Deutsche Kosmonauten auf der Mir
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
17. März 2017
Vor fast genau 25 Jahren schwebte erstmals ein Deutscher als
Kosmonaut auf die russische Raumstation Mir. Im Rahmen der Mission MIR'92 hielt
sich Klaus-Dietrich Flade sechs Tag lang auf der damals einzigen bemannten
Raumstation auf. Fünf Jahre später folgte sein Kollegen Reinhold Ewald und blieb
im Rahmen von MIR'97 rund drei Wochen.
Die russische Raumstation Mir.
Foto: NASA [Großansicht] |
Fast auf den Tag genau vor 25 Jahren, am 19. März 1992, schwebte mit
Klaus-Dietrich Flade der erste Deutsche als Kosmonaut in die russische
Raumstation Mir ein. Flade ist ausgebildeter Testpilot sowie Luft- und
Raumfahrtingenieur und bleibt im Rahmen der MIR’92-Mission sechs Tage lang als
Wissenschaftskosmonaut auf dem damals einzigen Außenposten der Menschheit im
All. Reinhold Ewald, Physiker und seit 1990 deutscher Astronaut, ist bei MIR’92
Flades Ersatzmann. Ewald selbst fliegt fünf Jahre später, vom 10. Februar bis
zum 2. März 1997, mit der Mission MIR’97 zum ersten Mal als Kosmonaut auf die
russische Raumstation.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) war federführend an beiden
Missionen beteiligt: Die Projektleitung inklusive der Auswahl der
wissenschaftlichen Experimente hatte die damalige Deutsche Agentur für
Raumfahrtangelegenheiten (DARA, heute DLR Raumfahrtmanagement); der Deutschen
Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt - ab 1989 das DLR - oblag demgegenüber
die Aufgabe, die Astronauten auszuwählen und zu trainieren.
"Beide Missionen - MIR’92 und MIR’97 - legten die Basis für eine bis heute
anhaltende fruchtbare deutsch-russische Kooperation in der Raumfahrt. Sigmund
Jähn war der Pionier auf Saljut, ihm folgten Klaus-Dietrich Flade und
Reinhold Ewald auf Mir. Heute arbeiten regelmäßig deutsche Astronauten und
Wissenschaftler mit ihren russischen Kollegen auf der Internationalen
Raumstation ISS und bei vielen weiteren Raumfahrtprojekten vertrauensvoll
zusammen. Das Doppeljubiläum, das wir dieses Jahr begehen - 25 Jahre MIR’92 und
20 Jahre MIR’97 - ist deshalb für uns ein freudiger Anlass, zurückzublicken,
aber auch ein wichtiger Auftrag, um in die Zukunft zu schauen und weiter an
einer gemeinsamen und friedlichen Nutzung der Raumfahrt zu arbeiten - ganz im
Sinne der Mir, der Station für den Frieden", verdeutlicht Dr. Gerd Gruppe,
DLR-Vorstand für das Raumfahrtmanagement.
MIR’92 markiert den Beginn der bilateralen gesamtdeutsch-russischen
Kooperation im All. "Die Idee entstand bei dem Treffen zwischen dem damaligen
russischen Präsidenten Michail Gorbatschow und dem deutschen Bundeskanzler
Helmut Kohl Mitte Juli 1990 im Kaukasus, viele erinnern sich an das berühmte
Foto, bei dem Gorbatschow und Kohl auf Baumstämmen hocken und über Weltpolitik
sprechen. Beide Politiker waren der Meinung, mit einer Raumfahrt-Mission die
neuen deutsch-russischen Beziehungen eindrücklich zu unterstreichen", schildert
Klaus-Dietrich Flade den Hintergrund.
Am 8. Oktober 1990, wenige Tage nach der deutschen Wiedervereinigung, wurden
die Kosmonauten in Dresden vorgestellt. "Einen Monat später, am 12. November
1990, begann mein Training für die MIR’92-Mission. Wir haben dann in sehr kurzer
Zeit die Mission mit 14 Experimenten vorbereitet, bevor es am 17. März 1992 an
Bord einer Sojus-Trägerrakete zur MIR ging", erinnert sich der
Wissenschaftskosmonaut. Bis heute besonders lebhaft und nachdrücklich im
Gedächtnis ist Flade und seinem Crewkollegen Reinhold Ewald das persönliche
Treffen mit Gorbatschow im November 1990 auf dem Petersberg bei Bonn.
Von den 14 Experimenten der MIR’92-Mission waren fünf vom DLR bereitgestellt.
Im Fokus lagen medizinische Experimente zur Verteilung der Körperflüssigkeiten
in Schwerelosigkeit, zu Schlaf und Tag-Nacht-Rhythmus im All und psychologische
Leistungstests. Messungen zum Strahlenschutz und materialwissenschaftliche
Forschung gehörten ebenfalls dazu.
Während Klaus-Dietrich Flade seine Arbeit an Bord der Mir noch
handschriftlich dokumentieren musste, war 1997 schon ein Laptop an Bord: "Vieles
hat sich seit der MIR-Zeit positiv entwickelt. Wir haben damals automatische
Prozeduren getestet, die heute auf der ISS Standard sind. Wir konnten nur 15
Minuten pro Umlauf von der Mir zur Erde funken, genau dann, wenn wir die
russischen Bodenstationen überflogen haben. Ein Beispiel: heute werden
Datenmengen von 50 Megabit und mehr pro Sekunde nach unten geschickt. Auf der
MIR hingegen musste noch ein Teil des Sprachfrequenzspektrums im Funk
ausgeblendet werden, um uns Informationen mit 1000 Bit Übertragungsrate als Fax
zu schicken", erzählt Ewald. "In der Zeit der Mir wurden aber wichtige
Arbeitsgrundlagen geschaffen, die heute auch noch auf der ISS vom Prinzip her
angewendet werden. Wir konnten uns zudem schon kennenlernen und Vertrauen
schaffen in die jeweiligen Kompetenzen."
Ewald, heute Professor für Astronautik in Stuttgart, war vor 20 Jahren 16
Tage an Bord der Mir, zwölf der insgesamt 36 Experimente wurden vom DLR
beigestellt. Der Schwerpunkt lag auch hier auf der Humanmedizin, also der
Auswirkung der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper.
Und trotz eines Feuers an Bord der Station brachte Ewald ein überraschendes
Ergebnis, das bis heute weiter erforscht wird, zur Erde zurück: Er war der erste
Raumfahrer, bei dem durch kontrollierte Messungen über 20 Tage gezeigt werden
konnte, dass sein Körper in der Schwerelosigkeit verhältnismäßig mehr Salz als
Wasser eingelagert hatte. Bis dahin war man davon ausgegangen, dass die
Salz-Wasser-Speicherung proportional erfolgt. Später wurde entdeckt, dass dieses
überschüssige Salz direkt unter der Haut gespeichert wird.
Diese Erkenntnisse flossen auch in Forschungen zum Knochenstoffwechsel und
Knochenabbau sowie in das Verständnis der Immunreaktion in Schwerelosigkeit ein.
Heute weiß man: Ein hoher Salzkonsum beschleunigt den Knochenabbau - auf der
Erde wie im All.
|