Mit Gravitationslinsen auf Dunkle-Materie-Suche
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
2. September 2015
Die sorgfältige Auswertung von sogenannten
Gravitationslinsen erlaubt Astronomen die Kartierung der ansonsten unsichtbaren
Dunklen Materie in Galaxienhaufen und Galaxien. Eine neue Forschergruppe in
München will sich nun verstärkt der Analyse von Gravitationslinsen widmen und
hat dabei vor allem auch kleinere Galaxien im Visier.
Das Gravitationslinsensystem "Clone",
aufgenommen mit der Kamera WFPC2 des
Weltraumteleskops Hubble (Falschfarbenbild). Die
Galaxie G4, Teil der Gruppe von Galaxien im
Vordergrund, erzeugt eine zusätzliche Störung in
dem gelinsten Bogen der Hintergrundgalaxie.
Bild: Lin et al. 2009 NASA / HST |
In der Astrophysik ist der Gravitationslinseneffekt mittlerweile ein
gebräuchliches Werkzeug, um die Verteilung der Dunklen Materie abzuschätzen.
Simona Vegetti jedoch verwendet diesen Effekt für einen ganz bestimmten Zweck:
Mit hochauflösenden Bildern von starken Gravitationslinsen versucht sie kleine
Satellitengalaxien im fernen Universum zu finden und ihre Eigenschaften
einzugrenzen. Vor kurzem wurde sie zur Leiterin einer Max-Planck-Nachwuchsgruppe
am Max-Planck-Institut für Astrophysik ernannt, mit der sie ihre Studien unter
Verwendung dieser Technik entscheidend ausweiten kann.
Die Natur der Dunklen Materie und die Entstehung von Galaxien sind zwei wichtige
Fragen der modernen Kosmologie. Numerische Simulationen der Galaxienentstehung
haben gezeigt, dass das Ausmaß der Unterstrukturen in Galaxien stark von
Annahmen über die Natur der Dunklen Materie abhängt.
Allerdings kann die Dunkle Materie nicht direkt beobachtet werden und die
leuchtende Materie ist als Indikator nicht immer zuverlässig. Daher nutzt Simona
Vegetti den Gravitationslinseneffekt, bei dem das Licht einer entfernten Quelle
von einer großen Massenkonzentration auf dem Weg zum Beobachter abgelenkt und
verzerrt wird.
Schon während ihrer Promotion in Groningen und später als Postdoc am
Massachusetts Institute of Technology entwickelte sie ihre besondere
Methode: In starken Gravitationslinsensystemen, wie etwa Galaxienhaufen, können
einzelne kleine Galaxien Störungen in den beobachteten Linsenbildern induzieren.
Diese Störungen verraten den Wissenschaftlern dann etwas über die Eigenschaften
der Linse. Auf diese Weise lassen sich also die Massenstrukturen in Galaxien,
Galaxiengruppen und Galaxienhaufen messen, die als Gravitationslinse wirken.
Vor kurzem konnte ihre Methode dahingehend erweitert werden, dass sich nun auch
gelinste Galaxien bei hoher Rotverschiebung im Detail untersuchen lassen.
Während sich ihre Forschung bisher hauptsächlich auf relativ massereiche Systeme
beschränkte, wird ihr die Einführung von sehr viel empfindlicheren und
hochauflösenden Daten von Radiointerferometriesystemen erlauben, auch viel
kleinere Galaxien ab einer Masse von nur einer Million Sonnenmassen zu
untersuchen - und dies über viele kosmologische Epochen hinweg.
"Mit der Ausweitung unserer Studien hin zu niedrigeren Massen erreichen wir
einen Bereich, in dem sich die Vorhersagen aus unterschiedlichen
Dunkle-Materie-Modellen und Modellen zur Galaxienentstehung deutlich
unterscheiden," erklärt Vegetti. "Dies macht es uns somit möglich, die
Eigenschaften der Dunklen Materie zu beschränken und die kosmologische
Standardtheorie der Galaxienbildung zu testen."
Max-Planck-Nachwuchsgruppen werden als kleinere, unabhängige
Forschungseinrichtungen gegründet, oft zur Ergänzung bereits bestehender
Abteilungen bei Max-Planck-Instituten. Die Gruppen bieten jungen
Nachwuchswissenschaftlern nach ihrer Promotion die Gelegenheit, sich weiter auf
einem sehr hohen Niveau zu qualifizieren.
Vegetti wurde für fünf Jahre berufen und wird im Oktober offiziell damit
beginnen ihre Gruppe aus zwei Doktoranden und zwei Postdoktoranden aufzubauen,
mit denen sie gemeinsam an diesem speziellen Forschungsthema arbeiten wird.
"Gravitationslinsen und Kosmologie hatten schon immer eine besondere Faszination
für mich", sagt Vegetti. "Seit dem ersten Kurs, den ich während meines Studiums
an der Universität Turin besuchte. Es ist großartig, dass ich jetzt mit meiner
eigenen Gruppe so richtig in dieses Thema eintauchen kann."
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