Lander trennt sich von Orbiter
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
14. Oktober 2016
Es wird spannend: Am kommenden Mittwoch soll das Landemodul
Schiaparelli der europäisch-russischen Mission ExoMars auf dem
Roten Planeten landen. Am Wochenende muss sich dazu der Lander vom Trace Gas
Orbiter trennen, mit dem er bislang gemeinsam unterwegs war. Ob die Landung
dann gelingt, entscheidet sich in sechs spannenden Minuten.

Am Sonntag soll sich das Landemodul
Schiaparelli vom Trace Gas Orbiter trennen.
Bild: ESA [Großansicht] |
Seit dem 14. März 2016 flogen der Trace Gas Orbiter (TGO) und der
Lander Schiaparelli für die ESA-Mission ExoMars gemeinsam in
Richtung Mars - nun, am 16. Oktober 2016, beginnt für den Lander der
ereignisreiche Weg zur Marsoberfläche, während der Orbiter in eine Umlaufbahn um
den Mars gesteuert wird: Um 16.42 Uhr MESZ wird Schiaparelli mit einer
Relativgeschwindigkeit von 30 Zentimetern in der Sekunde ins All gestoßen.
Drei Tage später, am 19. Oktober 2016, wird der Lander dann in die
Marsatmosphäre eintreten - mit einer Geschwindigkeit von 21.000 Kilometern in
der Stunde. In diesem Moment werden für Dr. Ali Gülhan vom Deutschen Zentrum für
Luft- und Raumfahrt (DLR) wohl die aufregendsten fünf Minuten seiner
wissenschaftlichen Arbeit beginnen: An der Oberseite der Landekapsel wird sein
Experiment COMARS+ (Combined Aerothermal and Radiometer Sensors Instrument
Package) während der Landung durch die staubige Atmosphäre Druck, Temperatur und
Wärmefluss messen. Die Landestelle in der Region Meridiani Planum wurde mit
dreidimensionalen Geländemodellen ausgewählt, die die DLR-Planetenforscher
erstellten.
Heiß und wohl auch etwas ruppig wird der Abstieg, den der Lander noch vor
sich hat: Innerhalb von knapp sechs Minuten soll Schiaparelli von 21.000 auf
rund zehn Kilometern in der Stunde abgebremst werden und dabei möglichst lange
durch eine zweiteilige Kapsel vor der Hitzeentwicklung geschützt werden. Zehn
Kilometer wird er an einem Fallschirm nach unten sinken, dann - nach dem
Abtrennen von Fallschirm und Schutzschild - 29 Sekunden lang mit Bremsraketen
entschleunigen und die letzten beiden Meter auf die Marsoberfläche fallen.
"Wie sich dabei die Hitze auf der Rückseite der Landekapsel entwickelt - das
hat bisher noch niemand im Flug detailliert gemessen", erläutert DLR-Ingenieur
Gülhan. Drei kombinierte Sensoren und ein Radiometer werden an der Oberfläche
messen, wie groß die aerothermalen Lasten sind, die ein Hitzeschild aushalten
muss. "Da man diese Daten noch nicht kennt, sind die Kapseln aus
Sicherheitsgründen immer mit dickem und kostenintensivem Schutzmaterial gebaut.
Wäre die genaue Belastung bekannt, könnte man bei zukünftigen Missionen an
Gewicht beim Hitzeschutz sparen und dadurch mehr wissenschaftliche Instrumente
einplanen."
Auch die Atmosphäre rund um die Landekapsel kann mit den gewonnenen Messdaten
des DLR sowie Druckdaten auf der Frontseite rekonstruiert werden. "Zurzeit gibt
es starken Wind und viel Staub auf dem Mars, und die Staubpartikel werden mit
hoher Geschwindigkeit auf den Hitzeschutz prasseln." Dass das einen Effekt haben
wird, ist klar - aber wie sich Wind und Staubpartikel beim Eintritt in die
Atmosphäre genau auswirken, ist bisher nicht ausreichend erforscht.
Für die Messungen während des Fluges muss das COMARS+-Instrument einiges
aushalten: "Die Herausforderungen waren groß: Die Elektronikbox und die
empfindlichen Sensoren müssen die Kälte während der Reise zum Mars, aber auch
die Hitze während der Landung aushalten", betont Gülhan, der Abteilungsleiter
für Über- und Hyperschalltechnologien am DLR-Institut für Aerodynamik und
Strömungstechnik ist.
Doch bevor die Sensoren von COMARS+ messen können, wie die aufgeheizten
Gasmoleküle um die Landekapsel mit ihrem Durchmesser von 2,40 Meter strömen,
muss die Abtrennung des Landers vom Orbiter funktionieren. Sollte das zuvor
hochgeladene Kommando nicht autonom erfolgen, wird automatisch 32 Stunden, am
17. Oktober 2016, ein erneuter Versuch durchgeführt. Um Energie zu sparen, wird
Schiaparelli während der dreitägigen Reise zum Mars nicht eingeschaltet
sein - er wird 75 Minuten vor dem Eintritt in die Marsatmosphäre aufwachen.
Die Landung mit Landedemonstrator Schiaparelli - oder auch dem EDL,
dem "Entry, Descent and Landing Demonstrator" - in 175 Millionen Kilometern
Entfernung von der Erde ist eine Art Generalprobe für zukünftige Missionen. Auf
dem Lander selbst sitzen neben COMARS+ noch vier weitere Instrumente, die unter
anderem wie eine Art Wetterstation auf dem Mars Windgeschwindigkeit,
Feuchtigkeit, Druck, Strahlung oder auch Temperatur messen. Die Kamera DECA wird
während des Abstiegs 15 Fotos im Abstand von jeweils 1,5 Sekunden aufnehmen.
Insgesamt soll mit der Energie, die nach der Landung noch zur Verfügung steht,
einige Tage lang gemessen und Daten zur Erde übermittelt werden.
Landen wird Schiaparelli in der Ebene Meridiani Planum. Eine Region,
die vor allem eines ist: großflächig flach ohne Hindernisse, denn der Lander
könnte diesen bei seinem Fall auf die Marsoberfläche nicht ausweichen. "Dort auf
dem Mars haben wir über mehrere Quadratkilometer eine ebene Region", sagt
DLR-Planetenforscher Prof. Ralf Jaumann, dessen Mitarbeiter Ernst Hauber auch
die Daten der Stereokamera CaSSIS (Colour and Stereo Surface Imaging System) auf
dem TGO-Orbiter mit auswerten wird.
Außerdem befindet sich die Landestelle nahe eines Gebietes, in dem der
NASA-Rover Opportunity eine besondere Art von Hämatit, also Eisenoxid, entdeckt
hat. "Diese Form des Eisenoxids bildet sich eigentlich nur in stehenden
Gewässern - in der Meridiani Planum könnte es in der Vergangenheit also einmal
größere Wassermengen gegeben haben."
Die wissenschaftliche Arbeit mit den vier Instrumenten auf dem Trace Gas
Orbiter fängt hingegen erst im Dezember 2017 an, wenn die Sonde vorsichtig
und Schritt für Schritt abgebremst und in einen Orbit in 400 Kilometern
Entfernung vom Mars gebracht wurde. Dann soll die Sonde eine Bestandsaufnahme
machen, welche Spurengase in der Marsatmosphäre zu finden sind.
Vor allem soll nach Methan gesucht werden, denn dieses Gas entsteht neben
vulkanischer Aktivität auch durch biologische Prozesse und könnte ein Nachweis
für Organismen auf dem Mars sein. Stellt der Orbiter Methan fest, soll
beispielsweise mit der CaSSIS-Kamera die entsprechende Region aufgenommen
werden. "Auf den hochauflösenden Bildern können wir dann analysieren, welche
Quelle das Methan haben könnte", erläutert Jaumann.
Von der Landung Schiaparellis am kommenden Mittwoch wird
astronews.com direkt aus dem europäischen Raumfahrtkontrollzentrum ESOC in
Darmstadt berichten.
Update (17. Oktober 2016): Das Modul Schiaparelli
hat sich gestern wie vorgesehen vom Trace Gas Orbiter getrennt und
befindet sich nun allein auf dem Weg zur Marslandung am Mittwoch.
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