Das Innere von Gasriesen und Sternen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Kiel astronews.com
17. Oktober 2016
Im Inneren von Gasplaneten und Sternen dürfte Materie in
einer Form existieren, die man auf der Erde nur künstlich im Labor erzeugen und
auch nur sehr schwer theoretisch untersuchen kann. Allerdings spielt diese
Materie für unser Verständnis einer ganzen Reihe von Vorgängen eine
entscheidende Rolle - und dies nicht nur in der Astrophysik. Jetzt haben
Forscher einen Weg für genaue Simulationen gefunden.
Der Gasriese Jupiter in einer Aufnahme der
Saturnsonde Cassini. Im Inneren des Planeten
dürfte es Materiezustände geben, die man auf der
Erde nur aufwändig im Labor erzeugen kann. Bild:
NASA / JPL / Space Science Institute [Großansicht] |
Auf der Erde kommt dieser Zustand auf natürliche Weise gar nicht vor, dennoch
ist er in der Plasmaphysik und der Materialwissenschaft aktuell ein "heißes
Thema": warme dichte Materie. Seine besonderen Eigenschaften machen es extrem
schwierig, den Materiezustand experimentell oder mit theoretischen Modellen zu
untersuchen. Ein Forscherteam der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU)
hat jetzt zusammen mit Kollegen vom Los Alamos National Laboratory in
den USA und dem Imperial College London einen Weg gefunden, genaue
Simulationen der warmen dichten Materie vorzunehmen. Sie könnten in Zukunft
dabei helfen, zentrale Fragen der Astrophysik zu beantworten oder wichtige
Erkenntnisse für neue Verfahren der Energiegewinnung zu gewinnen.
Tausendmal dichter als gewöhnliche Festkörper und zehntausendmal wärmer als die
Raumtemperatur – die warme dichte Materie unterscheidet sich komplett von den
auf der Erde vorkommenden festen, flüssigen oder gasförmigen Aggregatzuständen
oder von Plasmen. Während sie im Kern von Riesenplaneten oder in
Sternatmosphären in natürlicher Form existiert, kann sie auf der Erde nur
künstlich im Labor über Kompression durch intensive Laserstrahlung hergestellt
werden.
Unter diesen extremen Bedingungen besteht ein komplizierter Zusammenhang
zwischen Temperatur- und Quanteneffekten sowie zu der elektrischen
Wechselwirkung der geladenen Teilchen. Dies macht die Simulation dieses
Materiezustandes besonders aufwändig und die Untersuchung seiner physikalischen
Eigenschaften zu einer großen Herausforderung.
"Wenn wir mehr über die warme dichte Materie wissen, hilft uns das bei der
Klärung von fundamentalen Fragen der Astrophysik – zum Beispiel bei der
Bestimmung des Alters von Sternen, ihrer chemischen Zusammensetzung oder ihrer
Wärmeleitfähigkeit", sagt Michael Bonitz, Professor für Theoretische Physik an
der CAU und Leiter des Forschungsteams. Außerdem seien genaue Informationen über
die warme dichte Materie entscheidend für künftige technische Anwendungen, wie
etwa die Energiegewinnung durch die sogenannte Trägheitsfusion.
Theoretische Modelle, die bisher in der Forschung genutzt wurden, um warme
dichte Materie zu beschreiben, lieferten nur unsichere Ergebnisse.
Computersimulationen erwiesen sich als so aufwändig, dass sie nur für sehr
kleine Systeme aus sehr wenigen Teilchen praktikabel waren. Die Kieler
Wissenschaftler wählten einen anderen Ansatz und entwickelten stattdessen zwei
einzelne, sich ergänzende Simulationstechniken, mit denen sie sehr viel genauer
Daten berechnen können.
In einem zweiten Schritt entdeckten sie jetzt eine Lösung, die es ihnen
ermöglicht, die Simulationsergebnisse für kleine Systeme sehr genau auf beliebig
große Systeme zu übertragen, wodurch erstmals ein direkter Vergleich mit
realistischen experimentellen Systemen möglich wird. Die dafür benötigten,
aufwändigen Berechnungen erforderten den Einsatz von Supercomputern mit
besonders hoher Rechenleistung.
"Wenn man alle diese Rechnungen nacheinander auf nur einem Rechner vornehmen
würde, müsste dieser 200 Jahre am Stück arbeiten", so Bonitz. Mit ihren neuen
Erkenntnissen liegen nun zum ersten Mal exakte Daten für die thermodynamischen
Eigenschaften der Elektronen in warmer dichter Materie vor. Laut Bonitz "ein
entscheidender Beitrag für zukünftige Forschungen über warme dichte Materie".
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der in
der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Physical Review Letters erschienen ist.
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