Studierendenrakete mit neuem Höhenrekord
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
9. November 2016
Die Experimentalrakete HEROS3, die von einem
Studierendenteam im Rahmen des Programms STERN des Deutschen Zentrums für Luft-
und Raumfahrt entwickelt worden war, hat bei ihrem gestrigen Flug einen neuen
Höhenrekord unter studentischen Raketen aufgestellt. Die Rakete, die von Esrange
in Schweden aus gestartet wurde, erreichte eine Höhe von rund 30 Kilometern.
Am 8. November 2016 um 10:30 Uhr ist die
HEROS3-Rakete des Studententeams aus Stuttgart
erfolgreich gestartet.
Foto: Ferdinand Hertel [Großansicht] |
Die Erleichterung und Freude war groß: Am 8. November 2016 ist um 10:30 Uhr
MEZ die Experimentalrakete HEROS3 (Hybrid Experimental Rocket Stuttgart) vom
schwedischen Raumfahrtzentrum Esrange erfolgreich gestartet und stellte - mit
rund 30 Kilometern Höhe - einen neuen europäischen Höhenrekord unter
studentischen Raketen auf. Der bisherige Rekord war im vergangenen Jahr von
einer Studenten-Rakete der Universität Delft mit einer Maximalhöhe von 21
Kilometern aufgestellt worden.
Bereits am 31. Oktober war die Experimentalrakete HEROS2 gestartet - aufgrund
eines technischen Problems mit der Elektronik konnten jedoch keine Flugdaten
übermittelt werden. Das Studententeam HyEnD der Universität Stuttgart hat die
HEROS-Raketen im Rahmen des Programms STERN (Studentische Experimental Raketen)
des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) selbst entworfen, gebaut
und gestartet.
"Wir freuen uns umso mehr über den gelungenen Raketenstart von HEROS3 und
darüber, dass sich die umfangreichen Vorbereitungen und Verbesserungen der
HEROS-Rakete doch gelohnt haben", berichtet Konstantin Tomilin vom HyEnD-Team
erleichtert. Der vom Team aus Stuttgart konstruierte Hybrid-Raketenmotor
entwickelte einen Schub, der die rund acht Meter lange und beim Start etwa 160
Kilogramm schwere Rakete auf fast dreifache Schallgeschwindigkeit beschleunigte.
Die Treibstoffkombination bestand aus Lachgas und Wachs.
Mithilfe des an Bord befindlichen Telemetrie-Systems konnten sowohl die
wichtigsten Flugdaten als auch die aktuelle Position der Rakete während des
Fluges zur Erde übertragen werden. Nach der Landung an dem großen
Hauptfallschirm wurde die Rakete per Hubschrauber geborgen, zurück zum
Startzentrum Esrange gebracht und dort dem Team übergeben. Dieses wird nun
weitere Untersuchungen an dem Triebwerk und der Raketenstruktur durchführen und
die Datenspeicher an Bord auswerten.
"Wie schwierig es ist, ein derart komplexes System erfolgreich zu fliegen,
hat sich bereits bei der ersten STERN-Flugkampagne im Oktober 2015 gezeigt, als
es bei der HEROS1-Rakete zu einem technischen Problem mit dem Triebwerk kam,
sodass sie lediglich eine Flughöhe von zwei Kilometern erreichte", erklärt
Karsten Lappöhn, STERN-Programmleiter im DLR Raumfahrtmanagement, und ergänzt:
"Das vergangene Jahr hat das Team für ausführliche Fehleranalysen,
Triebwerkstests und Verbesserungen an der Rakete genutzt: Die Studierenden
verstärkten unter anderem die Wärmeisolierung der Brennkammer und bauten
zusätzliche Temperatur- und Drucksensoren in die Rakete ein."
So wurde der so genannte Vorfallschirm durch einen Überschallfallschirm
ersetzt, der die Rakete zunächst abbremst, bevor diese am Hauptfallschirm zu
Boden sinkt. An der Startanlage wurden HEROS2 und HEROS3 komplett mit einer Box
aus Styropor umschlossen, um sie vor der niedrigen Außentemperatur zu schützen.
Zusätzlich kamen temperaturgesteuerte Heizlüfter am Boden zum Einsatz. Ungefähr
acht Monate benötigte das Stuttgarter Studententeam für Fehleranalyse,
Designänderungen und Bau der beiden identischen Raketen.
"Mittlerweile haben wir die Flugdaten, die zeigen, dass der Start
funktioniert hat", sagt Paula Kysela, eine der Verantwortlichen für das
elektronische System des HyEnD-Teams. Nach dem Start von HEROS2 mit den
fehlenden Telemetriedaten war es zunächst fraglich, ob HEROS3 überhaupt starten
kann. Fünf Tage arbeitete das Team hart daran, um den Fehler und eine Lösung zu
finden. "Ein Stecker, der beim Abheben der Rakete herausgezogen wird, hat
wahrscheinlich einen elektrischen Impuls ausgelöst", erläutert
DLR-Programmleiter Lappöhn. "Dieses verursachte ein Abschalten des Bordcomputers
und des Telemetrie-Systems, das die Flugdaten zur Erde funkt."
Bei der dritten STERN-Kampagne durchliefen die Studierenden wie bei einer
realen Raumfahrtmission sämtliche Prozesse: Sie untersuchten die übrig
gebliebenen Raketenteile, werteten die verfügbaren Daten aus und führten
Triebwerkstests durch, um die Startsituation nachzustellen und
Verbesserungsmöglichkeiten für die Rakete zu finden.
Ziel des Studenten-Programms ist es, den Teilnehmern bereits während des
Studiums erste Erfahrungen mit einem "echten" Raumfahrtprojekt zu ermöglichen.
Beim Start auf Esrange gelten die gleichen Sicherheitsbestimmungen wie bei
professionellen Höhenforschungsraketen. Innerhalb von drei Jahren entwerfen,
bauen und starten die Studenten eine eigene Rakete, führen sämtliche Tests durch
und durchlaufen fünf Reviews.
Bei einem Review werden alle kritischen Systeme überprüft. Dazu zählen etwa
das Triebwerk, der Tank und das Funksystem. Begleitet wurden die STERN-Studenten
dabei von den Experten der Mobilen Raketenbasis (MORABA) des DLR und vom
Institut für Raumfahrtantriebe am DLR-Standort in Lampoldshausen. Technische
Mindestanforderungen sind, dass die Rakete eine Flughöhe von mindestens drei
Kilometern sowie Schallgeschwindigkeit erreicht und über ein Bergungssystem
verfügt.
Zusätzlich wird eine Telemetrie-Einheit als Nutzlast benötigt, die während
des Fluges wichtige Daten wie Beschleunigung, Flughöhe und Geschwindigkeit zur
Erde sendet. Die Teilnehmer können selbst entscheiden, ob sie den Antrieb
eigenständig entwickeln oder einen kommerziellen Raketenmotor verwenden. Zu dem
Ingenieurswissen und dem technischen Verständnis ist auch der
Erfahrungsaustausch zwischen den Teams wichtig. Das Programm wird vom DLR
Raumfahrmanagement mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft- und
Energie (BMWi) umgesetzt.
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