Merkur dreht sich schneller als gedacht
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
10. September 2015
Mit der Sonde MESSENGER wurde der sonnennächste Planet
Merkur erstmals aus einem Orbit untersucht. Mithilfe der dabei gewonnenen Daten
konnten Wissenschaftler jetzt die Rotationsgeschwindigkeit des Planeten um die
eigenen Achse mit großer Genauigkeit bestimmen: Merkur dreht sich danach neun
Sekunden schneller um die eigene Achse als erwartet.
Diese Aufnahme von Merkur, den innersten
Planeten in unserem Sonnensystem, wurde während
des ersten Vorbeiflugs der MESSENGER-Raumsonde in
2008 erstellt. Sie wurde aus Hunderten von
Einzelbildern gebildet. Bild:
NASA / Johns Hopkins University Applied Physics
Laboratory / Carnegie Institution of Washington /
DLR [Großansicht] |
Neun Sekunden sind nicht viel. Wer zu einer Verabredung etwa neun Sekunden zu
spät kommt, ist sozusagen pünktlich. Geht es aber um die Rotation eines Planeten
um die eigene Achse, sind neun Sekunden nicht unerheblich. Auf dem Merkur
bedeutet dies: Einen Punkt auf seinem Äquator würde man nach vier Jahren nicht
wieder dort finden, wo man ihn vermutet, sondern um 700 Meter verschoben.
Durch
präzise Höhenmessungen des Laser-Altimeters MLA an Bord der NASA-Raumsonde
MESSENGER und Vergleich der Laserdaten mit Geländemodellen, die aus den
Kameradaten der Raumsonde gewonnen wurden, haben Wissenschaftler unter Leitung
des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) festgestellt, dass sich der
Merkur im Durchschnitt etwa neun Sekunden schneller um die eigene Achse dreht
als erwartet.
"Vor der MESSENGER-Mission hatten wir nur unzureichende
Informationen über Merkur von den drei Vorbeiflügen der Mariner-10-Sonde und
Messungen von der Erde aus", erläutert Alexander Stark vom DLR-Institut für
Planetenforschung. Durch die genaue Vermessung der Rotation können Rückschlüsse
über den inneren Aufbau und damit über die Entwicklung des Merkurs gezogen
werden.
So wurde die Stärke der regelmäßigen Schwankung der
Rotationsgeschwindigkeit um den durchschnittlichen Wert ebenfalls vermessen und
"die Messungen bestätigen, dass Merkur einen großen teilweise geschmolzenen Kern
besitzt, der mehr als die Hälfte des Volumens und über 70 Prozent der Masse des
Planeten ausmacht" sagt Prof. Jürgen Oberst ebenfalls vom DLR-Institut für
Planetenforschung.
Die Mission MESSENGER (MErcury
Surface, Space ENvironment, GEochemistry and Ranging) erreichte am 18. März 2011
ihr Ziel und umkreiste - bis zum Missionsende am 30. April 2015 - 3308 Mal den
Merkur. "Mit MESSENGER waren wir direkt vor Ort", sagt DLR-Planetenforscher
Stark, der die Rotationsbewegung des Merkur gemeinsam mit Frank Preusker und
Oberst vom DLR sowie einem Team amerikanischer Partner untersuchte.
Merkur nimmt unter den Planeten
eine Sonderstellung ein: Als erster Planet umkreist er die Sonne in einer
Entfernung von nur etwa 60 Millionen Kilometern. Aufgrund seiner Nähe zum
Zentralgestirn ist er starken Gezeitenkräften ausgesetzt. Seine etwa 59-tägige
Rotation ist gekoppelt an die 88 Tage dauernde Umlaufzeit um die Sonne. Er
rotiert somit exakt dreimal um seine Achse, in der gleichen Zeit, in der er
zweimal um die Sonne kreist - das Verhältnis zwischen einem Umlauf um die Sonne
und der Rotationdauer um die eigene Achse beträgt also 3:2, was es so im
Sonnensystem kein zweites Mal gibt.
"Eine mögliche
Erklärung für die schnellere Rotation Merkurs ist, dass Jupiter die Bahn von
Merkur stört", spekuliert Stark. "Dadurch ändert sich
der Abstand der Sonne und als Folge auch die Rotationsgeschwindigkeit des
Merkur." Diese kleine Änderung war mit den bisherigen Messverfahren nicht
messbar. Aus der periodischen Torkel-Bewegung Merkurs auf seiner Bahn kann man
zudem - wie bei einem rohen und einem gekochten Ei, das man auf einer
Tischplatte kreiseln lässt - auf die innere Beschaffenheit des Körpers,
insbesondere auf die Anteile von festen und flüssigen Stoffen, schließen. Bei
Merkur lässt sich so sogar unter Zuhilfenahme des Gravitationsfeldes die Größe
und Dichte des Kerns bestimmen.
"Mit der
Vermessung der Rotationsgeschwindigkeit und den dadurch möglichen Rückschlüssen
auf das Innere von Merkur haben wir eines der großen Missionsziele von MESSENGER
erreicht", sagt DLR-Planetenforscher Stark. Ein korrektes
Rotationsmodell für den Planeten ist Grundlage für die Erstellung von präzisen
Karten, die auch für die Planung zukünftiger Missionen zum Merkur wichtig sind.
Die Raumsonde Bepi Colombo der europäischen Weltraumagentur ESA, die 2017
zum Merkur starten soll, wird die Oberfläche und den inneren Aufbau des
sonnennächsten Planeten weiter erforschen. Auch das DLR wird dann wieder beim
Flug zum Merkur dabei sein: Zu den elf wissenschaftlichen Instrumenten an Bord
der Sonde gehören auch das Laser-Altimeter BELA sowie das Spektrometer MERTIS,
beides Instrumente, die das DLR mit Partnern beisteuert.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler jetzt in einem
Fachartikel, der in den Geophysical Research Letters der
American Geophysical Union veröffentlicht wurde.
|