Kurztrip ins All für Wasserflöhe
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bayreuth astronews.com
7. Mai 2018
Auf einem Suborbital-Flug der Rakete New Shepard
des US-Unternehmens Blue Origin wurde Ende April auch ein biologisches
Experiment durchgeführt: Wissenschaftler der Universität Bayreuth schickten
Wasserflöhe ins All, um festzustellen, ob sich diese als Grundlage für künftige
Systeme zur Nahrungsversorgung von Astronauten eignen könnten.
Die beteiligten Wissenschaftlern aus
Deutschland mit Jeff Bezos und seinem Team von
Blue Origin an der West Texas Launch Site.
Foto: Blue Origin [Großansicht] |
Bemannte Weltraummissionen, die viele Wochen oder Monate andauern, sind nur
möglich, wenn der Transport des Proviants für die Astronauten nicht zu viel
Energie für die Fluggeräte benötigt. Eine Lösung des Problems könnten Organismen
sein, die lebenswichtige Nährstoffe an Bord erzeugen. Sind Wasserflöhe, die auf
der Erde große Mengen an Biomasse produzieren, dazu in der Lage? Biologen der
Universität Bayreuth haben Experimente entwickelt, um das Verhalten dieser Tiere
in der Schwerelosigkeit zu testen. Auf einem Suborbitalflug des
Privatunternehmens Blue Origin wurden diese Versuche jetzt erfolgreich
durchgeführt. Es waren mit die ersten biologischen Experimente auf einem Blue
Origin-Flug.
Zooplankton sind kleine Organismen, die in den Nahrungsnetzen von Seen und
Meeren ein wichtiges Bindeglied darstellen: Einerseits ernähren sie sich von
Mikroalgen, andererseits stellen sie selbst nährstoffreiches Futter für Fische
oder für andere im Wasser lebende Tiere dar. Den größten Anteil an Zooplankton
bilden winzige Krebstiere, die wegen der von ihnen erzeugten Biomasse von großer
ökologischer Bedeutung sind. Zu diesen Tieren zählen insbesondere Wasserflöhe,
sogenannte Daphnien.
"Langjährige Forschungen mit diesen Organismen brachten uns auf die Idee, ob
sie im Weltraum Biomasse erzeugen können, die dann einen lebenswichtigen
Bestandteil der Astronautennahrung bilden", erklärt Prof. Dr. Christian Laforsch
von der Universität Bayreuth. Die Überlegungen stehen im Kontext der
bioregenerativen Lebenserhaltungssysteme (bioregenerative life support systems,
BLSS), an denen weltweit zunehmend intensiv gearbeitet wird. Es handelt sich um
künstliche Ökosysteme, die imstande sein sollen, Menschen dauerhaft und
zuverlässig mit Nährstoffen zu versorgen – nicht nur im Weltraum, sondern auch
in Gebieten, in denen Nahrungsmangel herrscht.
Während eines unbemannten Flugs des US-amerikanischen Unternehmens Blue
Origin wurde nun erstmals getestet, wie sich die Schwerelosigkeit auf molekulare
Prozesse in den Wasserflöhen auswirkt. "Diese Folgen müssen bekannt sein, bevor
man die Organismen in Lebenserhaltungssystemen im Weltraum verwenden kann. Wir
freuen uns deshalb sehr darüber, dass wir unsere Forschungsarbeiten mit
Unterstützung von Blue Origin entscheidend voranbringen konnten", sagt die
Bayreuther Biologin Dr. Miriam Knie, die den Start der Rakete New Shepard
am 29. April 2018 im texanischen Van Horn live verfolgt hat.
Das nach Al Shepard, dem ersten Astronauten der USA, benannte Fluggerät wird
von Blue Origin für das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
geförderte Projekt Scientific Pathfinder Flights eingesetzt. Das
Vorhaben soll wissenschaftliche Experimente im All unterstützen – insbesondere
solche Untersuchungen, die zur Weiterentwicklung der bemannten Raumfahrt
beitragen. Auch unter diesem Aspekt wurden die Bayreuther Experimente
ausgewählt. New Shepard ist gut zehn Minuten nach dem Start wieder
sicher gelandet.
"In den nächsten Wochen werden wir die in der Schwerelosigkeit gewonnenen
Daten sorgfältig auswerten und mit unseren bisherigen Bayreuther
Forschungsergebnissen abgleichen. Dann werden wir mehr darüber wissen, wie gut
sich Daphnien tatsächlich für den Einsatz in Raumstationen oder auf
Langzeitflügen im Weltall eignen. Die Ergebnisse werden wir so bald wie möglich
der Öffentlichkeit vorstellen", so Knie.
Die Bayreuther Biologen sind optimistisch, dass die neuen Messdaten sich auch
im Hinblick auf weitere Forschungsfragen als aufschlussreich erweisen. So weiß
man bisher nur sehr wenig darüber, wie sich biologische Systeme, die sensibel
auf Schwerkraft reagieren, im Lauf der Evolution entwickelt haben. "Vor allem
aber sollen die Experimente im Weltraum Erkenntnisse darüber liefern, inwiefern
Planktonorganismen auch auf der Erde für eine nachhaltige Nahrungsversorgung
genutzt werden können", unterstreicht Laforsch.
Außer der Universität Bayreuth waren auch andere Wissenschaftler aus
Deutschland mit Experimenten an Bord vertreten, etwa das Zentrum für angewandte
Raumfahrt und Mikrogravitation (ZARM) und die Universitäten Magdeburg und
Duisburg-Essen. Letztere untersuchte während des kurzen Fluges Prozesse, die bei
der Entstehung von Planetensysteme eine Rolle gespielt haben.
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