Interstellarer Komet: Ursprünglicher als jeder andere Komet

astronews.com Redaktion

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Der interstellare Komet 2I/Borisov, der im August 2019 als erst zweites Objekt aus einem anderen Sonnensystem entdeckt worden war, dürfte zu den unberührtesten Körpern zählen, die man je beobachtet hat. Das ergaben neue Analysen mit dem Very Large Telescope der ESO. Bevor er in unser Sonnensystem eindrang, ist er vermutlich keinem anderen Stern nahegekommen. (31. März 2021)

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ralfkannenberg

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wie kommt man eigentich darauf ?
Hallo zusammen,

also wie man darauf kommt weiss ich schon, die Frage ist nur, ob das konsistent zu anderen Beobachtungen ist.

Das ganze kommt aus der ersten Referenz:
Unusual polarimetric properties for interstellar comet 2I/Borisov (S.Bagnulo, A.Cellino, L.Kolokolova, R. Nežič et al.).

In der Einleitung steht geschrieben:
(... ) is comet C/1995 O1 (Hale-Bopp), an object that is believed to have approached the Sun only once before its apparition in 1997.

Eine Aussage, die im Text weiter unten allerdings wieder relativiert wird:
Prior to its recent perihelion passage, comet Hale-Bopp probably was near the Sun at least once, and possibly only once, ~2250 BC


Hierzu wird eine weitere Publikation herangezogen, wobei ich nicht herausfinden konnte, ob diese einem Peer-Review unterzogen wurde:

Orbital Evolution, Activity, and Mass Loss of Comet C/1995 O1 (Hale-Bopp). I. Close Encounter with Jupiter in Third Millennium BCE and Effects of Outgassing on the Comet's Motion and Physical Properties (Zdenek Sekanina, Rainer Kracht)

Mit allerlei Optimierungen kommen die Autoren dort zum Ergebnis, dass der Hale-Bopp'sche Komet am 7.November des Jahres 2251 vor Chr. um 8:15:21 Uhr am Jupiter vorbeigeflogen und dabei von seiner Bahn aus der Oort'schen Wolke auf die Umlaufbahn bis zum Jahre 1997 gelangt ist.


Leider haben die Autoren die Information, die sich aus der geringer als erwartet ausgefallenen Helligkeit des Kometen 1997 ergibt, bei ihren Überlegungen nicht genutzt, wobei ich hierzu noch eine Referenz heraussuchen muss. - Unter der Annahme, dass das Perihel vorher tatsächlich robust bei ~0.15 AU gelegen hat, so hätte der Komet, da stimme ich den Autoren zu, bei jedem Sonnenumlauf viel Masse verloren und die leichtflüchtigen Stoffe wären bei hinreichend kleiner Grossen Halbachse, d.h. kürzerer Umlaufzeit, d.h. öfterer Sonnenpassage, schon längst aufgebraucht.


Allerdings ist das ganze nicht konsistent zu den Ergebnissen dieser Arbeit: Orbital evolution of Comet 1995 O1 Hale-Bopp (M.Bailey, V.Emel'yanenko, G.Hahn, N.Harris, K.Hughes, K.Muinonen, J.Scotti):
Nevertheless, the comet is not dynamically new in the sense of coming 'fresh' from the Oort cloud.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

ralfkannenberg

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Orbital Evolution, Activity, and Mass Loss of Comet C/1995 O1 (Hale-Bopp). I. Close Encounter with Jupiter in Third Millennium BCE and Effects of Outgassing on the Comet's Motion and Physical Properties (Zdenek Sekanina, Rainer Kracht)

Mit allerlei Optimierungen kommen die Autoren dort zum Ergebnis, dass der Hale-Bopp'sche Komet am 7.November des Jahres 2251 vor Chr. um 8:15:21 Uhr am Jupiter vorbeigeflogen und dabei von seiner Bahn aus der Oort'schen Wolke auf die Umlaufbahn bis zum Jahre 1997 gelangt ist.
Hallo zusammen,

auch in dieser Arbeit vom Februar diesen Jahres sehen das die Autoren anders:

The Visual Lightcurve of Comet C/1995 O1 (Hale–Bopp) from 1995 to 1999 (M.Womack, O.Curtis, D.Rabson, O.Harrington Pinto et al.)

Hale–Bopp was not a dynamically new comet and likely experienced at least a few heating cycles over its lifetime


Zudem wird noch ein anderer Aspekt angesprochen: auch ich erinnere mich, dass die Helligkeit des Hale-Bopp'schen Kometen damals im Spätherbst 1996 zum Entsetzen der Astronomen weniger stark anstieg als angenommen und man befürchtete schon einen Komet Kohoutek-Effekt.

Statt dessen aber war das eine Folge dessen, dass man den Phasenwinkel nicht berücksichtigt hatte:

However, our calculations show that their flattening likely did not have a physical cause, but instead was due to a prominent and uncorrected phase angle effect.
Correcting Hale–Bopp’s apparent magnitudes for geocentric distance changes the lightcurve’s shape, especially around 3–4 au preperihelion. Correcting for light scattering, as measured by the comet’s phase angle, changes the lightcurve slope by an average of ∼30%. Not correcting for phase angle leads to a flattened region in the lightcurve from 4 to 2.6 au preperihelion, which was reported by other groups and erroneously attributed to the onset of water-ice sublimation near 3 au. However, we show that most of the flattening in this region was an artifact of not correcting for phase angle, which we reproduce with our model.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Infinity

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Ich kenne mich mit dem Thema nicht so gut aus. Mein (bisheriger) Eindruck ist, dass die Aussage

Hale-Bopp dürfte zuvor unsere Sonne bislang nur einmal passiert haben.
im Artikel keine wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis, sondern lediglich eine Annahme ist. So heißt es in Marsden (1997), S. 14:

Since this comet presumably is, after all, one of the largest to have come inside the earth’s orbit in recent times, it may be fair to say that it has not done this very many times before. In fact, I might be so bold as to speculate that it has done so only once before, just 4211 years ago, in the year −2214 (consistent with the last line of Table VI). Interestingly, if perihelion passage had occurred around −2214 July 7, there would have been a near collision with Jupiter around −2215 June 6. Of course, it would be impossible to say what Hale–Bopp was doing before then: the most likely situation would be that the comet’s previous period was much longer, corresponding to capture then from the Oort Cloud.
(Die unterschiedlichen abgeleiteten Perihelia (-2251 vs. -2214) kommen wohl von den verschiedenen Lösungen (purely gravitational vs. standard nongravitational solutions), wie in dem von Dir zitierten Paper von Sekanina und Kracht gegenübergestellt). Für mich liest sich das so, dass Hale-Bopp nicht unbedingt nur einmal vor 1997 uns besuchte, sondern, dass man behauptet, -2251/-2214 sei das erste Perihel gewesen, weil aufgrund des damaligen Jupiter-Einflusses die Bahn so stark verändert wurde, dass die ursprüngliche Bahn und damit mögliche vorige Perihelia nicht sicher bestimmt werden können.
 
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ralfkannenberg

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Mein (bisheriger) Eindruck ist, dass die Aussage
Hale-Bopp dürfte zuvor unsere Sonne bislang nur einmal passiert haben.
im Artikel keine wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis, sondern lediglich eine Annahme ist.
Hallo infinity,

dem ist zuzustimmen. Allerdings wundere ich mich, dass man nun 25 Jahre danach Arbeiten findet, die das eine oder das andere behaupten, zumal das für die Untersuchungen zum Vergleich mit dem interstellaren Kometen Borisov völlig irrelevant ist - dadurch, dass der Hale-Bopp'sche Komet ein grosses Perihel von fast 1 AU hat wird er ja von der Sonne nicht so stark beeinflusst. Im Übrigen wird auch der Rosetta-Sonden Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko als Vergleich herangezogen, dessen Kern ebenfalls als primordial gilt. Dieser Komet hat zwar häufige Sonnenpassagen, aber ebenfalls in Perihelen sogar über 1 AU. Auch der Komet C/2009 P1 (Garradd), der als Vergleich herangezogen wird, hat ein Perihel von über 1 AU.


So heißt es in Marsden (1997), S. 14:


(Die unterschiedlichen abgeleiteten Perihelia (-2251 vs. -2214) kommen wohl von den verschiedenen Lösungen (purely gravitational vs. standard nongravitational solutions), wie in dem von Dir zitierten Paper von Sekanina und Kracht gegenübergestellt). Für mich liest sich das so, dass Hale-Bopp nicht unbedingt nur einmal vor 1997 uns besuchte, sondern, dass man behauptet, -2251/-2214 sei das erste Perihel gewesen, weil aufgrund des damaligen Jupiter-Einflusses die Bahn so stark verändert wurde, dass die ursprüngliche Bahn und damit mögliche vorige Perihelia nicht sicher bestimmt werden können.
Auch dem ist zuzustimmen. Im Übrigen fällt etwas auf, wenn man die beiden unterschiedlichen Lösungen anschaut: 2251-2214 ist der zeitliche Abstand von 3 Jupiterumläufen und dieser Umstand wird im Paper von Sekanina und Kracht auch kommentiert:
Although we establish unequivocally that the encounter and capture occurred in −2251, three Jovian revolutions earlier than originally determined by Marsden (1999), we find his proposal entirely plausible, legitimate, and very compelling.
Ich möchte mich etwas vorsichtger ausdrücken: man hat konkrete Lösungen dafür gefunden, dass es so gewesen sein könnte. Das heisst aber nicht, dass es auch tatsächlich so war.

Ich denke, das ganze steht und fällt mit der Bestimmung des Perihel vor dem pre-encounter bei seinem Besuch vor gut 4000 Jahren: war dieser wirklich so tief wie von den Autoren angegeben oder war er doch höher und hat den Kometen bei einer Sonnenpassage weniger beeinflusst.

Und wie schwer man sich mit Perihelbestimmungen tut haben wir erst kürzlich beim Kuipergürtel-Planetoiden "Farout" (2018 VG[sub]18[/sub]) gesehen, welches aufgrund besserer Bahndaten-Kenntnis vom äusseren Uranus-Zentaurenbereich (q=21.739 AU) in den Scattered Disc Objects-Bereich (SDO) über q=33.9467 AU zum aktuellen Wert q=37.7897386 AU verbessert werde konnte, wobei schon aus rein heuristischen Gründen naheliegend war, dass er ein SDO ist.

Man beachte übrigens, dass für die Bestimmung der Bahnelemente des Hale-Bopp'schen Kometen vor seiner Jupiterpassage 1996 gar kein so langer Beobachtungsbogen vorlag, auch wenn man zum Glück ein Prediscovery-Foto gefunden hat, welches 2 Jahre älter war und somit den Bahnbogen wenigstens fast verdoppelt hat, allerdings ohne zusätzlichen Periheldurchgang, aber immerhin verdoppelt.


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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