Spektrograph der Sonnensonde deaktiviert
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
29. Mai 2017
Das Sonnenobservatorium SOHO der amerikanischen
Weltraumbehörde NASA und der europäischen Raumfahrtagentur ESA hat seit 21
Jahren die Sonne im Visier. Ursprünglich sollte das Teleskop nur zwei Jahre lang
unseren Zentralstern untersuchen. Wegen des hohen Alters der Sonde wurden schon
zahlreiche Instrumente deaktiviert - jetzt der Spektrograph SUMER.
Die Sonnensonde SOHO hat die Sonne seit mehr
als 20 Jahren im Visier.
Bild: ESA/ATG medialab / Sonnenbíld: SOHO
(ESA & NASA) [Großansicht] |
Nach 21 Jahren im Weltall hat SUMER, der Spektrograph an Bord der Raumsonde
SOHO, seine letzten Messungen durchgeführt. Dabei spielten Forscher des
Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS), die das Instrument
entwickelt hatten und betreiben, noch einmal die besondere Stärke des
Sonnenspähers aus: Kein anderer Sonnenspektrograph kann die energiereiche
ultraviolette Strahlung unseres Zentralgestirns im Wellenlängenbereich um 120
Nanometer so genau analysieren. Nach den Messungen wurde SUMER nun endgültig
abgeschaltet.
Schon seit Jahren zeigt das Instrument, das wie SoHO selbst ursprünglich für
einen zweijährigen Betrieb entwickelt wurde, immer stärkere Alterserscheinungen.
SoHO, eine der dienstältesten Sonden der europäischen und amerikanischen
Weltraumagenturen im All, setzt seine Mission nun ohne SUMER fort.
"SUMER zu betreiben, war in den vergangenen Jahren immer aufwändiger geworden",
begründet SUMER-Projektleiter Dr. Werner Curdt vom MPS, der das Instrument von
der ersten Idee 1989 bis heute begleitet hat, die Entscheidung seines Teams.
Einer der Detektoren des Instrumentes war schon vor Jahren ausgefallen, der
zweite operierte am Anschlag. Zudem ließ sich der beobachtete Bereich auf der
Sonne nur noch mit manueller Hilfe abrastern. Ein reibungsloser Routinebetrieb
war wegen dieser Einschränkungen und weiterer Wehwehchen schon lange nicht mehr
möglich.
"Als SOHO 1995 den Betrieb aufnahm, war SUMER der leistungsfähigste
Sonnen-Spektrograph im All", erinnert sich Curdt. "Heute gibt es zahlreiche
Raumsonden, die aus dem Weltraum auf die Sonne blicken. Die neuen Spektrographen
sind SUMER in vielerlei Hinsicht überlegen." Allerdings nicht in jeder Hinsicht.
Das altgediente Instrument hatte noch immer ein entscheidendes
Alleinstellungsmerkmal: Die Strahlung der Hauptspektrallinie des Wasserstoffs
kann es besser untersuchen als vergleichbare Instrumente der Enkelgeneration.
Zwar können auch andere Spektrographen die Intensität dieser Strahlung messen,
sie aber nicht so exakt in ihre einzelnen Wellenlängen aufspalten. "Es handelt
sich um sehr energiereiche, ultraviolette Strahlung, die im Grenzbereich zur
Röntgenstrahlung liegt", erklärt Curdt.
Ein optisches Instrument, das diese Strahlung zerlegt und analysiert, sei
technisch noch immer schwer umzusetzen. Ein weiteres Problem: Ein Großteil der
ultravioletten Strahlung, die unser Stern ins All sendet, besteht aus genau
diesen Wellenlängen; sie ist somit sehr intensiv und kann Messinstrumente leicht
schädigen. Auch SUMER wagt sich an diesen Teil des Sonnenspektrums erst seit
2008 heran. Die Forscher fanden damals eine Möglichkeit, SUMER sozusagen im "Blinzel-Modus"
zu betreiben.
Eine Anstrengung, die sich auszahlt: Denn der energiereiche Wellenlängenbereich
birgt wertvolle Informationen über die Sonne. Mit seinem genauen Blick auf diese
Strahlung konnte bisher nur SUMER analysieren, in welcher Schicht der
Sonnenatmosphäre sie entsteht. Dies erlaubt Rückschlüsse auf den
Energietransport in der Atmosphäre der Sonne. Zudem stellt sich die Frage, ob
sich Schwankungen dieser Strahlung auf das Klima der Erde auswirken.
In seiner letzten Messkampagne hat SUMER der energiereichen Strahlung ein
letztes Mal nachgespürt. Um einen möglichst umfassenden Blick auf die
entscheidenden Vorgänge auf der Sonne zu erhalten, führten einige bodengebundene
Sonnenteleskope sowie die Weltraum-Sonnenobservatorien IRIS und Hinode
gleichzeitige Messungen durch. "Die letzten Messdaten von SUMER sind ein Schatz
für die Wissenschaft", resümiert Curdt, der sich nicht ohne Wehmut von SUMER
verabschiedet.
SOHO (Solar and Heliospheric Observatory) – und mit ihm SUMER (Solar Ultraviolet
Measurements of Emitted Radiation) – steht für eine beispielslose
Erfolgsgeschichte. Ursprünglich für einen zweijährigen Betrieb entwickelt,
blickt SOHO nun seit 21 Jahren auf die Sonne – und ist wie etwa das
Weltraumteleskop Hubble und die Pioneer- und Voyager-Sonden
eine Art Weltraum-Methusalem.
Erstmals bot SOHO eine lückenlose Überwachung unseres Zentralgestirns: das
Observatorium kreist in einer Entfernung von 1,5 Millionen Kilometern von der Erde
im Gleichtakt mit dieser um die Sonne und hält unser Zentralgestirn so
ununterbrochen im Blick. Die ursprünglich zwölf Instrumente deckten alle
Bereiche der Sonne ab – vom Kern bis zur Sonnenatmosphäre und dem Sonnenwind.
Allein auf SUMER-Daten basieren bis heute fast 1000 Artikel in referierten
Fachjournalen.
Zu den wichtigsten Ergebnissen zählen der Zusammenhang zwischen der
Sonnenstrahlung aus den Polregionen unseres Sterns und dem schnellen Sonnenwind,
der dort seinen Ursprung nimmt, sowie der Nachweis, dass die Magnetfeldbögen in
der Sonnenatmosphäre akustisch schwingen – ganz ähnlich wie Orgelpfeifen. SUMER
ist nicht das einzige Instrument, das seit einiger Zeit schwächelt. Mittlerweile
sind nur noch vier der ursprünglich zwölf Instrumente aktiv. Wie lange die Sonde
noch durchhalten wird, ist unklar. NASA und ESA haben die Mission zunächst bis
Dezember 2018 verlängert. Doch wenn alles gut geht, steht auch einem weiteren
Betrieb nichts im Wege – wenn auch ohne SUMER.
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