Wie Riesengalaxien sterben
von Stefan Deiters astronews.com
17. April 2015
Viele der größten Galaxien im Universum sind praktisch tot:
Sie bestehen hauptsächlich aus alten, rötlichen Sternen und produzieren keine
jungen Sonnen mehr. Doch auf welche Weise kam die Sternentstehung in diesen
Systemen zum Erliegen? Neue Beobachtungen deuten darauf hin, dass zunächst in
den Zentren der Galaxien keine neuen Sterne mehr entstanden sind.
IC 2006 ist ein Beispiel für eine massereiche
elliptische Galaxie.
Bild: ESA/Hubble & NASA /
Judy Schmidt und J. Blakeslee (Dominion
Astrophysical Observatory) [Großansicht]
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Elliptische Riesengalaxien zählen zu den größten Galaxien überhaupt. Die
eindrucksvollen, praktisch kugelförmigen Systeme unterscheiden sich jedoch nicht
nur durch ihre Ausdehnung und ihre Masse von Spiralgalaxien wie unserer
Milchstraße, sondern auch durch einen weiteren wichtigen Punkt: In riesigen
elliptischen Galaxien entstehen praktisch keine neuen Sterne mehr. Viele ihrer
Sonnen sind alte, rötliche Sterne. Astronomen bezeichnen sie daher oft auch als
"rot und tot".
Aus dem Alter dieser rötlichen Sterne lässt sich ableiten, dass die Galaxien
vor rund zehn Milliarden Jahren aufgehört haben müssen, neue Sterne entstehen zu
lassen - und damit genau zu der Zeit, in der die Sternentstehung im Universum
gerade ihren Höhepunkt erreicht hatte. Die Sternentstehungsrate lag damals rund 20
Mal höher als heute.
"Massereiche tote elliptische Galaxien enthalten etwa die Hälfte aller
Sterne, die im Universum während seiner gesamten Existenz entstanden sind",
erläutert Sandro Tacchella von der ETH Zürich. "Wir können schlecht
behaupten, dass
wir verstehen, wie sich das Universum entwickelt hat und zu dem wurde, was wir
heute von ihm sehen, wenn wir nicht wissen, wie diese Galaxien entstanden sind."
Mit seinen Kollegen hat Tacchella insgesamt 22 Galaxien mit
unterschiedlicher Masse untersucht, die wir alle zu einer Zeit sehen, in der
das Universum gerade einmal drei Milliarden Jahre alt war. Sie nutzten dazu
sowohl das Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO mit seinem
Instrument SINFONI, als auch das Weltraumteleskop Hubble, um detaillierte
Informationen über die Vorgänge in den entfernten Galaxien zu gewinnen.
"Es ist faszinierend, wie die adaptive Optik von SINFONI atmosphärische
Effekte weitestgehend ausschalten und Information darüber sammeln kann, wo neue
Sterne geboren werden, und das mit genau derselben Präzision, die Hubble für die
Bestimmung der Massenverteilung der Sterne erlaubt", ergänzt ETH-Kollegin
Marcella Carollo.
Die neuen Beobachtungen deuten darauf hin, dass in den massereichsten
der untersuchten Galaxien die Sternentstehung im Zentralbereich bereits
erloschen ist, während in den Außenbereichen noch immer neue Sterne
geboren werden. "Das nachgewiesene Erlöschen der Sternentstehung in massereichen
Galaxien von innen nach außen sollte ein neues Licht auf die zugrunde liegenden
Mechanismen werfen, die daran beteiligt sind - eine Frage, über die Astronomen
schon lange diskutieren", so Teammitglied Alvio Renzini vom INAF -
Osservatorio Astronomico di Padova.
Für das Erlöschen der Sternentstehungsaktivität machen viele Astronomen
intensive Strahlung und Partikelströme verantwortlich, die aus der direkten
Umgebung des aktiven zentralen supermassereichen Schwarzen Lochs in die Galaxie
abgegeben werden. Aktive Schwarze Löcher verschlingen große Mengen an
Material, schleudern dabei aber auch einen Bruchteil wieder in ihre Umgebung.
Alternativ könnte auch der Zufluss von frischem Gas in die Galaxie zum Erliegen
gekommen sein, womit dann kein Material mehr für neue Sterne zur Verfügung
gestanden hätte.
"Es gibt viele unterschiedliche theoretische Vorschläge für den
physikalischen Mechanismus, der zum Tod der massereichen elliptischen Galaxien
führte", so Teammitglied Natascha Förster Schreiber vom Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik in Garching. "Die Entdeckung, dass die Sternentstehung
vom Zentrum ausgehend nach außen erloschen ist, ist ein wichtiger Schritt für
das Verständnis dafür, wie es dazu kommen konnte, dass unser Universum so
aussieht, wie es heute der Fall ist."
Über ihre Ergebnisse berichten die Astronomen in der heutigen Ausgabe der Fachzeitschrift Science.
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