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TEILCHENPHYSIK
Ein Raum fast ohne Magnetfeld
Redaktion / idw / Pressemitteilung der TU München
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19. Mai 2015

Magnetfelder sind überall und spielen im Universum eine entscheidende, oft sogar eine überlebenswichtige Rolle. Empfindliche Experimente allerdings, mit denen etwa die Struktur der Materie im Universum erforscht wird, werden durch Magnetfelder gestört. Physiker haben daher in Garching einen Raum konstruiert, in dem nur noch ein äußerst schwaches Magnetfeld nachweisbar ist.

Messraum

Blick in den magnetisch abgeschirmten Messraum mit Prof. Peter Fierlinger (links) und Mitarbeiter Michael Sturm. Foto: Astrid Eckert / TUM  [Großansicht]

Magnetfelder durchdringen Materie problemlos. Einen Raum zu schaffen, in dem es praktisch keine magnetischen Felder mehr gibt, ist daher eine große Herausforderung. Ein internationales Team von Physikern hat nun eine Abschirmung entwickelt, die niederfrequente Magnetfelder um einen Faktor von mehr als eine Million dämpft. Damit haben sie in Garching einen Raum geschaffen, in dem das schwächste Magnetfeld des Sonnensystems herrscht. Hier wollen die Physiker nun Präzisionsexperimente durchführen.

Auf der Erde sind wir stets von Magnetfeldern umgeben – natürlichen und künstlichen. Das Erdmagnetfeld, das in Mitteleuropa eine Stärke von etwa 48 Mikrotesla hat, ist immer vorhanden. Dazu addieren sich örtlich weitere Magnetfelder, etwa von Transformatoren, Motoren, Kränen oder auch von Metalltüren.

Einer Gruppe von Wissenschaftlern um Professor Peter Fierlinger, Physiker an der Technischen Universität München (TUM) und Mitglied des Exzellenzclusters Universe ist es nun gelungen, auf dem Garchinger Forschungscampus einen Raum mit 4,1 Kubikmeter Innenvolumen aufzubauen, in dem permanente und zeitlich veränderliche Magnetfelder um mehr als das Millionenfache reduziert sind.

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Dies wird durch eine magnetische Abschirmung aus verschiedenen Schalen einer hochmagnetisierbaren Legierung erreicht. Die dadurch erzielte magnetische Dämpfung sorgt dafür, dass das Rest-Magnetfeld im Inneren des Raums sogar kleiner ist als in den Tiefen unseres Sonnensystems. Es verbessert die bisherigen Dämpfungsmöglichkeiten um mehr als den Faktor zehn.

Die Reduzierung elektromagnetischer Störungen ist eine wichtige Voraussetzung für viele hochpräzise Experimente in der Physik, aber auch in der Biologie und der Medizin. In der Grundlagenphysik ist eine maximale magnetische Abschirmung entscheidend für die Präzisionsmessungen winziger Effekte von Phänomenen, die im frühen Universum die Entwicklung unseres Universums vorangetrieben haben.

Die Gruppe von Fierlinger entwickelt derzeit ein Experiment, welches die Ladungsverteilung – Physiker sprechen vom elektrischen Dipolmoment – in Neutronen bestimmen soll. Neutronen sind Kernteilchen, die ein winziges magnetisches Moment besitzen, aber elektrisch neutral sind. Zusammengesetzt sind sie aus drei Quarks, deren Ladungen sich jedoch nach außen aufheben. Wissenschaftler vermuten jedoch, dass Neutronen ein winziges elektrisches Dipolmoment besitzen. Doch die bisherigen Messungen erreichten nicht die nötige Präzision.

Der neue, nahezu magnetfeldfreie Raum schafft nun die Voraussetzungen, die Genauigkeit der bisherigen Messungen des elektrischen Dipolmoments des Neutrons um den Faktor 100 zu verbessern, und damit in die Dimension der theoretisch vorhergesagten Größe des Phänomens vorzudringen.

"Eine solche Messung wäre von fundamentaler Bedeutung für die Teilchenphysik und würde die Tür zu einer neuen Physik jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik weit aufstoßen", so Fierlinger. Das Standardmodell beschreibt mit hoher Präzision die Eigenschaften aller bisher bekannten Fundamentalteilchen.

Es bleiben jedoch Phänomene, für die es keine Erklärungen gibt: Die Schwerkraft etwa kommt in diesem Modell überhaupt nicht vor. Auch versagt das Standardmodell bei der Vorhersage des Verhaltens von Teilchen bei sehr hohen Energien, wie sie etwa im frühen Universum vorhanden waren. Und schließlich liefert es auch keine Begründung dafür, warum sich Materie und Antimaterie nach dem Urknall nicht vollständig vernichtet haben, sondern ein kleiner Teil Materie übrigblieb, aus dem wir und das uns umgebende, sichtbare Universum aufgebaut sind.

An Teilchenbeschleunigern wie dem Large Hadron Collider (LHC) am CERN versuchen Physiker daher kurzzeitig Bedingungen zu erzeugen, wie sie im frühen Universum geherrscht haben. Sie bringen Teilchen bei hohen Energien zur Kollision, um auf diese Weise insbesondere neue Teilchen zu erzeugen.

Die Experimente der Wissenschaftler in München sind komplementär zu dieser Hochenergie-Physik: "Unsere Hochpräzisions-Experimente können die Natur von Teilchen in Energie-Größenordnungen untersuchen, die von den gegenwärtigen oder zukünftigen Generationen von Teilchenbeschleunigern nicht erreicht werden dürften", erklärt Doktorand Tobias Lins, der im Labor von Fierlinger am Aufbau der magnetischen Abschirmung mitgearbeitet hat.

Exotische, bisher unbekannte Teilchen können die Eigenschaften von bekannten Teilchen verändern. Daher könnten selbst kleine Abweichungen bei den Eigenschaften bekannter Teilchen Hinweise auf bisher unentdeckte Partikel sein.

Über ihren Messraum berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Journal of Applied Physics erschienen ist.

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siehe auch
Neutrinos: Bislang kein Hinweis auf Majorana-Natur - 12. Juni 2014
Links im WWW
Preprint des Fachartikel bei arXiv.org
Technische Universität München
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