Winziger Stern mit gewaltigem Sturm
von Stefan Deiters astronews.com
14. Dezember 2015
Mithilfe von Daten der NASA-Teleskope Spitzer und
Kepler
haben Astronomen ein gewaltiges Sturmsystem entdeckt, das auf einem kleinen und vergleichsweise kühlen Stern
tobt. Von der Ausdehnung her ist der Sturm
vergleichbar mit dem Großen Roten Fleck auf dem Gasriesen Jupiter. Er existierte
über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren.
So stellt sich ein Künstler den L-Zwerg
W1906+40 mit seinem riesigen Sturmsystem vor.
Bild: NASA/JPL-Caltech [Großansicht] |
"Der Stern hat etwa die Größe von Jupiter und sein Sturm die des Großen Roten
Flecks", erläutert John Gizis von der University of Delaware in Newark. "Wir
wissen, dass dieser neuentdeckte Sturm mindestens zwei Jahre lang existiert hat
und vielleicht sogar länger." Aber warum kann es auf einem Stern eigentlich
Wettersysteme geben? Bei dem
beobachteten Stern W1906+40 handelt es sich um einen ganz besonderen Stern: Die
Astronomen klassifizieren ihn als L-Zwerg und er befindet sich damit gerade im
Grenzbereich zwischen den Braunen Zwergen und den masseärmsten Sternen.
Braune Zwerge verfügen nicht über ausreichend Masse, um in ihrem Inneren
dauerhafte Fusionsprozesse in Gang setzen zu können, einige L-Zwerge sind dazu
jedoch in der Lage und werden daher zu den "richtigen" Sternen gezählt. Bei
W1906+40 gehen die Astronomen davon aus, dass es sich tatsächlich um einen Stern
handelt. Seine Temperatur liegt bei knapp 2.000 Grad Celsius. Das ist für einen
Stern äußerst kalt und würde auch die Bildung von Wolken in der Atmosphäre
erlauben. "Die Wolken der L-Zwerge bestehen aus winzigen Mineralien", erläutert
Gizis.
Mit dem Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer haben Astronomen schon mehrfach
Wolken in der Atmosphäre von Braunen Zwergen beobachten können und auch Hinweise
auf Stürme, die einige Stunden oder gar Tage andauern. In einer jetzt
vorgestellten Untersuchung konnten die Wissenschaftler die Veränderungen in der
Atmosphäre von W1906+40 jedoch über einen Zeitraum von zwei Jahren verfolgen.
Ursprünglich entdeckt worden war der Zwergstern im Rahmen der Himmelsdurchmusterung
des Wide-field Infrared Survey Explorers (WISE) im Jahre 2011. Dann fiel Gizis
und seinen Kollegen auf, dass sich der Stern zufällig genau in dem Bereich des
Himmels befindet, in dem das Weltraumteleskops Kepler viele Jahre lang nach
Planeten gesucht hatte.
Kepler fahndet mithilfe der Transitmethode nach Planeten, sucht also nach
winzigen Helligkeitsschwankungen bei Sternen, die durch einen - vor der Scheibe
des Sterns - vorüberziehenden Planeten verursacht sein könnten. Auch bei
W1906+40 waren in den Kepler-Daten Helligkeitsschwankungen aufgefallen, die man
jedoch nicht auf einen Planeten, sondern auf einen "Sternenfleck" zurückführte,
also dem Äquivalent der von unserer Sonne bekannten Sonnenflecken.
Beobachtungen mit dem Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer zeigten dann aber,
dass es sich bei dem Fleck nicht um einen Sternenfleck handelt, sondern man es
hier mit einem gewaltigen Sturmsystem zu tun hatte, das den dreifachen
Erddurchmesser aufweist. Der Sturm umrundet den Stern alle neun Stunden und
befindet sich ganz in der Nähe des einen Pols von W1906+40.
Würde man mit einem Raumschiff zu W1906+40 reisen, würde der Sturm wie ein
dunkler Fleck in der Polarregion erscheinen. Die Wissenschaftler wollen nun
mithilfe von Kepler und Spitzer nach weiteren Stürmen auf massearmen Sternen und
Braunen Zwergen Ausschau halten. "Wir wissen nicht, ob diese Art von Sturm
einzigartig oder ganz normal ist und wissen auch nicht, wie er so lange
existieren kann", so Gizis.
W1906+40 ist 53 Lichtjahre von der Erde entfernt und befindet sich im
Sternbild Leier. Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Astrophysical Journal erschienen ist.
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