Gewaltige Halos um entfernte Quasare
von Stefan Deiters astronews.com
27. Oktober 2016
Mithilfe des Very Large Telescope haben Astronomen
festgestellt, dass gewaltige leuchtende Wolken aus Gas um entfernte Quasare
deutlich häufiger sind, als man bislang angenommen hatte. Auch die Eigenschaften
dieser sogenannten Halos haben die Forscher überrascht: Die neuen Beobachtungen
passen schwer zu den aktuellen Theorien über die Entstehung von Galaxien im
jungen Universum.
9 der 19 mit MUSE am Very Large Telescope
beobachteten Quasare.
Bild: ESO/Borisova et al. [Gesamtansicht] |
Mit dem Instrument MUSE am Very Large Telescope der europäischen
Südsternwarte ESO hat ein internationales Astronomenteam jetzt das Gas in der
Umgebung von entfernten aktiven Galaxien untersucht. Diese sogenannten Quasare
sind so weit von uns entfernt, dass wir sie in einem Entwicklungszustand sehen, der
dem weniger als zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall entspricht.
Bei Quasaren handelt es sich um Systeme, in deren Zentrum sich ein
supermassereiches Schwarzes Loch befindet, das gerade mit hoher Rate Material
verschlingt. Dieses Material aber heizt sich, bevor es auf Nimmerwiedersehen in
dem Schwarzen Loch verschwindet, auf extrem hohe Temperaturen auf, so dass die
unmittelbare Umgebung des Schwarzen Lochs extrem hell ist. Quasare gehören daher zu den
leuchtkräftigsten Objekten im Universum.
Bei früheren Studien hatte man etwa um zehn Prozent der Quasare gewaltige
Halos aus Gas entdeckt, die sich bis zu 300.000 Lichtjahre vom Zentrum des
Quasars entfernt ins All erstrecken. Für die jetzt vorgestellte Untersuchung
wurden 19 Quasare aus den hellsten mit MUSE beobachtbaren Quasaren ausgewählt.
Nach der bisherigen Quote hätten davon zwei über ausgedehnte Halos verfügen
müssen, entdeckt wurden solche Halos allerdings um alle 19 Quasare. Dies könnte
mit der deutlich höheren Empfindlichkeit von MUSE im Vergleich zu früheren
Instrumenten zu tun haben, doch sind weitere Beobachtungen nötig, um sich da
ganz sicher zu sein.
"Es ist noch zu früh, um sagen zu können, dass unsere neue
Beobachtungstechnik der Grund dafür ist, oder ob es irgendwelche Besonderheiten
in Bezug auf die Quasare in unserer Stichprobe gibt", so Elena Borisova von der
ETH Zürich. "Wir können also noch viel lernen; wir sind noch ganz am Anfang
einer neuen Ära von Entdeckungen".
Eigentlich hatten sich die Astronomen bei ihrer Studie gar nicht so sehr für
die Halos von Quasaren interessiert, sondern wollten das großräumige kosmische
Netzwerk aus Gas untersuchen, in dem die Quasare die hellen Knotenpunkte
darstellen. Schwer erkennbare Filamente aus Gas verbinden dabei die einzelnen
Galaxien. Das dadurch entstehende Netz ist die ausgedehnteste Struktur im
Universum. Die Entdeckung der hellen Halos um 19 Quasare bietet nun eine gute
Gelegenheit, um das Gas dieses Netzwerks genauer zu untersuchen.
Die Untersuchung der 19 Quasare lieferte auch eine weitere Überraschung: Das
Gas in den Halos ist offenbar mit nur rund 10.000 Grad Celsius sehr viel kälter,
als man das aus den Theorien über die Struktur und Entstehung von Galaxien erwarten würde.
Diese sagen nämlich Gastemperaturen von über einer Million Grad voraus.
"Wir haben für unsere Beobachtungen die besonderen Fähigkeiten von MUSE
vollständig ausnutzen können, und damit den Weg für zukünftige Durchmusterungen
geebnet", so Sebastiano Cantalupo von der ETH Zürich. "Zusammen mit einer neuen
Generation an theoretischen und numerischen Modellen wird dieser Ansatz auch in
Zukunft Einblicke in die Entstehung kosmischer Strukturen und Entwicklung von
Galaxien bieten."
Bei MUSE handelt es sich um einen leistungsfähigen Feldspektrografen, mit dem
man sowohl Bilder gewinnen, als auch Spektren aufnehmen kann. Große
astronomische Objekte lassen sich damit in ihrer Gesamtheit beobachten.
Gleichzeitig kann für jedes Pixel die Lichtintensität als Funktion der
Wellenlänge gemessen werden.
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift The Astrophysical Journal erscheinen wird.
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