Raumfahrt: Mit Solitonen zu Überlichtgeschwindigkeit?

astronews.com Redaktion

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Die Lichtgeschwindigkeit stellt in der Raumfahrt eine bislang unüberwindbare Hürde dar. Antriebe, die in Science-Fiction-Filmen schnelle Reisen in weit entfernte Regionen der Galaxie erlauben, lassen sich höchstens theoretisch realisieren. Nun hat ein Wissenschaftler einen Ansatz vorgeschlagen, der ihm technisch machbarer erscheint. Noch erfordert er allerdings riesige Energiemengen. (15. März 2021)

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kuhnibert

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Also ganz ehrlich: zuerst dachte ich an einen verfrühten Aprilscherz - die Allgemeine Relativitätstheorie aushebeln? Der gute alte Onkel Albert müßte ja im Grab rotieren. Doch zahlreiche Fundstellen nach Recherche im Netz erschütterten diese Erstmeinung - trotz meiner beschränkten Physikkenntnisse, ich bin schließlich kein Wissenschaftler, sondern nur Astronomie- und SciFi-Fan. Der mich am meisten beeindruckende Satz aber war, " ... dass es nicht zu den Komplikationen des sogenannten "Zwillingsparadoxons" kommen würde." Also Bewegung mit v>c unter Beibehaltung der Eigenzeit? Das würde genau in eine SciFi-Geschichte passen, an der ich gerade arbeite! Aber hauptsächlich wegen diesem Punkt bleiben letzte Zweifel. Vielleicht gibt es ja den einen oder anderen Fachmann, der (in auch für Laien verständlicher Form) dazu etwas kommentieren kann?
 

astrofreund

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Hallo kuhnibert,

mit v>c soll man in der Zeit zurück reisen können. Beim Zwillingsparadoxon macht der von der Erde wegfliegende Zwilling Zeit gut - reist also in die Zukunft. Auf dem Rückweg reist er in der Zeit zurück und kommt genauso alt auf der Erde an, wie sein Zwilliingsbruder zu diesem Zeitpunkt ist. Das wären soweit meine naiven Vorstellungen.

Ob diese zutreffend sind bzw. sich das Vorhaben v>c wirklich realisieren lässt, bleiben Fragezeichen. Glauben würde ich es ohnehin erst, wenn wirklich geschehen - also bewiesen ist. Ich habe schon zu viele derartige Ankündigungen gesehen.

Gruß, Astrofreund
 

Bernhard

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Auf dem Rückweg reist er in der Zeit zurück und kommt genauso alt auf der Erde an, wie sein Zwilliingsbruder zu diesem Zeitpunkt ist. Das wären soweit meine naiven Vorstellungen.
Die Erklärung geht hier etwas anders:

Der Gang von Uhren ist nicht nur vom Bewegungszustand, sondern auch vom jeweiligen Gravitationspotential abhängig.

Beim Warp-Antrieb spielen beide Effekte eine wichtige Rolle und bei der hier vorgestellten Soliton-Lösung heben sich beide Effekte für den Raumfahrer anscheinend geschickt aus, so dass theoretisch keine oder nur eine ganz kleine Zeitdilatation, d.h. Zeitverschiebung entsteht.
 

Bernhard

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Hallo kuhnibert,

die Allgemeine Relativitätstheorie aushebeln?
es steht doch im Artikel, dass es eben darum NICHT geht. Das Besondere an der Arbeit ist ja gerade die Verträglichkeit mit der ART und dem Fehlen von exotischen Energiequellen. Sonst gäbe es den Artikel hier gar nicht ;) .
 

kuhnibert

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das hängt dann wohl mit den "unerforschten Soliton-Konfigurationen", "shift vector-Komponenten der Raum-Zeit-Metrik" und deren "hyperbolischen Beziehung" zusammen? Wie gesagt, ich bin physikalischer Laie und kann mit diesen Begriffen rein gar nix anfangen. Ich war nur immer der Meinung, dass die ART jede Geschwindigkeit >c selbst für die Übermittlung von Information, geschweige denn Materie ausschließt ...??
 

Bernhard

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Ich war nur immer der Meinung, dass die ART jede Geschwindigkeit >c selbst für die Übermittlung von Information, geschweige denn Materie ausschließt ...??
Sorry. Ich kann es anschaulich leider auch nicht gut erklären und versuche da eher die Mathematik zu verstehen.

Vielleicht hilft ja dieser WP-Artikel noch etwas weiter: https://en.wikipedia.org/wiki/Alcubierre_drive

Etwas in dieser Art bildet das Thema des Artikels.
 

Bynaus

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Habt ihr schon mal ein Tischtuch oder ein Bettleinen so geschüttelt, dass nur eine einzelne Welle darüber läuft? Das ist ein Soliton: eine Wellental-Wellenberg-Kombination, die in kompakter Form über das Medium läuft, ohne zu zerfallen.

Genauso, schlägt das Paper vor, könnte auch der Warp-Antrieb funktionieren: anstatt zu versuchen, den Raum vor bzw. hinter dem Raumschiff mit positiven / negativen Massen zu krümmen, erzeugt man nur ein Raumzeit-Soliton, das sich dann durch die Raumzeit fortbewegt (da das ganze in 3D wäre, wäre das Raumzeit-Soliton kugelförmig). Die Geschwindigkeit dieses Solitons kann - rein theoretisch zumindest - beliebig hoch sein, auch >c, denn die Geschwindigkeit, mit der sich Raum ausdehnen / stauchen lässt, ist nicht von c limitiert. Theoretisch lässt sich auch die Raumzeit-Geometrie des Solitons so gestalten, dass es im Inneren eine "flache" Raumzeit gibt, ohne Verzerrungseffekte. Das heisst, wenn das Raumschiff in 5 Tagen (auf der Erde gemessen) nach Alpha Centauri fliegt, vergehen auch im Raumschiff drin 5 Tage.

Das alles ist zur Zeit rein theoretisch, aber interessant. So braucht die Methode der Erzeugung des Solitons eine gewaltige Energiemenge, und das Soliton muss stets auch unabhängig von seiner Erzeugung auf die gewünschte Geschwindigkeit beschleunigt werden.

Beim Zwillingsparadoxon macht der von der Erde wegfliegende Zwilling Zeit gut - reist also in die Zukunft. Auf dem Rückweg reist er in der Zeit zurück und kommt genauso alt auf der Erde an, wie sein Zwilliingsbruder zu diesem Zeitpunkt ist. Das wären soweit meine naiven Vorstellungen.

Das Zwillingsparadoxon besagt, dass der Zwilling, der vom anderen wegbeschleunigt (nennen wir ihn A), bremst, umkehrt, zurück beschleunigt und wieder bremst, um bei zurückgebliebenen Zwilling (B) wieder zur Ruhe zu kommen, weniger stark gealtert ist als B. Das ist nicht besonders paradox, sondern hängt davon ab, dass "bewegte Uhren langsamer gehen". Paradox wird es nur dann, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass die Relativitätstheorie ja eben gerade keinen fixierten Hintergrund festlegt, relativ zu dem man (zumindest auf den ersten Blick, vermeintlich) sagen könnte, welcher der beiden Zwillinge langsamer altern muss. Denn aus der Sicht von A könnte man ja auch sagen, dass B von ihm wegbeschleunigt, umkehrt und wieder bremst. Die Lösung des Paradoxons liegt darin, dass nur A (insgesamt vier) Beschleunigungen verspürt, was die Gleichberechtigung der beiden Betrachtungsweisen aufhebt. Würde nämlich A von B wegbeschleunigen und wieder bremsen, worauf B ihm folgt, dann wären beide bei ihrem Wiedersehen wieder gleich alt - sie haben nun ja auch die gleiche Beschleunigungs-Geschichte!

Ich war nur immer der Meinung, dass die ART jede Geschwindigkeit >c selbst für die Übermittlung von Information, geschweige denn Materie ausschließt ...??

Materie oder Information kann sich gemäss ART nicht mit v > c *durch* den Raum ausdehnen. Der Raum selbst ist aber - zumindest theoretisch - keiner solchen Beschränkung unterworfen, und könnte deshalb benutzt werden, um mit v > c zu kommunizieren oder Materie zu verschicken. Eine praktische Beschränkung auf v ~ c ergibt sich aber z.B. bei Gravitationswellen trotzdem, weil es keinen Prozess innerhalb der Raumzeit gibt, der diese Wellen auf v > c beschleunigen könnte. Es ist zu vermuten, dass es auch mit technischen Möglichkeiten schwierig bis unmöglich ist, ein Soliton (oder eine andere passende Raumzeit-Konfiguration) auf v > c zu beschleunigen.
 
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kuhnibert

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ja, danke, das ist durchaus hilfreich; den Versuch, "die Mathematik dahinter zu verstehen", hab ich als wissenschaftlicher Laie allerdings aufgegeben ... ;-)
 

kgbbg

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Mach Dir nichts draus, mir geht es ebenso. Bin auch kein Mathematiker. Dennoch lese ich hier seit Jahren mit... Es ist immer interessant, auch wenn ich nicht alles nachvollziehen kann....
@ Bynaus: Danke. Sehr bildlich gesprochen.
 
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TomS

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Und gerade
wenn man sich in Erinnerung ruft, dass die Relativitätstheorie ja eben gerade keinen fixierten Hintergrund festlegt
stellt man fest, dass der Raum nicht
benutzt werden [kann], um mit v > c zu kommunizieren oder Materie zu verschicken.

Es gibt an keiner Stelle des Raumes einen Ort, an dem irgendeine Bewegung von irgendetwas mit v > c stattfinden würde. Es ist einfach nur so, dass die Raumzeit so deformiert wird, dass eine Reise von A nach B weniger Eigenzeit benötigt.
 

Solitaire

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Hallo zusammen,
wenn ich das so lese muss ich leider einsehen, dass ein solcher (oder auch ein ganz anderer) Antrieb noch in weiter Entfernung liegt.
Im Moment stehen wir da, wo die Seefahrt vor Jahrhunderten mal war: Mit lebensgefährlichen Einmastern sind ein paar tollkühne Abenteurer losgezogen und haben die Wunder auf den Inseln bestaunt, die hinter dem Horizont versteckt lagen.
Und solange die Seemannsfrauen am Hafen auf die Rückkehr der Entdecker warten, sitzen in der Hafenspelunke ein paar Spinner und reden über dampfbetriebene Kreuzfahrtschiffe mit Schiffsschrauben. Und der Besoffene lallt was von Schiffen, die unter der Wasseroberfläche fahren könnten...

Im Moment fehlen uns einfach noch alle möglichen Technologieen um auch nur in die Nähe eines solchen Antriebs zu kommen.
Bei Jules Vernes Reise zum Mond gab es ja zum Beispiel das Problem dass keine Telefonverbindung zwischen Erde und Rakete möglich war - das Telefonkabel würde sich ja um die Erde wickeln.
Mit solchen unüberwindlichen Problemen schlagen wir uns im Moment beim FTL Antrieb herum. Und nicht mal 120Jahre nach Verne laufen Kindergartenkinder mit Handys durch die Gegend.
Also wenn sich die Menschheit nicht vorher noch auslöscht könnte es bald schon so weit sein.
Gruß, Solitaire
 

Herr Senf

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In dem ganzen Konstrukt muß ein gravierender Denkfehler stecken :confused:

Um mit einem Raumschiff von A nach B zu gelangen, muß man durch die Raumzeit, die soweit man gucken kann per Minkowski flach ist.
Wie sollen Rechentricks "aus der ART" die SRT aushebeln, also "verletzen", wo die SRT Bestandteil der ART ist, sie gilt bei geringer Krümmung,
also auch auf großen Skalen kann ich sie nicht umgehen, was hülft die Manipulation auf kleinen Skalen, wenn ich große Entfernungen habe.

Eine "mitfliegende" Manipulation der Eigenzeit wäre doch gleichbedeutend mit einer Verletzung des Relativitätsprinzipes, Grundlage SRT+ART.
Der mitfliegende Zwilling würde die Gesetze anders interpretieren als der Sofabruder.

Grüße Dip
 

TomS

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Eine "mitfliegende" Manipulation der Eigenzeit wäre doch gleichbedeutend mit einer Verletzung des Relativitätsprinzipes, Grundlage SRT+ART.
Der mitfliegende Zwilling würde die Gesetze anders interpretieren als der Sofabruder.
Nein, die betrachtete Raumzeit stellt eine Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen dar; das Relativitätsprinzip ist automatisch erfüllt.

Es geht in dem Paper übrigens nicht darum, zu zeigen, dass derartige Solitonen - also stabile, sich mit beliebiger „Geschwindigkeit“ bewegende Blasen in der Raumzeit - möglich sind, das wurde bereits gezeigt; es geht darum, dass dies ausschließlich unter Verwendung konventioneller Energieformen zu Stabilisierung der Solitonen möglich ist.
 
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Astrospass

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Mir sind leider die benötigten Energiebedarfsabschätzungen nicht klar, wenn man den zunächst abgeschätzten Bedarf um 30 Größenordnungen reduziert, kommt man in den Bereich heutiger Kernkraftwerke, das wären so in etwa 2 Gigawatt Leistung. Da aber theoretisch eine Reduktion um 60 Größenordnungen möglich sein soll, käme man auf minimal nur ca. 10 hoch -21 Watt , wenn man die Kraftwerksleistung von Gigawatt ( 10 hoch 9) um 30 Größenordnungen vermindert, das ist ein unvorstellbar kleiner Energiebedarf! Was verstehe ich da falsch?
 
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