GRAVITY hat zentrales Schwarzes Loch im Visier
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
23. Juni 2016
Astronomen haben mithilfe des Instruments GRAVITY am Very
Large Telescope der ESO einen detaillierten Blick auf die unmittelbare Umgebung
des zentralen Schwarzen Lochs geworfen. Die Beobachtungen sind so präzise, dass
in den kommenden Jahren auch relativistische Effekte zu messen sein sollten,
denen ein Stern ausgesetzt ist, der um das Schwarze Loch kreist.
Blick in das Zentrum der Milchstraße. Für die
Beobachtung des Sterns S2 mit GRAVITY wurde der
Stern IRS 16C als Referenz benutzt. Das Schwarze
Loch (Sgr A*) ist durch ein Kreuz markiert.
Foto: ESO / MPE / S. Gillessen et al. [Großansicht] |
Nur 25.000 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt, im Sternbild
Schütze, liegt das Zentrum der Milchstraße mit einem Schwarzen Loch, das rund
vier Millionen Mal massereicher ist als unsere Sonne. Seine Existenz wurde lange
vermutet. 2002 gelang es, die Umlaufbahn des Sterns S2 um das Schwarze Loch zu
bestimmen (astronews.com berichtete): Im Laufe von 16 Jahren zieht der Stern
eine winzige Ellipse am Himmel mit einer Größe von nur 0,2 Bogensekunden. Wenn
man ein Fußballstadion auf dem Mond platzieren würde, schiene es ebenso groß
- oder so klein - wenn man von der Erde darauf blickt.
Zwar konnten die Astronomen mit bisherigen Instrumenten die Umlaufbahn genau
genug vermessen, um die Masse des Schwarzen Lochs zu bestimmen; um aber die
Allgemeine Relativitätstheorie zu testen, muss man viel genauer messen - so genau,
als ob man Objekte auf dem Mond zentimetergenau im imaginären Stadion ausfindig
machen muss.
Das neue Instrument GRAVITY, das im Rahmen einer Zusammenarbeit mehrerer
europäischer Institute und Einrichtungen entstand, ist speziell für diesen Zweck
entwickelt worden. GRAVITY ist ein Interferometer und kombiniert das Licht der
vier Acht-Meter-Teleskope des Very Large Telescope (VLT) der europäischen
Südsternwarte ESO auf dem Gipfel des Paranal in Chile. Um die Empfindlichkeit in
dichten und vom Staub verhüllten Regionen, wie dem galaktischen Zentrum, weiter zu
verbessern, wurde außerdem jedes der Acht-Meter-Teleskope mit einer neuen
adaptiven Optik ausgestattet, die die Unruhe der Luft noch besser kompensieren
soll.
Kombiniert man das Licht interferometrisch, ergibt sich eine effektive
Auflösung, die derjenigen eines virtuellen Teleskops mit 130 Metern Durchmesser
entspricht. Daraus ergibt sich eine Verbesserung um einen Faktor 15 bei
Auflösung und Präzision gegenüber den Acht-Meter-Teleskopen. Dies wird es
künftig möglich machen, Einsteins Theorie im galaktischen Zentrum zu überprüfen.
In den letzten zehn Jahren hat das Team an GRAVITY gearbeitet. Bei den ersten
Tests sollten sich nun zwei entscheidende Fragen beantworten: Wird GRAVITY die
erforderliche Empfindlichkeit für die Beobachtung der schwachen Sterne um das
galaktische Zentrum erreichen? Und würde das galaktische Zentrum als Labor
kooperieren und saubere "Testteilchen" bieten, damit die vorhergesagten
Auswirkungen von der Allgemeinen Relativitätstheorie tatsächlich gemessen werden
könnten?
"Es war ein großartiger Moment für das ganze Team, als sich das Licht des
Sterns S2 zum ersten Mal überlagerte", sagt der leitende Wissenschaftler für
GRAVITY, Frank Eisenhauer vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
in Garching begeistert. "Zuerst stabilisierten wir aktiv die Interferenz an
einem hellen, nahe gelegenen Stern, und nur wenige Minuten später konnten wir
tatsächlich die Interferenz des schwachen Sterns S2 sehen – wir haben es
geschafft!"
Auf den ersten Blick zeigen weder der Referenzstern, noch S2 helle und
massereiche Begleiter, die Beobachtung und Analyse erschweren würden. "Es sind
ideale Probekörper", erklärt Eisenhauer. Bei seinem nächsten Vorbeiflug am
Schwarzen Loch wird der Stern S2 nur 17 Lichtstunden entfernt sein und extremer
Schwerkraft ausgesetzt.
Die Astronomen standen mit ihren Tests auch unter einem gewissen Zeitdruck: Bereits 2018
wird der Stern auf seiner Bahn wieder den geringsten Abstand vom Schwarzen Loch
aufweisen. Zu dieser Zeit sind die gesuchten relativistischen Effekte am
stärksten ausgeprägt. An diesem Punkt wird sich der Stern dem Schwarzen Loch auf
eine Entfernung von nur 17 Lichtstunden nähern und mit einer Geschwindigkeit von
fast 8000 km/s oder 2,5 Prozent der Lichtgeschwindigkeit daran vorbeisausen.
Im Jahr 2018 wird die ellipsenförmige Bahn, auf der S2 das Schwarze Loch
umrundet, ihre Orientierung aufgrund der Allgemeinen Relativitätstheorie ändern
und sich in ihrer Ebene um etwa 0,2 Grad drehen. Dieser relativistische Effekt
ist um viele Größenordnungen stärker, als etwa bei der Umlaufbahn des Merkur, des
innersten Planeten im Sonnensystem. Die nächste Gelegenheit nach 2018, einen
nahen Vorbeiflug von S2 um das Schwarze Loch zu beobachten, wird dann erst
wieder 2033 bestehen.
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