Ein Schwarm aus Kometen um KIC 8462852?
von Stefan Deiters astronews.com
27. November 2015
Vor einigen Wochen sorgte eine Entdeckung des
Weltraumteleskops Kepler für Aufregung: Der Stern KIC 8462852 hatte sich 2011
und 2013 unerwartet und auf zuvor noch nicht beobachtete Weise verdunkelt.
Verdeckten etwa gewaltige künstliche Strukturen zeitweise das Licht des Sterns?
Astronomen glauben eher an eine natürliche Erklärung: einen Schwarm von Kometen.
Doch sicher ist dies nicht.
War ein Schwarm aus Kometen für die
eigentümliche Verdunklung des Sterns KIC 8462852
in den Jahren 2011 und 2013 verantwortlich? Bild: NASA
/ JPL-Caltech [Großansicht] |
Aufgabe des Weltraumteleskops Kepler ist es, Planeten um andere Sonnen
mithilfe der Transitmethode aufzuspüren. Dabei behält das Teleskop eine große
Zahl von Sternen im Blick und sucht nach charakteristischen
Helligkeitsschwankungen, die entstehen, wenn ein Planet - von der Erde aus
betrachtet - vor der entfernten Sonne vorüberzieht.
Ein Planet verrät sich in der Regel durch eine sehr charakteristische und
wiederkehrende geringfügige Verringerung der Leuchtkraft eines Sterns. Um KIC
8462852 registrierte Kepler in den Jahren 2011 und 2013 allerdings ein bislang
noch nicht beobachtetes Phänomen: Die Helligkeit des Sterns ging zeitweise
dramatisch zurück und dies auf eine Weise, wie man sie zuvor noch nie beobachtet
hatte.
Irgendetwas muss sich also vor den Stern geschoben und diesen verdunkelt
haben. Doch was? Im September wurde, oft nicht immer ganz seriös, heftig darüber
diskutiert: Könnte das Flackern des Sterns am Ende sogar ein Hinweis auf
gewaltige, von einer fortschrittlichen Intelligenz gebaute
Strukturen sein, die um den fernen Stern kreisen? Astronomen konnten sich für
diese Art der Spekulation schon damals nicht begeistern und suchten in den
Archiven nach weiteren Beobachtungen von KIC 8462852, um ihren Verdacht zu
erhärten: Ein Kometenschwarm könnte nämlich das Licht des fernen Sterns
verdunkelt haben. Oder waren es doch die Reste eines Planeten oder von
Asteroiden?
Planetentrümmer und Asteroiden sollten mit einer großen Menge an Staub
verbunden sein, die sich durch Infrarotbeobachtungen erkennen lassen sollte.
Daher schauten sich die Wissenschaftler zunächst die Daten des Wide-Field
Infrared Survey Explorers (WISE) an, der auch KIC 8462852 im Jahr 2010
beobachtet hatte. Es fanden sich hier allerdings keine Hinweise auf den
vermuteten Staub.
Eventuell hatte sich die Kollision aber erst danach ereignet, so dass diese
Daten noch keinen Ausschluss dieser Theorie erlaubten.
Auch das Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer hatte KIC 8462852 anvisiert und
dies sogar erst in diesem Jahr. "Mit Spitzer wurden all die Hunderttausende von
Sternen beobachtet, die Kepler nach Planeten absucht", erklärt Michael Werner
vom Jet Propulsion Laboratory der NASA. "Die Hoffnung war, Infrarotstrahlung
vom Staub rund um die Sterne zu entdecken." Allerdings zeigten auch die
Spitzer-Daten keinen signifikanten Hinweis auf warmen Staub um den Stern.
Für die Astronomen erscheint es daher relativ unwahrscheinlich, dass die
Trümmer einer Kollision von Asteroiden oder sogar Planeten um KIC 8462852 für
die eigentümliche Verdunkelung des Sterns verantwortlich waren. Weitaus
wahrscheinlicher dürften daher Kometen sein, die auf sehr langen, exzentrischen Bahnen
um den Stern kreisen: Vorneweg ein großer Komet, der für die Verdunklung im Jahr
2011 verantwortlich war, zwei Jahre später zog dann der Rest des
Kometenschwarms vor der Scheibe von KIC 8462852 vorüber.
Die Astronomen weisen darauf hin, dass noch weitere Beobachtungen nötig
sind, um den Fall "KIC 8462852" aufzuklären. "Das ist ein wirklich merkwürdiger
Stern", so Massimo Marengo von der Iowa State University. "Es erinnert mich ein
wenig an die erste Entdeckung von Pulsaren. Sie sandten ungewöhnliche Signale
aus, die man noch nie zuvor beobachtet hatte und der erste bekam die Bezeichnung
LGM-1 für 'Little Green Men' ('Kleine Grüne Männchen')". Später stellte sich dann heraus, dass es sich bei Pulsaren um ein ganz
natürliches Phänomen handelt. "Wir wissen vielleicht noch gar nicht, was um
diesen Stern herum vorgeht", so Marengo. "Aber das macht die Sache ja gerade
erst interessant."
Über ihre aktuellen
Untersuchungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift The
Astrophysical Journal Letters erschienen ist.
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