Suche nach Sternen mit Radioteleskopen?
von Stefan Deiters astronews.com
15. Oktober 2015
Astronomen glauben, mithilfe von Radiobeobachtungen bislang
unentdeckte Sterne im Zentrum unserer Milchstraße aufspüren zu können. Diese
müssten sich allerdings mit sehr großer Geschwindigkeit bewegen, was aber in
unmittelbarer Nähe des supermassereichen Schwarzen Lochs kein Problem sein
sollte. Die Methode wird sich schon in rund zwei Jahren testen lassen.
Das Zentrum der Milchstraße in einer
Nahinfrarot-Aufnahme des Very Large Telescope der
ESO.
Bild: ESO / S. Gillessen et al. [Großansicht] |
Das Zentrum der Milchstraße liegt - von der Erde aus betrachtet - hinter
dicken Wolken aus Staub, die praktisch alle Strahlung im sichtbaren Bereich des
Lichts verschlucken. Die Vorgänge rund um das dort vorhandene
supermassereiche Schwarze Loch sind aber natürlich von großem Interesse.
Amerikanische
Astronomen glauben nun eine Methode gefunden zu haben, mit deren Hilfe man nach
bislang verborgenen Sternen im Zentrum der Milchstraße Ausschau halten könnte: Sie wollen nach Radiowellen
suchen, die von Sternen stammen, die sich mit Überschallgeschwindigkeit
bewegen.
"Es gibt eine Menge, was wir noch nicht über das galaktische Zentrum wissen
und vieles, was wir noch erfahren wollen", so Idan Ginsburg vom
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. "Wir glauben, mit diesem Verfahren
Sterne finden zu können, die noch niemand zuvor gesehen hat."
Dazu schlagen die Forscher vor, das galaktische Zentrum mit Radioteleskopen
zu beobachten. Im Radiobereich können Wellen den Staub nämlich praktisch
ungehindert passieren. Allerdings sind Sterne von sich aus im Radiobereich nicht
hell genug, um in dieser Entfernung noch entdeckt werden zu können. Bewegen sie
sich allerdings durch Gas mit einer Geschwindigkeit, die größer als die
Schallgeschwindigkeit ist, kann sich das Bild ändern.
Der stellare Wind des Sterns
kollidiert dann mit dem umgebenden Gas und es bildet sich eine Stoßwelle. Hier können
nun Elektronen beschleunigt werden, deren Radiostrahlung man dann eventuell entdecken
kann. Die Fachleute sprechen dabei von Synchrotronstrahlung. "In gewisser Weise
suchen wir nach dem kosmischen Äquivalent eines Überschallknalls, den wir von
Flugzeugen kennen", so Ginsburg.
Damit sich eine Stoßwelle ausbildet, müssten sich die Sterne mit einer
Geschwindigkeit von einigen Tausend Kilometern pro Sekunde bewegen. Das hört
sich zwar viel an, sollte aber im Zentralbereich unserer Galaxie durchaus
machbar sein, da sich die Sterne dort unter dem Einfluss der extremen Anziehungskraft
des supermassereichen Schwarzen Lochs befinden. Besonders wenn sich ein Stern dem
Punkt seiner Umlaufbahn nähert, an dem er dem Schwarzen Loch am nächsten ist, sind
solche Geschwindigkeiten durchaus realistisch.
Um ihr Verfahren zu testen, schlagen die Wissenschaftler vor, es mithilfe
eines bereits bekannten Sterns im Zentrum auszuprobieren: Der Stern mit der Bezeichnung S2
leuchtet im Infraroten so hell, dass er in diesem Wellenlängenbereich trotz des
Staubs beobachtet werden kann. Er wird in der Zeit von Ende 2017 bis Anfang
2018 den zentrumsnächsten Abschnitt seiner Umlaufbahn durchlaufen. In diesem
Zeitraum könnte man nach Radiostrahlung von seiner Stoßwelle
Ausschau halten.
"S2 wird unser entscheidender Test sein", so Avi Loeb vom Harvard-Smithsonian
Center for Astrophysics. "Wenn wir ihn im Radiobereich erkennen können, dann
könnte man diese Methode auch verwenden, um kleinere und lichtschwächere Sterne
aufzuspüren - Sterne, die man auf andere Weise nicht entdecken kann."
Über ihr vorgeschlagenes Verfahren berichten die Astronomen in einem
Fachartikel, der in der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal
Astronomical Society erschienen ist.
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