Sauerstoff im sehr jungen Universum
von Stefan Deiters astronews.com
17. Juni 2016
Astronomen ist es gelungen, mithilfe des Radioteleskopverbunds ALMA
das Leuchten von Sauerstoff in einer Galaxie nachzuweisen, die so weit von uns
entfernt ist, dass wir sie nur 700 Millionen Jahre nach dem Urknall sehen. Es
handelt sich damit um die entfernteste Galaxie, in der Sauerstoff zweifelsfrei
nachgewiesen werden konnte.
Die entfernte Galaxie SXDF-NB1006-2. Das mit
ALMA entdeckte Licht von ionisiertem Sauerstoff
erscheint grün. Licht von ionisiertem Wasserstoff
(beobachtet mit dem Subaru-Teleskop) ist blau und
ultraviolettes Licht (beobachtet mit dem UK
Infrared Telescope) ist rot dargestellt.
Bild: ALMA (ESO / NAOJ / NRAO), NAOJ [Großansicht] |
Ein internationales Astronomenteam hat mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter
Array (ALMA), einem Verbund aus Radioteleskopen in der chilenischen Atacamawüste,
eine der entferntesten bekannten Galaxien unter die Lupe genommen. Sie ist so
weit von der Erde entfernt, dass wir das System in einem Zustand sehen, den es
nur rund 700 Millionen Jahre nach dem Urknall hatte.
Das besondere Interesse des Teams galt den schweren Elementen, die in der
fernen Galaxie vorhanden sind. Als schwere Elemente bezeichnen Astronomen alle
Elemente, die nicht bereits im Urknall entstanden sind und erst im Inneren von
Sternen erzeugt werden mussten - also alles, was schwerer ist als Lithium. Das
Vorhandensein von schweren Elementen in der Galaxie kann also etwas über das
Ausmaß der Sternentstehung in dem fernen System verraten.
"Die Suche nach schweren Elementen im frühen Universum ist ein
entscheidender Ansatz, um mehr über die Sternentstehungsaktivität in dieser
Epoche zu erfahren", erläutert Akio Inoue von der japanischen Osaka Sangyo
University. "Das Studium der schweren Elemente liefert uns auch Hinweise auf
die Entstehung der Galaxien und wodurch es zur kosmischen Reionisation kam."
Bevor die ersten Sterne entstanden sind, bestand das Universum aus neutralem
Gas. Als einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall die ersten Sterne zu
leuchten begannen, sorgte deren Strahlung dafür, dass das Gas ionisiert wurde.
Das zuvor undurchsichtige Universum wurde durchsichtig, der "kosmische Nebel"
löste sich allmählich auf. Doch welche Objekte genau sorgten damals dafür, dass
es zur Reionisation kam? Um diese Frage zu klären, sind Beobachtungen von so
entfernten Systemen von großer Bedeutung.
Bevor das Team die Galaxie ins Visier nahm, führten die Wissenschaftler umfangreiche
Computersimulationen durch, um herauszufinden, ob sich die Signatur von
ionisiertem Sauerstoff auch in dieser Entfernung mit ALMA nachweisen lässt. Es stellte sich heraus, dass der ionisierte Sauerstoff auch noch in
sehr großen Distanzen messbar sein sollte.
In der Galaxie SXDF-NB1006-2 wurde dann tatsächlich die Signatur von
ionisiertem Sauerstoff entdeckt. Es handelt sich um die entfernteste Galaxie, in der dies
bislang zweifelsfrei gelungen ist. Insbesondere konnte hier eindeutig die zugehörige
Emissionslinie nachgewiesen werden. Der Sauerstoff in SXDF-NB1006-2 scheint
dabei zehn Mal weniger häufig zu sein, als in unserer Sonne.
"Diese sehr geringe Häufigkeit ist nicht überraschend, weil das Universum
noch sehr jung ist und es erst seit kurzer Zeit Sternentstehung gibt", so Naoki
Yoshida von der Universität in Tokio. "Aus unseren Simulationen hatten wir
tatsächlich diese Häufigkeit erwartet. Aber es gab noch ein
überraschendes Ergebnis: einen nur sehr geringen Anteil an Staub." Staub besteht
hauptsächlich aus schwereren Elementen. Die Astronomen fanden auch keinen
Hinweis auf Kohlenstoff.
Die Entdeckung von ionisiertem Sauerstoff könnte darauf hindeuten, dass es in
der Galaxie sehr viele helle Sterne gibt, die einige Dutzend Mal die Masse
unserer Sonne haben. Die von ihnen ausgehende intensive ultraviolette Strahlung
sorgt dann für die Ionisation der Sauerstoffatome. Da es in der Galaxie kaum
Staub gibt, kann die ultraviolette Strahlung entweichen und auch großen Mengen
an Gas außerhalb der Galaxie ionisieren. "SXDF-NB1006-2 könnte damit ein
Prototyp für Lichtquellen sein, die für die kosmische Reionisation
verantwortlich waren", so Inoue.
Über ihre Beobachtungen berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel,
der in der Zeitschrift Science erschienen ist.
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