehalt des Meerwassers an Halogenen, bes. Fluor die Löslichkeit von Pu sehr stark vergrößert. (Bei Tschernobyl wird übrigens in Wikipedia als positiv vermerkt, daß der Fallout von Pu auf einen Umkreis von 100km begrenzt war. :) ) Umsonst haben die Amerikaner sicher auch ihren Flugzeugträger nicht gleich so konsequent zurück gepfiffen.
 

Alex74

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Die Sache mit den US-Schiffen wird total überdramatisiert wie alles; die Marine hat sich hinterher sogar bemüßigt gefühlt, klarstellen zu müssen daß die Werte nur leicht erhöht waren und das Abdrehen eine reine Sicherheitsvorkehrung darstellte.
In der Presse wurde das dann so dargestellt als wäre eine ganze Flotte der Amerikaner auf der Flucht vor der "Atomwolke".
 

Luzifix

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@Alex: Ich weiß nicht, das würde sich ja so anhören, als hätte die Amis nach einem Grund gesucht, sich zurück zu halten.

Ebenso finde ich es etwas merkwürdig, daß man hier meint, die Japaner wären bei ihren Katastrophenplanungen nun auf deutsche Satellitenbilder angewiesen.

Und ganz nebenbei zum Thema Kernkraft in Deutschland zitiere ich hier wieder einmal aus der taz von heute:
Der Exportweltmeister Deutschland macht auch beim Strom seinem Ruf alle Ehre: Im ersten Quartal 2010 erzielte die Bundesrepublik mit gut 9 Milliarden Kilowattstunden den höchsten Exportüberschuss ihrer Geschichte. Das belegen Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen. Damit wurde im ersten Quartal in Deutschland 6,7 Prozent mehr Strom erzeugt als verbraucht - obwohl die Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel nicht eine einzige Kilowattstunde produzierten.

Der Exportüberschuss entsprach ziemlich exakt jener Menge, die in der gleichen Zeit in den alten Reaktoren Biblis A und B, Neckarwestheim I, Isar 1, Philippsburg 1 und Grafenrheinfeld erzeugt wurde.

[** Der Text ist vom 2 Juli 2010; ist mir irgendwie in das heute gerutscht, bitte um Verzeihung, ich lasse es aber stehen]

Ich weiß nicht, wie parteilich diese Zahlen sind, ich bin ja kein Kernkraftgegner, aber beeindrucken tut mich das schon, denn ich hatte ja immer vorgeschagen, notfalls viel Stom zu importieren, wenn welcher fehlt. Im Moment haben die Japaner ja noch nicht vor, aus der Kernenergie auszusteigen. Bin mal gespannt, was dort passieren muß, damit sich die öffentliche Meinung ändert. Hier im Landkreis demonstrieren heute gerade die Kommunisten für den "sofortigen Totalausstieg". Das hört sich wohl nicht zufällig wie "Endsieg" an, ich bekomme dabei jedenfalls eine ziemliche Gänsehaut.
 
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Alex74

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Mal abwarten was sich weiter ergibt; wenn nun durch die neueste Explosion tatsächlich ein Stahlmantel leck wäre, ist Stufe 4 vermutlich nicht mehr zu halten. Das wäre ziemlicher Mist.

Politisch können wir uns auf den Ausstieg in Deutschland gefaßt machen und ich verstehe die Regierung auch: Pro-Kernkraft ist jetzt nicht mehr gesellschaftsfähig und man kann so etwas nicht komplett gegen den Willen der Bevölkerung machen - auch wenn diese meiner Meinung nach im Unrecht ist weil sie das Energieproblem (noch) nicht wahrnimmt.

@Luzi:
Das mit dem Stromexport wundert mich fast schon ein wenig, ich weiß daß ich vor etwa 10 Jahren gelesen habe daß Deutschland Stromimporteur sei und der meiste Strom aus Frankreich (zumeist französischen KKW :rolleyes: ) bezogen wird.
Aktuelle, neutrale Zahlen würden mich durchaus interessieren (die taz würde ich nicht zwingend als "neutral" beurteilen...)
 

UMa

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Hallo Alex,

ich bin immer noch etwas geschockt von den Ereignissen.

Alex74 schrieb:
Aktuelle, neutrale Zahlen würden mich durchaus interessieren

aktuelle Daten gibt es hier z.B in der Datei
"Stromerzeugung nach Energieträgern von 1990 bis 2010 (in TWh) Deutschland insgesamt"
http://www.ag-energiebilanzen.de/viewpage.php?idpage=65

Grüße UMa

Nachtrag:
in der Datei "Stromdaten Jahr 2010 (vorläufig)"
gibt es auf Seite 12 Importe und Exporte bis Oktober2010 nach Ländern
 
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Alex74

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Ah, danke für den Link!
Da beantwortet sich meine Frage; tatsächlich hat sich Deutschland erst in den letzten Jahren zum Exporteur gemausert.
 

Luzifix

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Ja, danke, das war ein informativer Link. In Wikipedia findet man zwar die Exportzahlen der letzten Jahre, aber mit der Aktualisierung scheint das nicht so zu klappen. Hier habe ich noch einen kleinen Auszug aus einem Interwiev von ntv mit Michael J. Atkinson, Leiter des Instituts für Strahlenbiologie

n-tv.de: Herr Atkinson, rund 1000 Kilometer vom japanischen Erdbebengebiet entfernt schleudert der Vulkan Shinmoedake Asche und Gestein in die Luft. Damit gelangt unter Umständen auch die aus den beschädigten Atomkraftwerken austretende Radioaktivität in die Stratosphäre. Ist zu befürchten, dass sie mit der Aschewolke womöglich doch bis nach Europa gelangt?

Michael J. Atkinson: Soweit wir wissen, tritt bisher nicht so viel Radioaktivität aus den Atomkraftwerken aus, dass sie durch Vulkanasche nach Europa transportiert werden könnte. Wenn aber einer dieser Reaktoren in die Luft geht, brauchen wir keinen Vulkan mehr, um die Radioaktivität hierherzubringen. Dann verteilt sie sich sowieso in der Stratosphäre und kommt geringfügig überall an, auf der ganzen Welt und eben auch in Deutschland. So wie bei jedem Atomtest in den 50er und 60er Jahren.

Also alles beim Alten oder was?
 

Luzifix

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An dieser Stelle verlangt der Misanthrop und Verschwörungstheoretiker in mir, daß bei der Aufklärung der seltsdam ansteckenden Pannen in den Kühlanlagen der japanischen Kernkraftwerke der Stuxnet-Wurm entdeckt wird. Und daß erst nach dem Dritten Weltkrieg dann herauskommt, daß die Betreiber das nur inszeniert hatten, um sich nicht selber vor ihren Opfern rechtfertigen zu müssen. Zeitgeschichte könnte so spannend sein...

Auf die Untiefen der Wissenschaft!
 
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Alex74

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Der Ausfall sämtlicher (!) Notstromversorgung ist in der Tat sehr seltsam.

Mein Vater war, als wir die Nachricht zusammen im Fernsehen mitbekamen, auch erstmal ziemlich sauer weil er den Journalisten vorwarf Unsinn zu labern weil vor den Batterien erst noch ein ganzer Berg Sicherheitsvorkehrungen ausfallen muß, was er für unmöglich hielt.

Mal der Reihe nach:

=> So ein KKW besitzt in der Regel mehrere voneinander völlig unabhängige Dieselgeneratoren (in Deutschland mindestens 4).
Diese sollen samt und sonders vom Tsunami unbrauchbar gemacht worden sein. Da stellt sich mir die Frage: Japan weiß ganz genau was Tsunamis sind (das Wort kommt schließlich von da her) und es gibt an allen Küsten umfangreiche Tsunamifrühwarnvorrichtungen. Aber daß ein direkt am Meer gelegenes Kraftwerk von einem Tsunami getroffen werden könnte und man die Dieselmotoren daher tsunamisicher unterbringt, auf die Idee kommt keiner?

=> Weiterhin hängt so ein KKW auch am Stromnetz (trivial...). Die Stromversorgung von extern muß also auch komplett ausfallen, und zwar ursächlich, nicht nur durch ein paar kaputte Strommasten oder Transformatoren (die man innerhalb weniger Stunden wieder hinbekommt).

=> Dann sind da noch die erwähnten Batterien, die gute 6 Stunden halten. Das ist Zeit, in der man sogar aus China, Korea oder Rußland Ersatzstromgeneratoren hätte heranschaffen können.

Vielleicht ist das jetzt Dummgeschwätz weil ich irgendetwas übersehe oder nicht beachte...aber Antworten für diese Fragen hätte ich schon gerne, das kommt also nicht nur Dir komisch vor, Luzifix.

Gruß Alex
 
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