Enceladus: Flüssiges Wasser unter der Oberfläche?

astronews.com Redaktion

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Der Jupitermond Europa galt bislang als einziger anderer Himmelkörper im Sonnensystem, auf dem es Wasser in flüssiger Form geben könnte. Nun glauben Wissenschaftler, dass auch auf dem Saturnmond Enceladus flüssiges Wasser existieren könnte - wenn denn ihr Modell über die eigentümlichen Gasfontänen stimmt, die die Saturnsonde Cassini bei ihrem Vorüberflug beobachtet hat. (8. Februar 2008)

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Mahananda

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Hallo,

ein hochinteressanter Artikel, weil nun mit größerer Sicherheit festzustehen scheint, dass die Temperatur des Wassers den Tripelpunkt erreicht bzw. überschreitet. Zeitweise wurde erwogen, dass durch Ammoniakbeimengungen (die allerdings nicht nachgewiesen werden konnten!) der Gefrierpunkt erniedrigt sei. Nun also doch 273 + x Kelvin - höchst erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Enceladus einen Durchmesser von lediglich 504 Kilometern hat und aufgrund der hohen Albedo (99%) keinerlei Sonnenenergie als Wärme aufnimmt. Die Oberflächentemperaturen außerhalb des südpolaren Hot Spots liegen demzufolge bei etwa 70 bis 80 Kelvin. Eigentlich müsste der Mond bzw. sein Eismantel mit ca. 80 km Dicke längst bis zum Grund erstarrt sein. Auch die gravitativen Wechselwirkungen mit den Nachbarmonden genügen nicht für eine derart intensive Wärmeproduktion, die zudem auf eine enge Region (innerhalb des 70. südlichen Breitengrades) beschränkt ist. Die einzige sinnvolle Alternative scheint eine lokale Häufung radioaktiven Materials auf der Oberfläche des Silikatkerns zu sein, der die nötige Wärme abstrahlt. Gasförmige Zerfallsprodukte (Helium) müssten dann allerdings mit austreten und somit nachweisbar sein. Massenspektroskopisch blieb der Nachweis jedoch bislang aus (keine Moleküle mit den Massen 3 oder 4), was entweder daran liegt, dass die Nachweisgrenze unterschritten wurde oder dass andere Zerfallsreihen ablaufen, die kein Helium produzieren. Wie auch immer: Die Natur der Wärmequelle bleibt rätselhaft und rechtfertigt schon allein dadurch weitere Missionen dorthin. In der erweiterten Cassini-Mission sind noch weitere nahe Vorbeiflüge geplant - u.a. mit naher Querung der Dampffontänen in ca. 30 km Abstand von der Oberfläche. Ob die Erweiterung schon beschlossene Sache ist, weiß ich allerdings nicht. Es wäre sehr zu hoffen.

Dass auf der Erde vor etwa 3,5 Milliarden Jahren Leben entstand, ist flüssigem Wasser zu verdanken. Nur in einer feuchten Umgebung konnten sich die notwendigen biochemischen Prozesse abspielen. ... Somit ist der Trabant zusammen mit dem Jupitermond Europa der zweite Kandidat, der die richtige Umgebung für die Entstehung von Leben bietet.

Das finde ich allerdings etwas zu dick aufgetragen. Für die Entstehung von Leben bedarf es weitaus mehr als flüssigen Wassers. Ich bezweifle, dass es sowohl auf Europa als auch auf Enceladus jemals die nötigen Bedingungen gegeben hat, dass sich komplexe organische Moleküle anreichern und miteinander wechselwirken konnten. Hindernis ist - so paradox es klingt - das viele Wasser. Es gibt dort keine Möglichkeit der Sedimentation, des Eindunstens, der Auskristallisation usw., so dass durch Hydrolyse die möglicherweise entstandenen Peptidbindungen wieder zerstört würden. Auf der Urerde herrschten von Anfang an ganz andere Bedingungen, so dass die Verhältnisse hier mit den Verhältnissen dort nicht in dieser verkürzten Form zu vergleichen sind.

Viele Grüße!
 

Eddy

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Hallo Mahananda,

Hindernis ist - so paradox es klingt - das viele Wasser. Es gibt dort keine Möglichkeit der Sedimentation, des Eindunstens, der Auskristallisation usw., so dass durch Hydrolyse die möglicherweise entstandenen Peptidbindungen wieder zerstört würden. Auf der Urerde herrschten von Anfang an ganz andere Bedingungen, so dass die Verhältnisse hier mit den Verhältnissen dort nicht in dieser verkürzten Form zu vergleichen sind.

ich denke, rein natruwissenschaftlich gesehen, sind das gewichtige Argumente, denen ich nicht widersprechen will. Aber ich sehe den Prozess aus einer etwas anderen Perspektive: Die Entstehung von Proteinen (chemisch gesehen so eine Art Anlagerung von Monomeren zu Polymeren) geht mit Wasserabspaltung einher. Also insofern ein sich gegenläufiger Prozess, bei dem entstandene Polymere (ich möchte es wieder rein chemisch bezeichnen) wieder hydrolysieren sollten. Folglich dürften "solche" Polymere gar nicht erst entstehen, da das als Nebenprodukt entstandene Wasser gegenwirkt - und jede Reaktion ist immer eine Frage des chemischen Gleichgewichts. Belegen kann man sowas leicht, indem man einige Tropfen Wasser zu Zucker (ist ja auch ein Polymer) gibt, der Zucker löst sich auf.

Warum aber haben sich hier auf der Erde trotzdem Proteine gebildet? Nun, ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass Proteine trotz der "Unmengen an Wasser" entstanden sind. Was ich damit sagen will - und jetzt wird es etwas philisophisch - das Leben ist komplexer als ein Polymer. (Insofern passt meine Signatur perfekt zu dieser Aussage :))

Dennoch bin ich deiner Meinung - Leben sehe ich auf Enceladus auch nicht, aber nicht wegen des "zuvielen" Wassers, sondern eher weil die notwenigen Temeraturen für die Proteinbildung fehlen.

Gruss
Eddy
 

Mahananda

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Hallo Eddy,

Die Entstehung von Proteinen (chemisch gesehen so eine Art Anlagerung von Monomeren zu Polymeren) geht mit Wasserabspaltung einher.

Richtig. Deshalb muss eine Möglichkeit vorhanden sein, das überschüssige Wasser loszuwerden. Am Grund eines Ozeans ist das nicht möglich, in einer seichten Meeresbucht, die zur Ebbe trocken liegt, gelingt das schon eher. Die Erde besaß von Anfang an nicht so viel Wasser, dass die Oberfläche komplett überflutet gewesen war. Darum bestand auch immer die Möglichkeit der Konzentrierung organischer Moleküle. Die ungehindert auftreffende UV-Strahlung der Sonne führte zudem zur stärkeren Bildung von freien Radikalen, die die Entstehung komplexerer Moleküle erleichterten (siehe dazu die Tholin-Partikel auf Titan). Zwar ging durch die Strahlung auch sehr viel wieder kaputt, aber begünstigt durch die Gezeiten, konnten bei Flut ein Teil dieser Komplexe überdauern und standen für weitere Synthesen zur Verfügung.

... sondern eher weil die notwendigen Temeraturen für die Proteinbildung fehlen.

Da wäre ich wiederum vorsichtig, denn die Gezeitenreibung reicht bei Europa offensichtlich aus, um den Ozean von innen heraus aufzuheizen. Es könnte sich dort ein intensiver submariner Vulkanismus entfalten, der die nötigen Temperaturen liefert. Ob es zu einer Plattentektonik wie auf der Erde reicht, ist allerdings zweifelhaft. Dafür ist Europa wahrscheinlich zu massearm. Die Wärmequelle auf Enceladus hat zwar nur lokal begrenzte Ausmaße, ist aber offensichtlich heiß genug, um eine Wasserblase von ca. 200 km Durchmesser konstant flüssig zu halten (und das bei einer Außentemperatur von - 200°C einige Dutzend Meter (!!!) höher). Wir wissen zwar noch nicht, was da im Einzelnen abläuft, aber die Aufrechterhaltung einer Temperaturdifferenz von 200 Kelvin über wenige Meter lässt darauf schließen, dass die Temperatur am Grund um einiges höher sein dürfte - genug für Proteinbildung, wenn man das überschüssige Wasser loswerden könnte ...

Viele Grüße!
 

Eddy

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Hallo Mahananda,

ja, das ist eine wirklich gute Erklärung für das Entstehen der Proteine auf der Erde. Und in dem für diesen Prozess zur Verfügung stehenden Zeitraum sollte die Proteinbildung auch möglich sein - wenn man bedenkt, das Proteine aus Aminosäuren aufgebaut sind (und zwar nicht willkürlich) sondern in einer bestimmten Reihenfolge, dann braucht es schon eine Portion Glück um z.B. Kollagen (1055 AS) zu bilden. Aber Enceladus hatte (wahrscheinlich) ja auch die gleiche Zeit wie die Erde zur Verfügung. Und je länger ich darüber nachdenke, dass wir hier auf der Erde Wolkenbildung, Wärephasen oder einfach gesagt andere klimatiche Voraussetzungen haben, desto eher komme ich zu dem Schluss, das genau diese Voraussetzungen auf Enceladus fehlen. Gleich wie warm die innere Wasserblase ist. Ein "wechselndes Klima" kann durch Fontänenbildung (siehe Bericht) nicht ersetzt werden.

Gruss
Eddy
 
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Mahananda

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Hallo Eddy,

Kollagen erschien erst ziemlich spät auf der Bühne der Evolution. Zu diesem Zeitpunkt gab es aber schon differenzierte Zelltypen, die damit etwas anfangen konnten (Kollagen als Baumaterial für das Zytoskelett der Eukaryonten). Damit diese entstehen konnten, ist weniger ein wechselndes Klima erforderlich (obwohl das als Selektionsfaktor in der Folgezeit nicht unwesentlich ist!), sondern eher eine für flüssiges Wasser hinreichend dichte Atmosphäre und Gezeiten, die Wattflächen freilegen - also flache Meeresufer. Beides gab es auf der Urerde. Unser Mond befand sich damals viel näher an der Erde als heute, so dass der Tidenhub höher war und zugleich - aufgrund der höheren Rotation der Erde - in schnellerem Wechsel erfolgte. Damit lagen die Chancen, dass komplexe Moleküle überleben, höher als bei den heutigen Zuständen. Wie auch immer: Die Neugier der Menschen ist grenzenlos, und daher wird man wohl auch auf Europa und Enceladus nach Leben suchen. Ein paar Kohlenwasserstoffe wird man vielleicht auch finden, möglicherweise sogar Aminosäuren und Adenin, aber viel mehr wird es nicht sein. Viel interessanter scheint mir jedoch, die Natur der internen Wärmequelle auf Enceladus zu enträtseln. Hier könnte man aus planetologischer Sicht auf echtes Neuland stoßen. Mit nahen Vorbeiflügen ist es dabei allerdings nicht getan (obwohl auch ich gespannt bin, was dabei herauskommt!). Man wird um eine Landemission nicht herumkommen - auch wenn dabei noch viel Zeit vergehen und viel Geld investiert werden mag.

Viele Grüße!
 

sausbanders

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Nur kurz zwischendurch: Wie will die Sonde Anzeichen für Leben aufspüren? Ich konnte leider bei Wikipedia nicht nachvollziehen mit welchen Instrumenten Cassini ausgestattet ist.
 

Mahananda

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Wie will die Sonde Anzeichen für Leben aufspüren?

Gar nicht. Indizien könnten außergewöhnliche Gaszusammensetzungen sein (z.B. Methan + Ozon), aber dafür gibt es keinerlei Anzeichen. In den Dampffontänen konnte neben Wasser noch Stickstoff, Kohlendioxid sowie geringe Mengen Methan und Ethan nachgewiesen werden - nichts außergewöhnliches also, das auf das Vorhandensein von biogenem Stoffwechsel hindeutet. Der Chemikaliencocktail in der Titanatmosphäre ist - was die abiogene Synthese von organischen Molekülen betrifft - weitaus vielgestaltiger und interessanter. Die Cassini-Sonde hat ein Gerät zur Massenspektroskopie bei sich (Abkürzung: VIMS), mit dem die Atommassen von Molekülen bestimmt werden kann.

Für eine gezielte Suche nach Lebewesen müsste man auf den "interessanten" Himmelskörpern landen und Bodenproben bzw. Flüssigkeitsproben entnehmen und diese mit radioaktiv markierten Substanzen versetzen. Anschließend müsste man die Stoffwechselprodukte analysieren, um auf biogene Aktivität rückschließen zu können. Darüber hinaus wären mikroskopische Untersuchungen nötig, um etwaige Mikroorganismen auszumachen. Für all das ist die Cassini-Sonde nicht ausgerüstet. Auch der Titan-Lander Huygens verfügte über keine Instrumente zur Lebenssuche.

Viele Grüße!
 
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