Oh, oh, Mahananda,
ich sehe das ganze nicht so pessimistisch.
Und von Glück zu reden, das Raumfahrtzeitalter über den Weg erreicht zu haben, auf dem wir es erreicht haben, würde ich sogar verneinen. Wir hätten das Raumfahrtzeitalter auch über friedlichem Wege erreichen können, aber gerade die großen Kriege der europäischen Monarchien (1. WK) und der faschistischen Diktaturen (2. WK) haben die Raketentechnologie für sich vereinnahmt und maßgeblich vorangetrieben, danach bekanntermaßen auch noch der Kalte Krieg. - Also sind wir nicht gerade über den Faktor "Glück", sondern eher über den Faktor "Unglück" zur Raumfahrt gekommen - und das ist genau so traurig wie viele andere technologische Entwicklungen in der Menschheitsgeschichte, die durch kriegerische Despoten für ihre Ziele missbraucht, aber auch vorangetrieben wurden.
Bei Totalverlust der griechischen Manuskripte (...)
Der wäre, denke ich mal, so wie in Alexandria nicht möglich gewesen. Das Wissen der alten Griechen verteilte sich auf so viele verschiedene Städte im gesamten Mittelmeerraum (Athen, Korinth, Delphi, Tessalonike, Rhodos, Ephesos, Miletos, Pergamon, Cyrene, Syracus, Massilia usw.), dass immer genügend übrig geblieben wäre, um verloren gegangene Bibliotheken-Bestände wieder zu ersetzen.
Die Araber hätten nichts konservieren und übermitteln können.
Wie kommst Du denn darauf?? Denk mal an die berühmten Universitäten von Damaskus, Bagdad, Kairo oder im maurischen Spanien mit Toledo, Salamanca, Granada! Dort wurde Wissen nicht nur Wissen übermittelt, sondern auch in Bibliotheken (die zwar den Koran zu verbreiten hatten) aufbewahrt! Wären die Moslems rein auf die kriegerische Ausbreitung des Machtbereiches aus gewesen wie im 12. Jh. die Mongolen, dann wäre über Europa wahrscheinlich eine noch viel länger anhaltende Finsternis hereingebrochen. So aber befruchtete die Islamisierung der Hälfte Spaniens die wissenschaftliche Entwicklung in Europa.
Wäre Konstantinopel 1453 nicht von den Osmanen erobert worden, hätte der Indienhandel länger prosperieren können.
Auch hier muss ich Dir widersprechen.
Der endgültige Fall Konstantinopels war nur noch eine Frage der Zeit. Das Byzantinische Reich schrumpfte in den Jahrhunderten vorher schon Stück für Stück und hatte sich sowieso vom restlichen römisch-katholischen Europa fern- und aus dessen Interessen herausgehalten, was die mangelhafte bis völlig ausgebliebene Unterstützung während der Kreuzzüge zum Ausdruck bringt. An eine Unterstützung Konstantinopels durch den Rest Europas während der osmanischen Eroberungen war somit nicht zu denken. Außerdem stellte das reiche Konstantinopel schon immer eine lukrative Beute für fremde Mächte dar, was die Belagerung und Plünderung durch Waräger und Wikinger im 10. Jh. zeigt.
Von daher musste man in Europa schon einige Jahrhunderte vorher damit rechnen (und man tat es auch), dass der Indienhandel eines Tages nicht mehr funktionieren würde. Nicht erst die Wieder-Entdeckung der Neuen Welt führte zum wissenschaftlich-technischen Aufschwung in Europa, nein, diese Wieder-Entdeckung war das Resultat daraus und mehr oder weniger überfällig!
Die Notwendigkeit, Seewege zu erkunden, wäre wegen der damit verbundenen hohen Kosten gar nicht erst aufgekommen. Die Entdeckung Amerikas wäre erst sehr viel später erfolgt.
Nein. Eine Versperrung der Handelswege nach Indien deutete sich, wie ich eben schrieb, bereits einige Jahrhunderte vorher an und die Entdeckungen der Spanier und Portugiesen waren ohnehin logische Folgerungen aus den wissenschaftlich-kulturellen Entwicklungen in Europa. Zufälle kann ich gerade in dieser geschichtlichen Epoche überhaupt keine finden!
England hat sich erst später in Konkurrenz zu Spanien zur Seemacht entwickelt. Finanziert wurde der Ausbau der Flotte im Wesentlichen aus den Erträgen der Kaperfahrten. Aber: Ohne Ausplünderung der Indianerreiche keine fette Beute für Engländer. Die Folge: Der Kapitalzufluss bleibt aus, und damit der Aufstieg Englands zur Weltmacht.
Das Gold aus den indianischen Reichen war aber auch kein Segen, weder für Spanien noch für England. Diese massive Goldeinfuhr führte zu einer drastischen Abwertung des Goldpreises und zu schweren inflationären Zuständen, von denen sich Spanien nie wieder richtig erholte.
Hätten die chinesischen Ming-Kaiser um 1430 die Eroberung Europas nicht abgeblasen, wären wir möglicherweise in chinesische Oberhoheit gelangt.
Das ist das erste Mal, dass ich davon höre.
Aber viel schlimmer wäre es doch gekommen, wenn die Mongolen im 14. Jh. die Schlacht bei Liegnitz gewonnen und ihren Machtbereich weiter bis nach Mitteleuropa ausgedehnt hätten! Hier aber ist den mongolischen Heerführern der Tod ihres Khan dazwischengekommen, infolgedessen sie weitere Feldzüge nach Europa abbliesen.
Oder ein anderes Ereignis: Die fast gelungene Eroberung Wiens durch die Türken! Wie würde Europa heute aussehen, wenn nicht die Polen den Österreichern in letzter Minute noch zu Hilfe gekommen wären??! - Diese beiden Beispiele sind für mich Zufälle der geschichtlichen Entwicklung.
Die extrem konservativen Ansichten der konfuzianischen Beamtenschicht hätten mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zur Industrialisierung geführt – schon wegen der Harmonie zwischen Himmel und Erde.
Das kann man nur schwer abschätzen, aber da gebe ich Dir erst einmal recht. Und selbst wenn es eine Art Industrialisierung gegeben hätte, so wäre diese vermutlich wesentlich "naturschonender" verlaufen.
Was ich damit sagen will, ist, dass Entwicklung nicht stetig verläuft, sondern dass eine Reihe von zufälligen Faktoren die eine oder andere Richtung hervorbringt.
Im großen und ganzen aber doch schon. Die gesellschaftliche Entwicklung der Menschheit ist nicht aufzuhalten, höchsten punktuell verlangsambar. Das heißt, wenn in bestimmten Weltgegenden die Entwicklung stoppt, dann geht sie an anderer Stelle trotzdem weiter. Ansonsten würden wir nämlich noch heute in der Urgesellschaft leben, oder uns zumindest in antiker Sklavenhaltergesellschaft ...
Ebensogut hätten die Griechen den Durchbruch schaffen können und wir hätten seit 2000 Jahren eine Hochtechnologiezivilisation.
Das glaube ich nicht. Dafür waren diese Zeiten viel zu unruhig. Viele große Eroberer zogen vom 4. Jh. v.Chr. bis zum 5.Jh. n.Chr. über den Erdball (Dareius, Alexander, Hanibal, Scipio, Cäsar, Trajan, Hadrian, Attila - um nur einige zu nennen) und eroberten nicht nur Land und Leute, sondern raubten auch wissenschaftlich-technische Erfindungen und erschwerten in den eroberten, technologisch höher stehenden Gebieten weitere Fortschritte.
Außerdem waren die Griechen für meine Begriffe viel zu sehr zersplittert, als dass sie hätten eine technische Revolution auslösen können. Den Griechen war es aufgrund ihrer geographischen Gegebenheiten lediglich möglich, als Vordenker zu fungieren.
Die Zivilisation stets voranbringende Grüße von
Toni