Himmlisches Auge des Horus
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
26. Juli 2016
Ein internationales Forscherteam hat ein doppeltes
Gravitationslinsensystem entdeckt, bei dem zwei weit entfernte Galaxien
gleichzeitig durch eine Vordergrundgalaxie abgebildet werden. Der Fund gelang
praktisch im Klassenzimmer während einer Sommerschule. Ausgewertet wurden dabei
Daten des japanische Subaru-Teleskops.
Das "Auge des Horus" in einer
Falschfarbenaufnahme. Die zwei Bögen bzw. Ringe
haben unterschiedliche Farben und sind die
"gelinsten" Abbildungen zweier
Hintergrundgalaxien.
Bild: NAOJ [Großansicht] |
Licht aus einer weit entfernten Galaxie kann durch die Gravitationskraft einer
Vordergrundgalaxie stark abgelenkt und "gebogen" werden. Dieser Effekt wird als
"starker Gravitationslinseneffekt" bezeichnet. Normalerweise wird eine einzelne
Hintergrundgalaxie abgebildet. Die gleiche Vordergrundgalaxie kann allerdings im
Prinzip gleichzeitig auch mehrere Hintergrundgalaxien abbilden.
Selbst wenn diese Ereignisse extrem selten auftreten, bietet ein derartiges
Linsensystem die einzigartige Gelegenheit, grundlegende Physik der Galaxien zu
studieren und unser Verständnis der Kosmologie zu erweitern. Ein solches
Linsensystem wurde nun vor kurzem entdeckt und zwar nicht im Büro eines
Astronomen, sondern im Klassenzimmer. Es wurde "Auge des Horus" genannt und
könnte helfen, die Geschichte des Universums besser zu verstehen.
Jedes Jahr organisiert das Subaru-Teleskop eine Sommerschule für
Studenten, wie zuletzt im September 2015 am Hauptsitz des National
Astronomical Observatory of Japan (NAOJ) in Mitaka. Als Teil des
Strategic Subaru Programme führt Subaru derzeit eine umfangreiche
Durchmusterung eines großen Himmelsbereiches mit der Hyper Suprime-Cam-Kamera
(HSC) in einer nie dagewesenen Tiefe durch.
Eine Gruppe von Astronomen und jungen Studenten analysierte einige dieser Daten
im Rahmen der Schule und entdeckte darin das außergewöhnliche
Gravitationslinsensystem - ein klassischer Zufallsfund. "Als ich mir die
HSC-Bilder zusammen mit den Studenten ansah, stießen wir auf eine ringförmige
Galaxie und erkannten sie sofort als Zeichen einer starken Gravitationslinse",
erinnert sich Masayuki Tanaka. "Die Entdeckung eines so seltenen Objektes wäre
ohne den großen Datensatz nicht möglich gewesen, und wir brauchten auch die
tiefen, qualitativ hochwertigen Bilder, um das Licht der weit entfernten Objekte
zu erkennen."
Die Studentin Arsha Dezuka, die mit den Daten arbeitete, war über die Entdeckung
erstaunt: "Es war das erste Mal, dass ich auf den astronomischen Bildern der
Hyper Suprime-Cam etwas gesucht habe, und ich hatte keine Ahnung, was diese
ringförmige Galaxie ist", sagt sie. "Es war eine große Überraschung zu erfahren,
dass es ein solch seltenes, einzigartiges System ist!"
Eine genauere Untersuchung der Bilder zeigte zwei unterschiedliche Bögen bzw.
Ringe in verschiedenen Farben. Dies deutet stark darauf hin, dass es sich um
zwei verschiedene Hintergrundgalaxien handelt, die durch die Vordergrundgalaxie
abgebildet werden. Die Linsengalaxie hat eine spektroskopische Rotverschiebung
von z = 0,79 (das heißt, sie ist etwa 6,8 Milliarden Lichtjahre entfernt), wie
auf der Basis von Daten aus dem Sloan Digital Sky Survey bestimmt wurde. Weitere
spektroskopische Beobachtungen der gelinsten Objekte mit dem
infrarotempfindlichen FIRE-Spektrometer des Magellan-Teleskops
bestätigten, dass tatsächlich zwei Galaxien hinter der Linse liegen, bei z =
1,30 und bei z = 1,99 (8,9 bzw. 10,5 Milliarden Lichtjahre entfernt).
"Drei Galaxien zu haben, die Milliarden Lichtjahre entfernt sind, aber alle auf
einer einzigen Sichtlinie liegen, ist so selten – das ist wie ein Sechser im
Lotto", sagt Sherry Suyu begeistert. Die Wissenschaftlerin vom
Max-Planck-Institut für Astrophysik analysierte das Linsensystem und "wog" die
Linsengalaxien mit einer Software, die sie zusammen mit Aleksi Halkola
entwickelte.
Als sie das Linsensystem zum ersten Mal sah, machte sie ihre Kollegen darauf
aufmerksam, dass es wie ein altes ägyptisches Symbol aussieht, das "Auge des
Horus", in Anlehnung an das heilige Auge einer alten ägyptischen Gottheit. "Das
System zeigt einige eigenartige Merkmale, wie beispielsweise das Aufbrechen
eines Bildes in zwei Komponenten – ein aufregender Hinweis auf die mögliche
Anwesenheit eines unsichtbaren Objekts aus Dunkler Materie," erklärt Suyu.
Dunkle Materie leuchtet nicht und ist nur schwer nachzuweisen – bis jetzt konnte
Dunkle Materie noch nicht direkt beobachtet werden. "Allerdings kann man durch
den Gravitationslinseneffekt der Dunklen Materie ihren Einfluss auf die
gelinsten Bilder sehen. Unser 'Auge des Horus' liefert uns eine großartige
Gelegenheit, sie indirekt zu sehen!"
Die Himmelsdurchmusterung mit der Hyper Suprime-Cam ist bisher nur zu
30 Prozent abgeschlossen, sie wird noch mehrere Jahre lang Daten sammeln.
Astronomen erwarten noch etwa zehn weitere solcher Systeme zu finden, die
wichtige Einblicke in die grundlegende Physik der Galaxien erlauben und uns
Aufschluss darüber geben könnten, wie sich das Universum im Laufe der letzten
Milliarden Jahre ausgedehnt hat.
Über ihre Beobachtungen berichtet das Team jetzt in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters erscheinen
wird.
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