Miesmuschel-Experiment hat begonnen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
24. März 2015
Fast wäre ihr Haltbarkeitsdatum abgelaufen, in der
vergangenen Woche konnte aber das Experiment mit Zellen aus Miesmuscheln aus dem
Watt vor der Nordseeinsel Sylt im Weltraumlabor Columbus doch noch in
Betrieb gehen. Mithilfe der Muschelzellen sollen Informationen über die
Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf das Immunsystem gewonnen werden.
Astronautin Samantha Cristoforetti bereitet
auf der Internationalen Raumstation ISS das
Biolab für das Experiment Triplelux-B vor.
Foto: ESA / NASA [Großansicht] |
Manchmal landet die Gemeine Miesmuschel als "Muscheln nach rheinischer Art"
auf dem Teller oder wird in Belgien mit Pommes Frites serviert. Dass sie als
Blutspender für Weltraumexperimente zum Einsatz kommen, ist eher selten. Auf der
Internationalen Raumstation ISS ist dies jetzt aber der Fall: Mit dem Experiment
Triplelux-B untersuchen die Astronauten mit Muschelzellen, in welchem Ausmaß das
Immunsystem in der Schwerelosigkeit nachlässt.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) bereitete das Experiment
der TU Berlin mit vor und führt es aus dem DLR-Kontrollraum in Köln durch. Dabei
hätte ein defekter Rauchsensor auf der ISS beinahe dafür gesorgt, dass das
Haltbarkeitsdatum der tiefgefrorenen Muschelzellen abgelaufen wäre.
Dr. Sonja Brungs vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin ist im
September 2014 durch das Sylter Watt gestapft, um die richtigen Probanden für
den Weltraumflug auszuwählen. Die Miesmuscheln dort sind leicht zugänglich und
nicht extrem mit Schadstoffen belastet. "Die Muscheln mussten einen Aderlass
über sich ergehen lassen und durften dann wieder ins Wasser zurück", erläutert
die Wissenschaftlerin, die das Team der TU Berlin unterstützte.
Noch vor Ort wurden aus dem Muschelblut die Fresszellen der Muscheln - die
Hämozyten - isoliert und auf ihre Vitalität und ihre Brauchbarkeit für das
Experiment im Weltall untersucht. Nur die besten wurden eingefroren und
starteten im Januar 2015 zur Internationalen Raumstation ISS (astronews.com
berichtete). In der Schwerelosigkeit stellen sie nun ihr Immunsystem unter
Beweis und geben den Forschern Aufschluss darüber, in welchem Ausmaß sich die
fehlende Schwerkraft auswirkt.
Doch zuvor sorgte ein defekter Rauchsensor im Biolab des
Forschungsmoduls Columbus mit falschen Messwerten dafür, dass die
Muschelzellen ein wenig länger als geplant in ihrem gefrorenen Zustand auf ihren
Einsatz warteten. Erst nachdem Astronautin Samantha Cristoforetti den Sensor
austauschte, durfte Triplelux-B am Donnerstag, 19. März 2015, starten -
rechtzeitig bevor die vorbereiteten Proben in ihrer Qualität nachlassen.
Als erstes wurden die irdischen "Probanden" aus ihrem Gefrierschrank
genommen, damit die Fresszellen im All auftauen konnten. 48 Stunden dauerte es,
bis die Sylter Muschelzellen einsatzbereit waren. Dann fügte Astronautin
Samantha Cristoforetti den Feind hinzu: Hefezellen sollen die Fresszellen dazu
stimulieren, diesen Eindringling wie Bakterien oder andere Fremdpartikel zu
vernichten und unschädlich zu machen.
Für das Nutzerzentrum für Weltraumexperimente (MUSC) des DLR in Köln bedeutet
Triplelux-B Schichtbetrieb rund um die Uhr - schließlich arbeitet das Team mit
Astronautin Samantha Cristoforetti, die das Experiment im All für den Betrieb
vorbereitet, Hand in Hand.
Wie das Immunsystem auf die Eindringlinge reagiert, wird mit dem Farbstoff
Luminol messbar gemacht: Fressen und verdauen die Muschelzellen den Feind,
setzen sie dabei radikale Sauerstoffverbindungen frei - die wiederum auf das
Luminol reagieren und zu leuchten beginnen. "Man erkennt also mit den
Lichtmessungen, wie viel radikalen Sauerstoff die Zelle produziert und wie aktiv
sie also bei der Vernichtung der Hefezellen arbeitet", erläutert
DLR-Wissenschaftlerin Brungs.
In den nächsten Tagen werden weitere "Probanden" von der Insel Sylt im
Weltall zentrifugiert und so unter den Bedingungen der irdischen Schwerkraft
getestet. Auch auf der Erde in den Laboren des DLR-Instituts für Luft- und
Raumfahrtmedizin müssen Muschelzellen für Vergleichsmessungen gegen Hefezellen
kämpfen. Damit soll ausgeschlossen werden, dass die Ergebnisse von der
Raumstation beispielsweise durch die Reise der Muschelzellen ins All verfälscht
wurden.
Vor der Durchführung auf der Internationalen Raumstation wurde das
Experiment mit den verfressenen Muschelzellen und die dafür notwendige Technik
bereits auf Parabelflügen getestet. Und auch die Weltraumstrahlung wird bei Triplelux-B von den Strahlenbiologen des DLR mit Dosimetern untersucht. Die
ersten Messungen im Weltall fanden bereits statt und werden derzeit bereits
ausgewertet.
|