Tests unter realen Bedingungen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
26. Mai 2015
Galileo, die europäische Alternative zu den
US-amerikanischen GPS-Satelliten, soll 2020 einsatzbereit sein. Damit dann schon ausreichend Anwendungen zur Verfügung stehen, werden entsprechende
Technologien bereits jetzt getestet. In der vergangenen Woche wurden dazu zwei
weitere Zentren in Betrieb genommen, in denen Anwendungen für den Auto- und den Zugverkehr erprobt werden.
Im railGATE in
Wegberg-Wildenrath bei Aachen werden innovative
Empfänger und Anwendungen für den Schienenverkehr
mit Original-Galileo-Signalen entwickelt. Acht
Sender (Pseudolites) strahlen die Signale in das
Testgebiet aus.
Foto: PCW / Siemens [Großansicht] |
Europas Satellitennavigationssystem Galileo soll im Jahr 2020
komplett einsatzbereit sein. Damit zu diesem Zeitpunkt alle technischen
Möglichkeiten ausgeschöpft werden können, hat das Raumfahrtmanagement des
Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) Interessierten eine Möglichkeit
eröffnet, moderne Navigationstechniken und -instrumente schon heute mit original
Galileo-Navigationssignalen testen, damit sie mit Beginn des "Galileo-Zeitalters"
einsetzbar sind.
Nachdem zuvor schon das GATE in Berchtesgaden , das SEA GATE in Rostock und
das aviationGATE in Braunschweig den Betrieb aufgenommen haben, wurden am 22.
Mai 2015 in der Nähe von Aachen die letzten beiden Galileo Test- und
Entwicklungsumgebungen - das automotiveGATE und das railGATE - eröffnet.
"Diese beiden GATEs zeigen, dass Galileo mehr zu bieten hat, als nur
eine verbesserte Satellitennavigation im Auto. Mit Galileo-Signalen
können durch präzise Navigation zum Beispiel Güterwagen autonom - wie von
Geisterhand rangiert - Sicherheitsintervalle zwischen zwei Zugfahrten verkürzen
oder Auffahrunfälle an Stauenden vermieden werden. Die Technik hierfür wird in
diesen beiden Testzentren entwickelt und soll zum Start von Galileo zur
Verfügung stehen", erklärt Oliver Funke, GATEs-Projektleiter im DLR
Raumfahrtmanagement.
Beide Galileo-Testzentren wurden von der Rheinisch-Westfälischen
Technischen Hochschule (RWTH) Aachen im Fördervorhaben "Galileo above"
errichtet. Im automotiveGATE strahlen sechs Sender die Galileo-Signale
in das Aldenhoven Testing Center (ATC) auf dem ehemaligen Zechengelände
"Emil Mayrisch" ab. So können hier schon jetzt alle erdenklichen
Verkehrssituationen unter Galileo-Realbedingungen getestet werden.
Dafür stehen neben einer Fahrdynamikfläche ein Ovalkurs, eine Bremsstrecke, eine
Schlechtwegstrecke, ein Handlingkurs sowie ein Steigungshügel zur Verfügung.
Das railGATE ist ein Galileo-Testfeld für Schienenfahrzeuge, das das
Streckennetz des Prüf- und Validationcenters Wegberg-Wildenrath der Siemens AG
(PCW) mit Galileo-konformen Signalen von acht Sendern aus abdeckt. Es
besteht aus Gleisanlagen unterschiedlicher Spurweite mit einer Gesamtlänge von
etwa 28 Kilometern. Auf zwei Testringen sowie weiteren Gleisen können
unterschiedliche Fahrsituationen nachgestellt werden.
An das Oberleitungsnetz lassen sich verschiedene Spannungen und Frequenzen
anlegen, so dass Schienenfahrzeuge für den internationalen Markt - vom ICE bis
zur Straßenbahn - auf die Probe gestellt werden können. Insgesamt sind bis 2016
acht größere Navigationsprojekte mit nationalen und internationalen Partnern in
den beiden GATEs geplant. Hauptförderer sind das DLR mit Mitteln des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, das Bundesministerium für Bildung
und Forschung sowie die Europäische Union.
Eines dieser Navigationsprojekte ist das Vorhaben "Galileo Online: GO!" des
DLR Raumfahrtmanagements. Dabei geht es um folgende Fragestellung: Züge fahren
nicht immer über flaches Land. Manchmal schirmen Tunnel, Bäume oder Häuser mit
Empfängern ausgestattete Züge vom Navigationssignal der Galileo-Satelliten
ab. Nach jeder Signalunterbrechung dauert es bis zu 30 Sekunden, bis der
Empfänger genügend Satelliten gefunden hat, die Position des Zuges wieder klar
berechnet hat und diese an die Rechenzentren der Bahn weitergeben kann.
"Mit Galileo Online: GO! entwickeln wir gemeinsam mit unseren Partnern gerade
einen Empfänger, der sofort nach der Unterbrechung wieder die Position und
nützliche Zusatzinformationen wie zum Beispiel Wartungsdaten des Zuges
weiterleiten kann", erläutert DLR-Projektleiterin Dr. Anett Ward. So können
engere Sicherheitsintervalle zwischen zwei Zügen auf derselben Strecke gewählt
und auch eingehalten werden. Außerdem können die Fahrgäste genauer über den
Reiseverlauf, mögliche Verspätungen und das Erreichen möglicher Anschlusszüge
informiert werden.
Doch wie kann die aktuelle Position so schnell wieder bestimmt werden? "Der
Empfänger wird mit einer Technik ausgestattet, die Daten von mehreren Sensoren
gleichzeitig 'verschmelzen' kann. Der Zug folgt auf den Schienen einem klar
vorbestimmten Weg und die aktuelle Geschwindigkeit sowie die Beschleunigung des
Zuges werden genau gemessen. In Kombination mit interaktivem Kartenmaterial
lässt sich dann genau bestimmen, wann der Zug zum Beispiel den Tunnel zukünftig
wieder verlassen wird und eine erneute Verbindung zu den Galileo-Satelliten
möglich ist. Gleichzeitig werden die Satellitenbewegungen mitgerechnet, so dass
beim Tunnelaustritt die Empfängerantennen genau auf die Satelliten ausgerichtet
sind und die Zugposition unmittelbar wieder bestimmt werden kann", erklärt René
Zweigel vom Institut für Regelungstechnik an der RWTH Aachen, der das
Gesamtprojekt seitens der RWTH leitet.
Dank des neuen Empfängers werden Satelliten schneller gefunden und die
aktuelle Position steht schon fest, sobald der Zug wieder ein Signal empfängt.
Der Receiver kann die Positions- und Zugdaten sofort an die Rechenzentren der
Bahn schicken, die dabei per Hochgeschwindigkeits-LTE-Mobilfunk übertragen
werden. So soll zum Beispiel mit den Daten von jedem einzelnen Zug ein
aktueller, individueller Fahrplan erstellt, Züge auf einem Rangierbahnhof
vollautomatisiert zusammengestellt und Container weltweit verfolgt werden
können.
|