Roboter-Handshake zwischen ISS und Erde
Redaktion
/ Pressemitteilung der ESA astronews.com
18. Dezember 2015
Ein Besatzungsmitglied auf der Internationalen Raumstation ISS
hat erstmals einem Wissenschaftler auf der Erde die Hand geschüttelt - und zwar
mithilfe des humanoiden Roboters SpaceJustin. Die Kraft beim
Händeschütteln war dabei deutlich zu spüren. Der Test könnte der erste Schritt
für eine Vielzahl von Telepräsenz-Technologien in der Raumfahrt sein.
Kosmonaut Sergei Volkov an Bord der ISS und
DLR-Institutsdirektor Prof. Dr. Alin Albu-Schäffer
schütteln sich in Oberpfaffenhofen die Hand -
mittels des humanoiden DLR-Roboters SpaceJustin.
Am 17. Dezember 2015 wurde erstmals ein
humanoider Roboter aus dem Weltall ferngesteuert.
Foto: DLR [Gesamtansicht] |
Eine einfache Geste der Begrüßung und doch außergewöhnlich: Händeschütteln
zwischen einem Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS und
Wissenschaftlern am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die
Interaktion erfolgte mittels des humanoiden DLR-Roboters SpaceJustin,
der sich in Oberpfaffenhofen befindet und am 17. Dezember 2015 von der ISS aus
ferngesteuert wurde.
Der Kosmonaut Sergei Volkov auf der ISS und DLR-Institutsdirektor Prof. Alin
Albu-Schäffer auf der Erde konnten sich gegenseitig sehen, miteinander sprechen
und - dank Kraftrückkoppelung - die Kraft und die Bewegung des Händeschüttelns
spüren. "Mit dem Technologie-Experiment Kontur-2 ist dem DLR ein
weiterer Erfolg in der Robotik gelungen. Erstmalig wurde eine Kraftrückkopplung
zwischen einem Astronauten im Erdorbit und einem Menschen auf der Erde mithilfe
eines humanoiden Roboters durchgeführt", betont Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund,
Vorstandsvorsitzende des DLR.
"Die wissenschaftlichen Ergebnisse dieses Vorhabens bieten ein breites
Anwendungsspektrum von der planetaren Exploration bis hin zu irdischen
Anwendungen in der Telemedizin und der Telepräsenz in für den Menschen
kritischen Situationen," so Ehrenfreund weiter. Telepräsenz-Systeme ermöglichen
es Menschen, über große Entfernung hinweg über einen robotischen "Avatar" zu
agieren und dabei das Gefühl zu haben, selbst vor Ort zu sein.
Noch nie zuvor wurde ein humanoider Roboter vom Weltall aus gesteuert. Die
Steuerung und Kraftrückkopplung von SpaceJustins Arm erfolgte mit dem
Kontur-2 Joystick, der seit Juli 2015 an Bord der ISS ist und vom
DLR-Institut für Robotik und Mechatronik entwickelt wurde. Die Besonderheit der
Technologie und des Experiments liegen in ihrer bisher unerreichten Komplexität:
Mit dem raumfahrttauglichen Joystick auf der ISS ist man in der Lage, dem
Astronauten feinfühlige Kraftrückkoppelung in Echtzeit zu übermitteln. Ein
zusätzliches Bedienelement des Joysticks ermöglicht das Schließen der
Roboterhand, so dass der Astronaut sogar einen Gegenstand greifen kann.
Eine der größten Herausforderungen für Telepräsenz-Anwendungen in der Raumfahrt
ist die Zeitverzögerung bei der Datenübertragung. Bei einer Distanz von rund 400
Kilometern beträgt die Verzögerung rund 30 Millisekunden. Hierbei stellt ein
spezielles Regelungskonzept sicher, dass durch die Verzögerung kein instabiles
Verhalten entstehen bei dem sich das System unkontrolliert aufschwingen kann.
Die Kraftrückkopplung funktionierte bei dem Tele-Handshake im DLR dabei so
ausgezeichnet, dass den Wissenschaftlern ein weiteres, anspruchsvolles
Experiment gelang: Während ISS-Besatzungsmitglied Volkov den rechten Arm von
SpaceJustin fernsteuerte, übernahm das Russian State Scientific Center
for Robotics and Technical Cybernetics (RTC) in St. Petersburg die
Steuerung des linken Roboterarms.
Das Institut RTC verfügt über einen identischen Kontur-2-Joystick vom
DLR und wurde aus seinem Labor in St. Petersburg zugeschaltet. Gemeinsam griffen
Volkov und RTC mittels SpaceJustin nach einem Ball und übergaben den
Ball an das DLR-Team in Oberpfaffenhofen, das den Ablauf koordinierte. Alle drei
Beteiligten konnten dabei die Kontaktkräfte der Anderen spüren - das Drücken
gegen den Ball beim Greifen und das Loslassen beim Aushändigen des Balls.
Für die Raumfahrt sind Telepräsenz-Technologien in Zukunft unverzichtbar:
Astronauten könnten von einer Raumstation aus einen Roboter steuern, der zum
Beispiel den Mars oder den Mond erkundet und dort feinmotorische Aufgaben
erfüllen soll. Auch Wartungs- und Reparaturarbeiten an Satelliten können vom
Boden aus telepräsent durchgeführt werden. Der Tele-Handshake und die
kooperative Ballübergabe markieren den Höhepunkt der Experimentreihe "Kontur-2",
in der die Telepräsenz-Technologie auf der ISS optimiert und getestet wurde.
Nach der erfolgreichen Demonstration dieser Technologie ist das DLR-Institut für
Robotik und Mechatronik bereit für die nächsten Schritte: Die telepräsente
Steuerung kann künftig auch auf Bediensysteme mit mehr als zwei Freiheitsgraden
übertragen werden. Das erlaubt eine Steuerung in jede Raumrichtung und bereitet
der Weg für eine neue Etappe in der telepräsenten Raumfahrt-Robotik. Komplexere
Aufgaben sind künftig möglich: Der Astronaut wird nicht nur in der Lage sein,
Arm und Hand von SpaceJustin zu steuern, sondern den gesamten Körper
eines humanoiden Roboters.
|