Einsteinring verrät dunkle Zwerggalaxie
von Stefan Deiters astronews.com
15. April 2016
Bei der Analyse der Beobachtungen einer spektakulären
Gravitationslinse, eines sogenannten Einsteinrings, sind Astronomen auf die
Spuren einer dunklen Zwerggalaxie gestoßen. Der Fund könnte helfen, das Rätsel
um die fehlenden Zwerggalaxien zu lösen: Eventuell bestehen sie überwiegend aus
Dunkler Materie und sind daher nicht zu sehen.
Der von ALMA beobachtete Einsteinring
(orange) kombiniert mit einer optischen Aufnahme
der Linsengalaxie von Hubble (Mitte). Die
Position der vermuteten dunklen Zwerggalaxie ist
mit einem weißen Punkt markiert.
Bild: Y. Hezaveh, Stanford Univ., ALMA
(NRAO/ESO/NAOJ), NASA/ESA Hubble Space Telescope [Großansicht] |
Mithilfe von Daten des Radioteleskopverbunds Atacama Large Millimeter/submillimeter
Array (ALMA) in der chilenischen Atacamawüste haben Astronomen eine dunkle
Zwerggalaxie aufgespürt, die sich im Umfeld einer deutlich massereicheren
Galaxie in fast vier Milliarden Lichtjahren Entfernung versteckt hält.
Allerdings konnten die Wissenschaftler das System nicht direkt sehen, sondern
entdeckten lediglich winzige Störungen in einem sogenannten Einsteinring, die sie auf die Anwesenheit der
Zwerggalaxie
zurückführen. Sie hoffen, auf diese Weise in Zukunft noch deutlich mehr solcher
Galaxien finden zu können.
Die Daten stammten aus der Long Baseline Campaign mit ALMA, die unter anderem
ein System namens HATLAS J090311.6+003906 oder auch SDP.81 zum Ziel hatte. Es
handelt sich dabei um eine sogenannte Gravitationslinse: Man sieht also das
Licht einer entfernten Galaxie, das durch eine auf der Sichtlinie zur Erde
liegenden massereichen Galaxie abgelenkt wird. Auf diese Weise wird das Bild der
entfernteren Galaxie zu ringförmigen Bögen verzerrt und auch verstärkt.
Die entfernte Galaxie ist so weit von uns entfernt, dass wir sie in einem
Zustand von vor etwa zwölf Milliarden Jahren sehen.
Im Fall von SDP.81 haben die beiden Galaxien - von der Erde aus betrachtet -
eine so perfekte Anordnung, dass durch diesen Gravitationslinseneffekt ein
sogenannter Einsteinring entsteht. Albert Einstein war es auch, der diesen
Effekt einst vorhergesagt hat. Durch dieses "natürliche Vergrößerungsglas"
können Astronomen nicht nur sehr viel über die entfernte Galaxie lernen, sondern
auch über die Galaxie, die für die Verzerrung des Lichts verantwortlich ist. Die
Art der Verzerrungen erlaubt nämlich Rückschlüsse auf die Masse des Systems und deren
Verteilung.
In den Daten von SDP.81 glauben die Astronomen nun Hinweise auf eine
unsichtbare Zwerggalaxie entdeckt zu haben. "Wir können diese unsichtbaren
Objekte genau wie die Regentropfen auf einer Fensterscheibe sehen. Wir wissen,
dass sie da sind, weil sie das Licht von Hintergrundobjekten verzerren",
erläutert Yashar Hezaveh von der Stanford University. Beim Regentropfen ist die
Lichtbrechung der Grund dafür, bei SDP.81 dürfte es Dunkle Materie sein.
Um die dunkle Zwerggalaxie zu entdecken, analysierten die Forscher über
mehrere Wochen mithilfe von Hochleistungscomputern die vorliegenden Daten und erhielten so
ein detailliertes Bild der Linsengalaxie und ihrer unmittelbaren Umgebung. Auf
diese Weise konnten sie einen signifikanten Klumpen aus Materie mit weniger
als einem Tausendstel der Masse der Milchstraße nachweisen.
Nach Ansicht der Astronomen deutet alles darauf hin, dass es sich bei diesem
Klumpen um eine zur großen Galaxie gehörenden Zwerggalaxie handelt, die sehr
leuchtschwach ist und überwiegend aus Dunkler Materie besteht. Theorien über die
Entstehung von Galaxien sagen voraus, dass es um jede größere Galaxie unzählige
Zwerggalaxien geben sollte. Doch sogar um unsere Milchstraße hat man bisher nur
40 davon entdeckt, obwohl es nach den Vorhersagen deutlich mehr sein sollten.
"Die Diskrepanz zwischen beobachteten Satellitengalaxien und vorhergesagten
Systemen war ein großes Problem für die Kosmologie für fast zwei Jahrzehnte;
manche sprachen sogar von einer Krise", so Neal Dalal von der University of
Illinois. "Wenn die Zwerggalaxien aber hauptsächlich aus Dunkler Materie
bestehen, könnte das die fehlenden Beobachtungen erklären und uns gleichzeitig
etwas über die wahre Natur der Dunklen Materie verraten."
Die Astronomen planen nun, mit ihrer Methode nach weiteren dunklen
Zwerggalaxien zu suchen. Über ihre aktuelle Studie berichten sie in einem
Fachartikel, der in der Zeitschrift The Astrophysical Journal
erschienen ist.
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