Weit entfernt, jung und sehr massereich
von Stefan Deiters astronews.com
12. Januar 2016
Drei Weltraumteleskope und die Unterstützung erdgebundener
Instrumente waren nötig, um sicher zu sein: Bei dem rund zehn Milliarden
Lichtjahre von der Erde entfernten Galaxienhaufen IDCS 1426 handelt es sich um
einen extrem massereichen Haufen, der in dieser Epoche des Universums äußerst
selten ist. Sein Studium sollte einiges über die Entstehung solcher gewaltigen
Strukturen verraten.
Der Galaxienhaufen IDCS 1426 in einer
Ansicht, für die Daten von Chandra (blau),
Spitzer (rot) und Hubble (grün) verwendet wurden.
Bild: NASA / CXC / Univ of Missouri /
M.Brodwin et al; NASA / STScI; JPL / CalTech [Großansicht] |
Der Galaxienhaufen IDCS J1426.5+3508, abgekürzt IDCS 1426, ist rund zehn
Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt. Sein Licht war so lange zu uns
unterwegs, dass wir den Haufen zu einer Zeit sehen, zu der unser Universum nur
rund ein Viertel seines jetzigen Alters hatte. Es handelt sich um den
massereichsten Galaxienhaufen, der in dieser frühen Phase des Universums
entdeckt wurde.
Aufgespürt wurde IDCS 1426 vom Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer im Jahr
2012. Mithilfe des Weltraumteleskops Hubble und des Keck Observatory auf Hawaii
gelang es dann, die Entfernung des Haufens zu bestimmen. Weitere Beobachtungen mit dem
Combined Array for Millimeter Wave Astronomy deuteten dann bereits darauf hin,
dass es sich bei IDCS 1426 um einen äußerst massereichen Haufen handelt. Dies
konnte das Röntgen-Weltraumteleskop Chandra nun bestätigen. Der Haufen könnte
danach eine Masse aufweisen, die der 500-billionenfachen Masse unserer Sonne
entspricht - rund 90 Prozent davon sind Dunkle Materie.
"Mit dieser Entdeckung gehen wir schon an die Grenze", so Mark Brodwin von der
University of Missouri in Kansas City, der die Untersuchung
leitete. "Es handelt sich um eine der am frühesten im Universum entstandenen
massereichen Strukturen. Der Haufen stellt damit eine hohe Hürde für Theorien
dar, die erklären wollen, wie Galaxienhaufen und Galaxien sich entwickeln."
Galaxienhaufen sind die größten Strukturen im Universum, die durch die
gravitative Anziehungskraft ihrer Mitglieder zusammengehalten werden. Auch die
Milchstraße ist Teil eines kleinen Galaxienhaufens, der sogenannten "Lokalen
Gruppe". Größere Galaxienhaufen können viele Tausende von Galaxien umfassen und
ihre Entstehung sollte, so die bisherige Vermutung der Astronomen, mehrere
Milliarden Jahre in Anspruch nehmen.
IDCS 1426 sehen wir zu einer Zeit, in der unser Universum gerade einmal 3,8
Milliarden Jahre alt war. Das bedeutet, dass wir es bei IDCS 1426 mit einem noch
sehr jungen Galaxienhaufen zu tun haben. In den Chandra-Daten ist in der Nähe
des Haufenzentrums ein im Röntgenlicht sehr heller Bereich zu sehen. Dieser
helle Kernbereich befindet sich nicht exakt im Zentrum des Haufens. Ursache
könnte eine Kollision mit einem anderen gerade entstehenden Haufen sein, die
sich vor etwa 500 Millionen Jahren ereignet hat. Bei einer solchen
Kollision würde das heiße Gas, das die Röntgenstrahlen aussendet,
erheblich durcheinandergewirbelt.
"Verschmelzungen mit anderen Galaxiengruppen oder -haufen sollten im jungen
Universum sehr viel häufiger vorgekommen sein", so Michael McDonald vom
Massachusetts Institute of Technology. "Solche Ereignisse scheinen bei der
schnellen Entstehung dieses jungen Haufens eine wichtige Rolle gespielt zu
haben."
Im Rest des Haufens ist das heiße Gas sehr gleichmäßig und symmetrisch
verteilt. Die Astronomen werten dies als weiteren Hinweis darauf, dass
der Haufen sehr schnell entstanden ist. Sie entdeckten außerdem Hinweis dafür,
dass sich in dem heißen Gas des Haufens ungewöhnlich wenige Elemente finden, die
schwerer sind als Wasserstoff und Helium. Das könnte bedeuten, dass der Haufen
noch immer dabei ist, sein Gas mit schwereren Elementen anzureichern. Sie
entstehen in massereichen Sternen in den einzelnen Galaxien des Haufens und bei deren Supernova-Explosionen.
Durch diese können die Elemente auch aus den Galaxien
geblasen werden.
"Die Entdeckung dieses massereichen Galaxienhaufens im frühen Universum
bringt unser aktuelles kosmologisches Weltbild noch nicht durcheinander", so
Anthony Gonzalez von der University of Florida in Gainesville. "Es liefert uns
aber weitere Informationen, die wir berücksichtigen müssen, wenn wir unsere
Modelle verbessern und anpassen."
Über ihre Ergebnisse berichtete das Team in der vergangenen Woche auf der
Tagung der American Astronomical Society. Sie sind auch in einem Fachartikel
zusammengefasst, der in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal erscheinen wird.
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