Insofern stimme ich mit deiner Argumentation, dass Ungenaugkeiten in Büchern für Laien in gewissem Maße erlaubt sein müssen, überein - damals.
Hallo Frank,
das ist nicht ganz mein Argument: eigentlich bin ich ja bekannt dafür, pedantisch zu sein. Stöger beschreibt die Dinge im Grossen und Ganzen ja richtig, aber es unterlaufen ihm viele kleine Fehler. An sich würde ich persönlich es sogar als sehr unhöflich empfinden, wenn mich jemand mit so vielen kleinen Fehlern abspeisen würde.
Nur - und jetzt kommt eben das "nur" bzw. das "aber", und es sind derer zwei:
1. es gibt derzeit kein anderes Buch auf dem Markt, auf das man ausweichen könnte, und aus diesem Blickwinkel ist Stöger's Buch - da es im Grossen und Ganzen korrekt und das bisweilen trockene Thema auch didaktisch spannend dargestellt ist - "good enough".
2. Ich kenne den Zeitaufwand, solche zahlreiche kleine Fehler aufzuspüren und zu beseitigen, zumal Stöger nicht vom Fach ist - deren Beseitigung erhöht den Gesamtaufwand locker um einen Faktor 2.
Ich selber habe ja vor 14 Jahren im Zusammenhang mit dem Planeten 10 (Eris) ein Manuskript erstellt, und dieses umfasste weniger als 30 Seiten. Doch der Nachführaufwand und das Einfügen von Neuentdeckungen und Aktualisieren der Tabellen wurde schliesslich so gross, dass ich kapituliert habe, weil sich immer mehr kleine Fehler eingeschlichen haben und ansammelten und ich diese mit vernünftigem Aufwand nicht eliminiert bekommen habe, so dass ich das Projekt schliesslich abgebrochen habe, weil ich eben nicht bereit war, ein fehlerhaftes Manuskript zu akzeptieren.
Ergebnis: es gibt kein Manuskript mehr.
Für mich persönlich ist das ok, aber ich frage mich, ob es bessere Lösungen gibt.
Allerdings hat die Wissenschaft in den vergangenen 40 - 50 Jahren enorme Fortschritte gemacht, und die Tatsache, dass Wissenschaft eben nur falsifizierbare Theorien (oder Hypothesen) aufstellen kann, in vielen Köpfen (auch meinem) etabliert.
Das gilt für alle MINT-Bereiche. Dazu kommt, dass die Recherchemöglichkeiten heute gegenüber den 1970er-Jahren exponentiell gestiegen sind.
Das stimmt, aber auch hier gilt: die Wikipedia ist nicht über alle Zweifel erhaben. Im Kuipergürtel scheitert das auf der Wikipedia daran, dass es keinen Konsens über die Klassifizierung der Objekte gibt und wenn man da mal etwas wagt einem sofort "Theoriefindung" vorgeworfen wird und man mit einem Löschantrag konfrontiert wird. Vielleicht hat sich inzwischen mal jemand die Mühe gemacht und daran weiter gearbeitet, ich jedenfalls stehe dafür dort nicht mehr zur Verfügung.
Oder ein anderes Beispiel: es hat Jahre gedauert, um den Wikipedia-Moderatoren klar zu machen, dass der Grosse Wagen nicht die 7 hellsten Sterne der Grossen Bärin sind. Nicht dass das unbedingt wichtig wäre, aber ein Blick in die Tabelle im selben Artikel hätte doch genügt, das richtig zu stellen. Zum Glück war das vor meiner Wikipedia-Zeit, ich hätte mich vermutlich masslos darüber aufgeregt.
Apropos Recherchemöglichkeiten: vergangenes Jahr habe ich rund 200 Dollar bezahlt, um an die Entdeckerartikel über die irregulären Monde unseres Sonnensystems ab 1997 zu gelangen, und noch über weitere 100 Dollar für Artikel aus diesem Themenumfeld. Nicht jeder ist bereit, für ein 4-seitiges Paper 40 Dollar hinzulegen, auch wenn ich persönlich der Meinung bin, dass
jeder dieser Artikel sein Geld wert war.
Das bedeutet weiterhin, dass, wenn jemand ein aktuelles Buch mit Fakten schreibt, diese zumindest dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen sollten.
Die zahlreichen kleinen Fehler Stögers sind aber anderer Natur; nehmen wir das Beispiel mit dem ersten Exoplaneten: aus dem Text wird schon klar, dass er den ersten mit direkten Methoden nachgewiesenen Exoplaneten meint, d.h. formal ist seine Aussage korrekt. Trotzdem sind sowohl der SuW-Rezensor als auch Florian darauf hereingefallen und zunächst auch ich, nur konnte ich nicht glauben, dass jemandem ein solches Malheur passiert, so dass ich das ganze im Zusammenhang nachgelesen habe. Aber eben: Stöger ist nicht vom Fach und deswegen fehlt eine Angabe auf die ersten Exoplaneten überhaupt (die da um den Pulsar), für die es übrigens keinen Nobelpreis gab, und natürlich 51 Pegasi b, den erst-nachgewiesenen Exoplaneten um einen Hauptreihenstern (ich habe die damalige Schlagzeile des Spiegel noch nicht vergessen: Planet des Pegasus 51 ...). Zum den Namen richtig zu schreiben hat es dem Spiegel also auch nicht gereicht, auch wenn natürlich auf den ersten Blick klar ist, was gemeint ist.
Dabei geht es nicht um Details wie „knappe 4 Lj“ not equal „4.24 Lj“ - das finde ich selbst auf Laienebene Haarspalterei!
Natürlich ist das Haarspalterei. Nur: wenn man einen anderen eines Fehlers bezichtigt, dann sollte man es
selber besser machen, und ein Blick in die Wikipedia hätte genügt.
Auch hier vermute ich, dass Stöger etwas anderes meint (ich weiss es nicht), nämlich dass man in einem Sternbild Objekte sehen kann (nota bene von blossem Auge), die mehrere Millionen Lichtjahre auseinanderliegen. Und im Sternbild der Andromeda ist das tatsächlich der Fall, auch wenn ich persönlich es natürlich
äusserst unglücklich finde, den Andromedanebel als "Stern" zu bezeichnen, daran erkennt man sofort, dass Stöger den noch nie selber angeschaut hat, denn selbst von blossem Auge ist der Andromedanebel nicht sternförmig.
Mein Argument wäre: Wissenschaft entwickelt sich, macht fehlerhafte Aussagen und korrigiert sich (im Idealfall) selbst.
Bei der ganzen Diskussion um dieses eine Buch fehlt mir dieses Argument, sowohl bei dir, als auch bei Florian.
Stöger ist ein Journalist und ich vermute, der "verschwendet" jetzt keine Zeit mehr, eine 2.Auflage herauszubringen, zumal das viel zu aufwändig wäre; an sich hätte er das Buch
vorher einer Fachperson zu Lesen geben sollen, die das dann für ihn umformuliert hätte. Ich selber hätte das übrigens gemacht und dafür auch Geld locker gemacht.
Allerdings: im Berufsleben ist es mittlerweile gang und gäbe, unseren Kunden so etwas zuzumuten - wer mehr als "good enough" liefert wird als "ineffizient" abgetan und mit einer schlechten Jahresqualifikation bedacht.
Natürlich wäre Stögers Buch erledigt, wenn sich jemand die Mühe machen und zu diesem Thema ein besseres Buch schreiben würde - zurecht übrigens. Nur macht das realistischerweise niemand, d.h. die Alternative ist und bleibt: "good enough"-Buch lesen oder kein Buch zu diesem Thema lesen.
Und was den Markt anbelangt stimme ich Florians Einschätzung natürlich zu: für solche Bücher mag es 5000 Interessenten geben; da lässt sich vermutlich mehr Geld verdienen, wenn man irgendeinen Blödsinn über den Orgasmus von Schimpansinnen schreibt.
PS: Abgesehen davon sind mir Rechtschreibfehler in wissenschaftlichen Foren, seien es Blogs (
Florian Freistetter oder
Daniel Fischer), Foren oder Bücher, zuwider!
Da tust du dir mit Florian und Daniel keinen Unterschied.
Punkt.
Wenn ich so etwas im Büro kritisiere bekomme ich eine aufs Dach. Ich denke (hoffe) aber, dass mir auf Florians Blog nur 2 Schreibfehler unterlaufen sind, die ich erst nach dem Abschicken bemerkt habe, das ist im #21 in der letzten Zeile das Problem ("Peoblem") und im #31 der Kennt
nisstand.
Nun schau Dir diesen Beitrag von mir an: ich habe über
20 Minuten gebraucht, nur die Schreibfehler zu beseitigen, und vermutlich habe ich nicht alle gesehen.
Zu provokativ?
Nein, fundiert und ausgewogen.
Freundliche Grüsse, Ralf