Übermüdet im All und anderswo
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
4. Januar 2017
Schlafmangel ist ein alltägliches Problem, das alltägliche
Risiken verstärkt: Wahrnehmung und Reaktionsvermögen sind eingeschränkt, das
Konzentrationsvermögen lässt ebenfalls nach. In einer Langzeitstudie gehen
Wissenschaftlerinnen des DLR den medizinischen Ursachen dieser Phänomene auf den
Grund, die auch für Raumfahrtmissionen von Bedeutung sind.
Messung der Gehirnströme: Im Verlauf der
Studie wird eine Vielzahl von Untersuchungen
durchgeführt, um die kognitiven Fähigkeiten zu
messen, die Qualität des Schlafes zu bestimmen
und die Aktivität des Gehirns zu dokumentieren.
Foto: DLR [Großansicht] |
Übermüdete Verkehrsteilnehmer stellen ein Risiko dar, ganz gleich, ob es sich
um die Fahrer von LKW und PKW, Piloten oder Astronauten handelt. Neben dem
Unfallrisiko besteht auch eine erhöhte Anfälligkeit für Stoffwechselerkrankungen
und verminderte Insulinsensibilität. Studien über das Schlafverhalten von
Astronauten auf der ISS belegen, dass die effektive Schlafperiode trotz einer
Bettruhe von achteinhalb Stunden lediglich zwischen fünf und sechs Stunden
liegt.
Kürzere Schlafzeiten sowie eine niedrige Schlafqualität werden mit
Leistungsabfall, einem vermehrten Schlafbedürfnis, einem erhöhten subjektiven
Stressempfinden und mit körperlicher Erschöpfung in Verbindung gebracht. Der
Schlafmangel wird also deutlich wahrgenommen und kann auch der Grund für die
Einnahme von Medikamenten sein.
So wie im Weltall ist der chronische Schlafmangel auch ein irdisches Thema.
Auf der Erde versucht man oft den Schlafmangel, der sich unter der Woche
ansammelt, am Wochenende zu kompensieren, was allerdings nur bedingt effektiv
ist. Der Rhythmus von Wach- und Schlafphasen ist abhängig von der Tageszeit
(zirkadianer Prozess) und dem Schlafdruck (homöostatischer Prozess), also der
Müdigkeit.
Während der Schlafphase sind Dauer und Qualität des Schlafes von Bedeutung.
Wie gut oder schlecht ein Mensch auf Schlafmangel reagiert, ist individuell
unterschiedlich. Bezüglich individueller Unterschiede scheint der Botenstoff
Adenosin ein wichtiger Einflussfaktor zu sein, der im Rahmen der "SomnoSafe"-Studie
des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin genauer untersucht werden soll.
Das Ziel der Studie ist die Erforschung des Zusammenhangs der
Adenosinrezeptor-Dichte und Störungen des Schlafs sowie der kognitiven Leistung
aufgrund von Schlafmangel und dem "Nachholen" von Schlaf. Um den Beginn eines
Leistungsabfalles in frühen Stadien festzustellen, werden zusätzlich sogenannte
Ermüdungsbiomarker bezüglich ihrer Vorhersagekraft überprüft.
Die 36 Probanden verbringen je elf Tage und Nächte im Schlaflabor der
Forschungsanlage :envihab. In den ersten drei Nächten sollen die Probanden acht
Stunden schlafen. Danach erfolgt die Aufteilung in zwei Gruppen à 18 Personen.
Während die erste Gruppe fünf Nächte lang wiederum acht Stunden schlafen kann,
wird die Nachtruhe der zweiten Gruppe in diesem Zeitraum auf fünf Stunden
reduziert. Anschließend folgt für beide Gruppen eine Nacht mit acht Stunden
Schlaf. Darauf folgt für alle eine Phase von 38 Stunden ohne jeglichen Schlaf
und abschließend eine Nacht mit zehn Stunden Ruhe.
Im Verlauf der Studie wird eine Vielzahl von Untersuchungen durchgeführt, um
die kognitiven Fähigkeiten zu messen, die Qualität des Schlafes zu bestimmen und
die Aktivität des Gehirns zu dokumentieren. Zusätzlich wird die
Stoffwechselfunktion mittels eines Tests zur Bestimmung des Blutzuckerspiegels
überprüft. Die erste Phase der SomnoSafe-Studie ist abgeschlossen, weitere
Phasen folgen bis Februar 2017.
Die Ergebnisse der Studie fließen dabei nicht nur in die Raumfahrtmedizin
ein, sondern dienen auch dem Erkennen und Vermeiden von irdischen Risiken, die
durch Schlafmangel verursacht werden.
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