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ERDE
Eine zusätzliche Sekunde im Juli
Redaktion / idw / Pressemitteilung der Physikalisch-Technische Bundesanstalt
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15. Juni 2015

Die Erdrotation ist nicht konstant: Unser Heimatplanet dreht sich allmählich immer langsamer um die eigene Achse und darüber hinaus auch unregelmäßig. Moderne Atomuhren sind inzwischen so genau, dass sich dieser Unterschied bemerkbar macht. Aus diesem Grund wird es Anfang Juli eine zusätzliche Sekunde geben. Unumstritten ist diese Maßnahme nicht.

Erde

Der Juli ist eine Sekunde länger, weil die Erddrehung nicht konstant ist. Bild: NASA / JPL

Genau drei Jahre nach der letzten Schaltsekunde ist es wieder soweit: In der Nacht zum 1. Juli 2015 wird es eine Extra-Sekunde geben. Damit werden die koordinierte Weltzeit UTC und unsere gesetzliche Zeit, aktuell die mitteleuropäische Sommerzeit MESZ, um eine Sekunde verlängert. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) folgt der Vorgabe des Internationalen Erd-Rotations-Service (IERS) in Paris und fügt die Schaltsekunde in die Signale ihrer Zeitdienste ein: in die DCF77-Zeitaussendung für Funkuhren, den Telefonzeitdienst und den Internetzeitdienst über NTP. Nötig ist diese Maßnahme, weil die Atomuhren gleichmäßiger "ticken", als sich die Erde dreht.

"Zeit ist das, was man an der Uhr abliest", soll Albert Einstein, einst Kurator der PTB-Vorgängerin, der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt PTR, gesagt haben. Solange Menschen Uhren bauen, suchen sie nach möglichst stabilen, periodischen Vorgängen als Taktgeber: Schwingungen von Pendeln, in Quarzkristallen (seit etwa 1930) und ab 1967 auch in Cäsium-Atomen.

So ist definitionsgemäß exakt nach 9.192.631.770 Schwingungen eines Mikrowellensignals, welches Caesiumatome in einer Atomuhr anregt, genau eine Sekunde vergangen. Diese Schwingungszahl wurde im Jahr 1967 von der Generalkonferenz der Meterkonvention festgelegt und in die Definition der SI-Basiseinheit Sekunde geschrieben. Sie orientierte sich allerdings letztlich doch an der Rotationsperiode der Erde, dem klassischen Taktgeber unseres Lebens auf der Erde.

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Aus astronomischen Beobachtungen weiß man schon seit Langem, dass sich die Drehung der Erde um die eigene Achse ganz allmählich verlangsamt - und zudem "eiert" sie, die Rotationsperiode ist veränderlich. Die Reibung der Gezeiten sorgt für ein stetiges Abbremsen der Erde. Die Lage der Rotationsachse im Erdkörper verändert sich - und zusätzlich können Erdbeben, das Schmelzen der Gletscher und die Massenverteilung in der Atmosphäre im Lauf der Jahreszeiten die Drehgeschwindigkeit der Erde verändern.

Der letztgenannte Effekt konnte erstmals mit den Quarzuhren der PTR in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts nachgewiesen werden. "Atomuhren sind heute die Grundlage für die genaue Beobachtung der Erdrotation. Die von ihnen abgeleitete Uhrzeit passt aber eben nicht perfekt zu unserem ganz natürlichen Zeitmaß", erklärt der Physiker Andreas Bauch, der in der PTB für die Aussendung der Zeitsignale zuständig ist.

Bereits im Jahr 1972 hinkte die aus der Drehung der Erde abgeleitete Weltzeit der Atomzeit aus den Caesium-Uhren um zehn Sekunden hinterher. Bis dahin hatte man Anpassungen in kleinen Schritten und zudem nicht weltweit auf die gleiche Weise vorgenommen. Dann entschloss man sich, fortan eine Zeitskala mit Schaltsekunden als weltweite Referenzzeit zu verwenden. Die Uhrzeit wird so näherungsweise im Einklang mit der Erdrotation, also der Weltzeit gehalten, immer innerhalb von 0,9 Sekunden. Seitdem machen Schaltsekunden aus der Atomzeit die "koordinierte Weltzeit" UTC.

Wie unregelmäßig schnell sich die Erde dreht, sieht man daran, dass zwischen 1999 und 2006 sieben Jahre vergingen, bevor eine Schaltsekunde nötig wurde; danach waren es drei Jahre, dann 3,5 Jahre und jetzt wieder drei Jahre. Die aktuelle Tageslänge wird aus der Winkelstellung der Erde im Raum mit Bezug auf Quasare über Radioteleskope und auf die Satelliten des GPS-Navigationssystems ermittelt.

Nun hat der Internationale Erd-Rotations-Service, der diese Messungen sammelt und auswertet, die 26. Schaltsekunde seit dem 1. Januar 1972 angeordnet. Sie wird weltweit zum selben Zeitpunkt eingefügt: am 30. Juni 2015 nach 23.59:59 koordinierter Weltzeit, in unserer gesetzlichen Zeit also am 1. Juli nach 1.59:59. Uhren, die in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Zeit gehalten werden sollen, müssen dann um eine Sekunde angehalten werden.

Besitzer von Funkuhren brauchen sich um nichts zu kümmern. Das Programm des Langwellensenders DCF77 in Mainflingen, über den die PTB die Zeitsignale aussendet, wurde bereits für das Einfügen der Schaltsekunde vorbereitet. Im normalen Alltag ist diese Schaltsekunde nicht wirklich relevant. Anders ist das beispielsweise in der Astronomie, da bei der Ausrichtung eines Teleskops Weltzeit und Atomzeit übereinstimmen oder der Unterschied zwischen beiden Zeitskalen exakt bekannt sein muss.

Zudem kann das Einfügen einer Schaltsekunde in Betriebssystemen von Computern und speziell bei der Erzeugung von eindeutigen Zeitstempeln Probleme bereiten. Ebenso ist es möglich, dass die Schaltsekunde bei Energieversorgern sowie Telekommunikationsunternehmen, die auf sekundengenaue Abrechnung angewiesen sind, Probleme verursacht. Daher fordern Kritiker immer wieder die Abschaffung der Schaltsekunde.

Seit Jahren wird nun schon das Für und Wider von Schaltsekunden diskutiert. Eine Entscheidung wird vermutlich im November 2015 auf der World Radiocommunication Conference der Internationalen Telekommunikationsunion fallen. An der Einführung der Schaltsekunde Anfang Juli ändert dies allerdings dann nichts mehr.

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siehe auch
Erde: Der Juli wird eine Sekunde länger - 25. Juni 2012
Erde: Silvesternacht um eine Sekunde länger - 30. Dezember 2008
Zeitmessung: Silvesternacht eine Sekunde länger - 29. Dezember 2005
Links im WWW
Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)
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