ESA-Testsonde vor dem Start
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
1. Dezember 2015
Mit der Sonde LISA Pathfinder will die ESA
Technologien testen, die für das weltraumbasierte
Gravitationswellenobservatorium eLISA benötigt werden, das in etwa 20
Jahren einsatzbereit sein soll. Der Start der Sonde ist für Mittwochmorgen
geplant, ihren Einsatzort wird die Sonde dann im Januar des kommenden Jahres
erreichen.
Die ESA-Sonde LISA Pathfinder soll neue
Technologien für ein
Gravitationswellenobservatorium im All testen.
Bild:
ESA/ATG medialab [Großansicht] |
Die ESA-Sonde LISA Pathfinder soll morgen, am 2. Dezember 2015, um 5.15
Uhr MEZ vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana an Bord
einer Vega-Rakete abheben. Die Sonde hat eine besondere Mission: Sie
wird, daher auch der Name, neuartige Technologien testen, die für das geplante
weltraumbasierte Gravitationswellen-Observatorium eLISA benötigt
werden. Im LISA Pathfinder-Projekt stecken mehr als zehn Jahre
wissenschaftlicher Entwicklungsarbeit, an denen das Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover als einer der
führenden Partner beteiligt ist.
"Mit LISA Pathfinder werden wir zentrale Technologien für zukünftige
Missionen wie eLISA demonstrieren und so der Messung von
Gravitationswellen im Weltraum entscheidend näher kommen", erläutert Prof. Dr.
Karsten Danzmann, Direktor am Albert-Einstein-Institut und Professor an der
Leibniz Universität Hannover.
Nach dem Start am 2. Dezember wird LISA Pathfinder zunächst eine
Parkbahn nahe der Erde einnehmen und sich rund zwei Stunden später von der
Oberstufe der Rakete trennen. Von 6. Dezember an beginnen dann eine Reihe von
sechs Bahnkorrekturmanövern, die den erdfernsten Punkt der elliptischen
Umlaufbahn innerhalb von fünf Tagen immer weiter anheben. Schließlich wird die
Sonde den Erdorbit vollständig verlassen und auf einer Transferbahn in Richtung
des sogenannten Lagrangepunkts L1 driften - rund 1,5 Millionen Kilometer von der
Erde in Richtung Sonne entfernt. Nach rund 40 Tagen Reisezeit wird der Satellit
dort ankommen und eine Bahn um den Lagrangepunkt einnehmen.
Dieser Orbit bietet ideale Bedingungen für die Hauptaufgabe von LISA
Pathfinder: zwei Testmassen im perfekten freien Fall zu platzieren und
dabei ihre Positionen mit nie zuvor erreichter Präzision zu vermessen und zu
kontrollieren. Dieses wissenschaftliche Kunststück wird nur mit ausgeklügelten,
technisch überaus anspruchsvollen Methoden funktionieren, etwa mit
Trägheitssensoren, hochgenauen Lasermessungen, einem berührungsfreien
Kontrollsystem und einem extrem präzisen Antrieb. All diese Technologien sind
für das im Weltraum geplante Gravitationswellen-Observatorium eLISA
unentbehrlich.
In jedem der beiden separaten Vakuumtanks der wissenschaftlichen Nutzlast von
LISA Pathfinder soll während des Missionsbetriebs jeweils eine zwei
Kilogramm schwere, würfelförmige Testmasse frei von allen inneren und äußeren
Störkräften schweben und so die präzise Vermessung und Kontrolle einer
kräftefreien Bewegung im Raum demonstrieren. Mittels Laserinterferometrie werden
die Positionen und die Ausrichtung der beiden Testmassen relativ zum Satelliten
und zueinander mit bisher unerreichter Genauigkeit von etwa zehn Pikometern (hundertmillionstel
Millimeter) bestimmt.
Dieses optische Präzisionsmesssystem wurde unter Federführung und mit
maßgeblicher Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik in
Hannover entwickelt und gebaut. Danzmann ist außerdem Co-Principal Investigator
für das LISA Pathfinder Technology Package, das wissenschaftliche
Herzstück des Satelliten.
Die wissenschaftliche Hauptmission von LISA Pathfinder beginnt, wenn
alles wie vorgesehen klappt, am 1. März 2016 und wird mindestens sechs Monate
dauern. Während dieser Zeit wollen die Wissenschaftler viele einzelne,
aufeinander aufbauende Experimente ausführen. Diese sollen den nahezu perfekten
freien Fall vermessen, indem sie die nicht von der Schwerkraft stammenden
Störbeschleunigungen bestimmen, wesentliche Störquellen identifizieren und falls
erforderlich weiter minimieren.
Die Wissenschaftler in Hannover sind führend an der Entwicklung der
Auswertungssoftware beteiligt, die eine zentrale Rolle beim Extrahieren der
entscheidenden Information aus den Messdaten spielt. Dafür betreibt das Institut
einen Kontrollraum in Hannover. Da eine unmittelbare Auswertung der Daten für
die Konfiguration der Folgeuntersuchungen entscheidend ist, sind Mitarbeiter des
Instituts auch ständig am Raumfahrtkontrollzentrum der ESA in Darmstadt präsent.
LISA Pathfinder ist Wegbereiter für eLISA, ein großes
Weltraumobservatorium, das eines der am schwersten fassbaren astronomischen
Phänomene direkt beobachten soll - Gravitationswellen. Der Nachweis dieser von
Albert Einstein im Jahr 1916 vorhergesagten winzigen Verzerrungen der Raumzeit
erfordert eine sehr empfindliche und hochpräzise Messtechnik.
Weltraumobservatorien wie eLISA sollen Gravitationswellen mit
Frequenzen im Millihertz-Bereich nachweisen, wie sie Paare extrem massereicher
Schwarzer Löcher oder Doppelsternsysteme aus Weißen Zwergen aussenden. So
ergänzen sie irdische Detektoren wie GEO600, aLIGO und
Virgo, die bei höheren Frequenzen Gravitationswellen von weniger
massereichen Objekten aufspüren sollen. eLISA soll, so die aktuellen
Planungen der ESA, Mitte der 2030er Jahre gestartet werden.
Update (1. Dezember, 17.45 Uhr): Der Start von LISA
Pathfinder wurde wegen eines Problems mit der Vega-Trägerrakete
verschoben. Nach einer Untersuchung des Problems morgen soll dann entschieden
werden, ob der Start übermorgen erfolgen kann.
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