Blick auf die Folgen einer Galaxienkollision
von Stefan Deiters astronews.com
9. Dezember 2015
Die europäische Südsternwarte ESO hat heute ein neues Bild
veröffentlicht, das die Folgen einer gewaltigen Galaxienkollision zeigt, die
sich vor etwa 360 Millionen Jahren ereignet hat. Unter den Resten der Kollision
befindet sich auch eine ungewöhnliche Zwerggalaxie, die offenbar den Systemen
ähnelt, die im jungen Universum in großer Zahl zu finden waren.
Blick auf die Galaxie NGC 5291 und ihre
Umgebung.
Bild: ESO [Großansicht] |
Im Zentrum des heute von der europäischen Südsternwarte ESO veröffentlichten
Bilds befindet sich die elliptische Galaxie NGC 5291, die knapp 200 Millionen
Lichtjahre entfernt im Sternbild Zentaur liegt. Die Galaxie war vor etwa 360
Millionen Jahren in eine gewaltige Kollision verwickelt. Damals prallte eine
andere Galaxie mit großer Geschwindigkeit in das Zentrum des Systems. Gewaltige
Ströme aus Gas wurden dabei ins All hinausgerissen, die später einen Ring um NGC
5291 bildeten.
In diesem Ring kam es im Laufe der Zeit zu einer Klumpenbildung von Material.
Aus diesen dichten Ansammlungen von Gas wurden schließlich Sternentstehungsgebiete
und sogar einige Zwerggalaxien. Sie sind auf der Aufnahme als bläulich-weiße
Regionen rund um NGC 5921 zu erkennen. Der massereichste und hellste dieser
Klumpen ist rechts neben NGC 5921 zu sehen. Es handelt sich dabei um die
Zwerggalaxie NGC 5291N.
Zwerggalaxien spielen, so die Überzeugung der Astronomen, bei der Entwicklung
von Galaxien eine entscheidende Rolle. So vermutet man, dass große Galaxien wie
die Milchstraße in den Anfangsjahren des Universums vor allem dadurch gewachsen
sind, dass sie zahlreiche kleinere Zwerggalaxien in ihrer Umgebung verschluckt
haben. Sollten sich noch Vertreter dieser ursprünglichen Zwerggalaxien finden
lassen, dürften diese heute überwiegend aus sehr alten Sternen bestehen.
In NGC 5291N befinden sich allerdings keine alten Sterne. Spektrographische
Beobachtungen mit dem Instrument MUSE am Very Large Telescope der ESO lieferten
Hinweise darauf, dass in den äußeren Bereichen der Galaxie neue Sterne
entstehen. Die Eigenschaften von NGC 5291N, so die Vermutung der Astronomen,
sind Ergebnis der Kollision von ungeheuren Gasmengen in dieser Region.
NGC 5291N sieht auch nicht wie eine typische Zwerggalaxie aus, sondern ähnelt
vielmehr verblüffend den klumpigen Strukturen, die man in vielen Galaxien mit
intensiver Sternentstehung im jungen Universum findet. Das System bietet den
Astronomen daher die Möglichkeit, Aspekte von jungen und gasreichen Galaxien zu
erforschen, die in der Regel so weit von uns entfernt sind, dass sie sich mit
aktuellen Teleskopen kaum detailliert untersuchen lassen. NGC 5291N hingegen
befindet sich im Vergleich dazu praktisch in unserer Nachbarschaft.
Die elliptische Galaxie NGC 5291 und ihre Umgebung wurden schon wiederholt
von Teleskopen anvisiert, doch lieferte erst das Very Large Telescope zusammen
mit seinen Instrumenten die Informationen, die nötig waren, um die Geschichte
und die Eigenschaften von NGC 5291N im Detail zu verstehen. NGC 5291
wechselwirkt auch heute noch mit einer anderen Galaxie. Diese ist als
tropfenförmiges Gebilde links unterhalb der elliptischen Galaxie zu erkennen.
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheinen wird.
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