Satelliten unterstützen humanitäre Hilfe
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
27. Juni 2016
Satelliten bilden die Erdoberfläche äußert detailliert ab
und erfassen so Daten, die auch für humanitäre Hilfsorganisationen von großer
Bedeutung sein können. Durch geschickte Auswertung liefern die Satellitenbilder
etwa Informationen zur Anzahl von Menschen in einem Flüchtlingslager. Im Rahmen
der Projekts EO4HumEn+ werden entsprechende Verfahren entwickelt.
Die Sentinel-2A-Aufnahme vom 11. Februar 2016
zeigt das Flüchtlingslager Hagadera in Kenia,
nahe der Grenze zu Somalia.
Bild: Copernicus Sentinel Daten [Großansicht] |
Sie fliegen in bis zu mehreren hundert Kilometern Abstand zur Erde und können
doch detaillierte Informationen liefern, die den Helfern am Boden ihre Arbeit
erleichtern: die Erdbeobachtungssatelliten, deren Technologie in den nächsten
zwei Jahren mit dem Projekt EO4HumEn+ (Extended EO-based services for dynamic
information needs in humanitarian action) auch für humanitäre
Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen oder das Rote Kreuz im Einsatz ist.
"Es ist der Blick aus dem All, der großräumig die Zusammenhänge erkennen
lässt", sagt Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund, Vorstandsvorsitzende des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). "Der Bedarf an Informationen in
humanitären Krisen steigt zunehmend, auch wird die Bewertung von Ursachen und
möglicher Entwicklung von Krisensituationen immer wichtiger - daher beteiligt
sich das DLR an der Suche nach Antworten auf diese gesellschaftlichen
Herausforderungen und nutzt seine Technologien für die humanitäre Hilfe."
Die DLR-Wissenschaftler können anhand der Satellitenaufnahmen beispielsweise
die Anzahl der Menschen in einem Flüchtlingslager abschätzen - eine Aufgabe, die
von den Helfern vor Ort nur mühsam und zeitaufwendig übernommen werden könnte.
"Viele Flüchtlingslager entstehen sehr schnell und wachsen teilweise rasch zur
Größe von Städten an", erläutert Dr. Elisabeth Schöpfer vom Deutschen
Fernerkundungsdatenzentrum des DLR.
Die Informationen, die mit der Auswertung von Satellitenbildern gewonnen
werden, werden nach den Anforderungen der Helfer vor Ort zusammengestellt: Wie
viele Menschen haben sich insgesamt in einem Lager angesiedelt und benötigen
Lebensmittel, Wasser und medizinische Hilfe? Wo und in welcher Anzahl ist es
sinnvoll, Brunnen zu bauen? Welche Auswirkungen hat das Flüchtlingslager auf die
Umwelt und Ressourcen der direkten Umgebung? Könnte es vielleicht sogar dazu
kommen, dass dadurch Konflikte mit der einheimischen Bevölkerung entstehen? Mit
jedem Überflug eines Satelliten können diese Informationen aktualisiert werden.
Die Karten und Analysen können daher Planungsgrundlage für die Einsätze der
Hilfsorganisationen sein.
Die Aufgabe der DLR-Wissenschaftler ist dabei, die in den Satellitenaufnahmen
enthaltenen Informationen zum Beispiel in einer Kartendarstellung sichtbar zu
machen. "Ein Satellitenbild kann nicht jeder interpretieren - die relevante
Information muss zunächst herausgefiltert werden," so Schöpfer. Verwendet wird
ein breites Spektrum von kommerziellen, zivilen Satelliten, um die Vorteile der
jeweiligen Technik zu verbinden: Aufnahmen im sichtbaren und Infrarotbereich des
Spektrums werden durch Radaraufnahmen ergänzt, die auch ohne Tageslicht und bei
Bewölkung aufgenommen werden können. "Das Gesamtbild ergibt sich dann aus der
Kombination von Aufnahmen mit großer räumlicher Abdeckung und Aufnahmen mit sehr
detaillierter Auflösung."
Das Österreichische Rote Kreuz ist Partner im Projekt: "Oft wissen wir nicht,
wo wie viele Menschen in einem ländlichen Gebiet wohnen, weil die Entfernungen
groß sind und der Zugang in Konfliktgebiete sehr schwierig ist", erläutert Elmar
Göbl vom Österreichischen Roten Kreuz. "Ganz konkret gesagt: Die Siedlungen sind
oftmals weit verstreut, da ist es zum Beispiel wichtig, die günstigste Position
für ein Bohrloch in Bezug auf die Bevölkerungsverteilung festzulegen."
Die Hilfsorganisation ist dafür meist auf die unterschiedlichen und nicht
immer zuverlässigen Angaben der lokalen Bevölkerung und der staatlichen Stellen
angewiesen. Neutrale und zeitnahe Informationen aus dem All sind da hilfreich.
Auch die Möglichkeit, Regionen über einen längeren Zeitraum hinweg zu
beobachten, kann dazu beitragen, Maßnahmen der Hilfsorganisation anzupassen und
zu optimieren. So kann aus dem Weltraum zum Beispiel kontrolliert werden, ob
eine Wiederaufforstung durch das Rote Kreuz erfolgreich verläuft. "Man könnte
viele dieser Informationen am Boden sammeln, das wäre aber sehr aufwendig und
geht über eine Erfassung mit Satelliten deutlich schneller und effektiver."
Auch Nutzer wie die österreichische Sektion von Ärzte ohne Grenzen/Médecins
Sans Frontières (MSF) profitieren von der Raumfahrt-Technologie. "Damit die
Menschen vor Ort auch die Unterstützung bekommen, die sie benötigen, sind
akkurate und zeitnahe Informationen enorm wichtig", betont Edith Rogenhofer von
Ärzte ohne Grenzen in Wien. Bei Impfkampagnen zum Beispiel müssen die Teams der
Hilfsorganisation möglichst exakt planen können und genau wissen, wie viele
Menschen im Einsatzgebiet leben. "Wir müssen aber nicht nur die richtige Anzahl
der Impfdosen richtig hochrechnen, sondern auch die Anzahl der benötigten
sanitären Einrichtungen und Kliniken bis hin zur Menge Wasser, die gebraucht
wird."
Flüchtlingslager seien keine statischen Gebilde, sondern wachsen, schrumpfen
und bewegen sich, erläutert Rogenhofer, die die Situation vor Ort aus Erfahrung
kennt. "Darauf müssen wir reagieren und unsere Hilfsprojekte gut aufeinander
abstimmen und koordinieren." Zwei Jahre wird das Projekt EO4HumEn+ laufen. In
einem ersten Schritt wird nun genau definiert, für welches Gebiet als erstes
Satellitenauswertungen für humanitäre Einsätze erstellt werden sollen. "Eine
wichtige Region könnte zum Beispiel Ostafrika sein", sagt Schöpfer. "In diesem
Gebiet waren die Entwicklungen aufgrund von Krisen, Konflikten und der Dürre der
vergangenen Jahre sehr dynamisch."
Für das Projekt EO4HumEn+ arbeiten unter Leitung von Dr. Stefan Lang von der
Universität Salzburg (Interfakultärer Fachbereich Geoinformatik - Z_GIS) die
Projektpartner - das DLR, das Österreichische Rote Kreuz und Spatial Services
GmbH - zusammen. Zu den Nutzern gehören das Internationale Komitee des Roten
Kreuzes, Ärzte ohne Grenzen und das SOS-Kinderdorf International.
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