Eis in ewiger Dunkelheit
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
20. Dezember 2016
Mithilfe der Kameras an Bord der NASA-Sonde Dawn
ist es Astronomen gelungen, Wassereis in der nördlichen Polarregion von Ceres
nachzuweisen. Hier finden sich mehrere Krater, die teilweise in ewiger
Dunkelheit liegen. Die Forscher vermuten, dass das dortige Eis nicht durch den
Einschlag von Kometen auf den Zwergplaneten gelangt ist, sondern seinen Ursprung
auf Ceres hat.
Eine Darstellung von Ceres' nördlicher
Polregion; die Farben zeigen die
Höhenverhältnisse in der Landschaft. Zehn Krater
sind beziffert, dort haben die Framing Cameras
aus Göttingen Wassereis entdeckt.
Bild: Thomas Platz et al.:, Nature Astronomy,
1, 15. Dezember 2016 [Großansicht] |
Zwischen Mars und Jupiter umkreist seit März 2015 die US-amerikanischen
Raumsonde Dawn den Asteroiden Ceres. Mit ihren Framing Cameras
vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen hat die
Sonde den Zwergplaneten dabei ins Visier genommen; dank der beiden identischen
Bordkameras ist er inzwischen praktisch vollständig kartiert. In einer aktuellen
Studie berichtet ein Team geleitet von Wissenschaftlern des MPS über Ceres'
hohen Norden. Dort haben die Göttinger Kameras ein besonderes Kunststück
vollbracht: An Stellen nahezu ewiger Dunkelheit konnten sie Ablagerungen aus
gefrorenem Wasser ablichten.
"Wir haben mit unseren Kameras die Krater in
der Nordpolarregion angeschaut, und zwar zwischen 65 und 90 Grad nördlicher
Breite", erläutert Thomas Platz vom MPS. "Manche dieser Krater liegen zumindest
teilweise in ewiger Dunkelheit. Das heißt sie werden nicht von der Sonne
beschienen. Der Grund dafür ist die Neigung der Drehachse von Ceres, die nur
4,028 Grad beträgt." Platz ist Mitglied des Framing-Camera-Teams am
MPS.
Durch diese geringe Achsenneigung steigt die Sonne am Himmel in Ceres'
Polargebieten nie weit über den Horizont. Hindernisse, beispielsweise
Kraterwälle, werfen deshalb dort lange Schatten; beträchtliche Areale des
Polgebietes sind sogar in dauerhafte Nacht gehüllt. Diese Stellen werden zwar
nie direkt von der Sonne beschienen, geringe Mengen Streulicht fallen jedoch
trotzdem dorthin, beispielsweise reflektiert von direkt beleuchteten
Kraterwällen in der Nähe. Dieses schwache Licht kann die Kamera nutzen und in
die Dunkelheit spähen. Dabei ist sie auf mehrere helle Ablagerungen gestoßen –
gefrorenes Wasser.
Die Fahndung nach den Eisablagerungen ähnelt einer Fleißarbeit: Von den 634
identifizierten Kratern mit permanenten Dunkelgebieten, wurden auf den Bildern
der Framing Cameras zehn Krater gefunden, die auffällig helle Stellen
in ihrem Innern zeigen. Ein namenloser verhältnismäßig junger Krater, Nummer 2
genannt, spielt dabei eine besondere Rolle. Er liegt auf 69,9 Grad nördlicher
Breite und hat einen Durchmesser von 3,8 Kilometern. Dort reichen die hellen
Ablagerungen über das permanente Dunkel hinaus, bis in den Bereich, in den
manchmal auch direktes Sonnenlicht hinfällt.
"Das eröffnet die Möglichkeit, das von dort reflektierte Licht mit dem
Visible and IR Spectrometer der italienischen Raumfahrtbehörde zu
analysieren", erklärt der Leiter des Framing-Camera-Experiments am MPS
Andreas Nathues. "Wir sehen dort die spektrale Signatur von Wassereis, andere
gefrorene Gase konnten hingegen nicht gefunden werden." Die Wissenschaftler
gehen davon aus, dass auch die anderen hellen Ablagerungen überwiegend aus
gefrorenem Wasser bestehen.
Ceres steht wegen ihrer geringen Dichte bereits länger unter Verdacht, viel
Wasser in ihrem Innern zu enthalten. Nun wurde zum zweiten Mal gefrorenes Wasser
direkt auf der Oberfläche aufgespürt. Die aktuellen Resultate reihen sich in
Messungen des Herschel-Teleskops der europäischen Weltraumbehörde ESA
ein, das im Jahr 2014 Wasserdampf in der Nähe von Ceres gemessen hat. Zudem
konnten im Dezember 2015 Göttinger Max-Planck-Forscher mit den Framing
Cameras Dunst über zwei Äquator-näheren Kratern messen, ebenfalls ein
Hinweis auf dampfförmiges Wasser.
Eisvorkommen auf Ceres sind an Stellen
der Oberfläche, die direkter Sonnenstrahlung ausgesetzt sind, über lange
geologische Zeiträume instabil. Denn auf dem atmosphärenlosen Zwergplaneten
sublimiert das Eis im Laufe relativ kurzer Zeit, sobald es an die Oberfläche
gelangt. Es geht also übergangslos vom eis- in den gasförmigen Zustand über. An
permanent dunklen, und damit extrem kalten Stellen, wo die Temperaturen minus
163 Grad Celsius unterschreiten, kann Eis hingegen über geologische Zeiträume
überdauern.
"Eisvorkommen sind von den Polgebieten unseres Mondes und des Planeten Merkur
bekannt, beide Körper sind ebenfalls atmosphärenlos. Diese Eisablagerungen
werden durch externe Einflüsse erklärt, beispielsweise durch Einschläge
eishaltiger Körper wie Kometen", so Nathues. "Auf Ceres hingegen ist das Eis in
den polnahen Kratern wahrscheinlich einheimisch, das heißt, es stammt
ursprünglich überwiegend von Ceres selbst", stellt Platz klar. Wie Co-Autoren
der Studie von der Freien Universität Berlin mit einer Simulationsrechnung
belegten, könnte zum Beispiel der Einschlag, der einst den Krater Oxo schuf,
eishaltiges Bodenmaterial, das unterhalb der Oberfläche existiert, frei
gesprengt und bis in die Polregion geschleudert haben.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel in
Nature Astronomy.
|