Experimente mit unmöglichen Teilchen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Jena astronews.com
27. Mai 2015
Im Teilchenzoo der Physiker existieren auch Partikel, die es
eigentlich gar nicht geben kann. Zu diesen zählt das Majorana-Teilchen, das
gleichzeitig sein eigenes Antiteilchen ist. Physikalische Experimente sind unter
diesen Bedingungen kaum vorstellbar. Jetzt fanden Forscher aber eine
Möglichkeit, Versuche mit solchen unmöglichen Teilchen zu simulieren.
Der italienische Physiker Ettore Majorana ist
Namensgeber eines mysteriösen Partikels.
Bild: Wikipedia |
Im März 1938 bestieg der italienische Teilchenphysiker Ettore Majorana in Neapel
ein Postschiff nach Palermo. Doch dort kam er entweder nicht an oder verließ die
Stadt sofort wieder - seit jenem Tag fehlt nämlich von dem
Ausnahmewissenschaftler jede Spur und bis heute ist sein rätselhaftes
Verschwinden nicht aufgeklärt. Majorana, Schüler des Physik-Nobelpreisträgers
Enrico Fermi, ist darüber weitgehend in Vergessenheit geraten.
Geblieben sind der Fachwelt eine von ihm entwickelte Theorie über Kernkräfte und
ein ganz besonderes Elementarteilchen. "Dieses nach Majorana benannte Teilchen,
das sogenannte Majoranon, besitzt ganz erstaunliche Eigenschaften", erläutert
Juniorprofessor Dr. Alexander Szameit von der Friedrich-Schiller-Universität
Jena. "Eigenschaften, die es in unserer Welt gar nicht geben kann."
So sollen Majorana-Teilchen gleichzeitig ihre eigenen Antiteilchen sein: Sie
vereinen in sich völlig entgegengesetzte Eigenschaften wie gegensätzliche
Ladungen und Eigendrehimpulse und würden sich selbst - wären sie tatsächlich
existent - sofort auslöschen. "Sie sind deshalb rein theoretischer Natur und
lassen sich nicht in Experimenten messen."
Szameit und seinem Team ist es gemeinsam mit internationalen Fachkollegen jetzt
dennoch gelungen, das Unmögliche möglich zu machen: Die Wissenschaftler haben
eine Versuchsanordnung entwickelt, mit der sich geladene Majorana-Teilchen
simulieren und diese damit physikalischen Experimenten zugänglich machen lassen.
Dafür nutzen die Wissenschaftler aus Jena, Singapur und Innsbruck ein System aus
optischen Wellenleitern, die in einen Glas-Chip graviert sind.
"Wir schicken zeitgleich zwei Lichtstrahlen durch parallel verlaufende
Wellenleiter, die die gegensätzlichen Eigenschaften separat aufweisen",
erläutert Dr. Robert Keil aus Szameits Team. An einem von den Experimentatoren
festgelegten Punkt überlagern sich die beiden Wellen und vereinen sich für einen
kurzen Moment zu einem optischen Majoranon, das als Lichtverteilung gemessen
werden kann.
Auf diese Weise erstellen die Forscher ein Abbild, das wie eine Fotografie eine
Momentaufnahme zeigt, in diesem Fall den Zustand eines Majoranons zu einem
definierten Zeitpunkt. "Durch die Abfolge vieler solcher Einzelaufnahmen, lassen
sich Teilchen wie in einem Film beobachten und ihr Verhalten untersuchen", so
Keil.
Dieses Modell erlaubt es den Jenaer Wissenschaftlern, ein völlig neues
Forschungsgebiet zu betreten, wie Szameit erklärt. "Uns ist es jetzt möglich,
Zugriff auf Phänomene zu erhalten, die bisher nur in exotischen Theorien
beschrieben werden konnten." So würden sich mit diesem System Experimente
simulieren lassen, in denen die Ladungserhaltung - ein Grundpfeiler der modernen
Physik - ganz einfach außer Kraft gesetzt werden kann.
"Unsere Ergebnisse zeigen, dass man nicht-physikalische Vorgänge im Labor
simulieren und so die exotischen Eigenschaften von theoretisch möglichen
Teilchen auch praktisch nutzen kann", so der Wissenschaftler. Ein mögliches
Anwendungsgebiet dieser simulierten Majoranons sieht Szameit in einer neuen
Generation von Quantencomputern. "Damit wären deutlich höhere Rechenkapazitäten
zu erreichen, als bislang möglich."
Über die Studie berichten die Wissenschaftler in einem
Fachartikel, der in der Zeitschrift Optica erschienen
ist.
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