Die Entstehung eines Galaxienhaufens
von Stefan Deiters astronews.com
15. Oktober 2014
Astronomen haben mit dem Radioteleskop APEX einen gerade
entstehenden Galaxienhaufen im jungen Universum anvisiert und dabei eine
überraschende Entdeckung gemacht: So wird die Sternentstehung in dem System in
vielen Fällen nicht nur durch Staub verdeckt, sondern findet auch in Regionen
statt, in denen man dies eigentlich nicht erwartet hatte.
So könnte der gerade entstehende
Galaxienhaufen MRC 1138-262 aussehen.
Bild: ESO / M. Kornmesser [Großansicht] |
Galaxienhaufen gelten als die größten Strukturen im Universum, die durch die
gegenseitige Anziehungskraft ihrer Komponenten zusammengehalten werden. Über die
Entstehung dieser gewaltigen Ansammlungen unzähliger Galaxien wissen Astronomen
bisher allerdings relativ wenig.
Umso wichtiger sind da Beobachtungen von Galaxienhaufen im jungen Universum,
die sich offenbar noch in ihrer Entstehungsphase befinden. Ein Blick auf weit
entfernte Galaxien und Galaxienhaufen ist immer auch ein Blick in die
Vergangenheit, da wir die fernen System aufgrund der endlichen
Lichtgeschwindigkeit in einem deutlich früheren Stadium ihrer Entwicklung sehen.
Der manchmal auch als "Spinnennetz-Galaxie" bezeichnete Galaxienhaufen MRC
1138-262 wird aus diesem Grund schon seit 20 Jahren untersucht. Es handelt sich
nämlich um eines der besten Beispiele für einen Galaxienhaufen, der gerade
entsteht. Von der Erde aus sehen wir das System zu einem Zeitpunkt, zu dem das
Universum noch über zehn Milliarden Jahre jünger war.
Helmut Dannerbauer von der Universität in Wien und sein Team haben nun MRC
1138-262 erneut unter die Lupe genommen. Sie verwendeten dazu die Large
APEX Bolometer Camera (LABOCA), die am Radioteleskop Atacama Pathfinder
Experiment (APEX) montiert ist. APEX diente als Prototyp für die
Radioschüsseln des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA).
Mit APEX beobachteten Dannerbauer und seine Kollegen MRC 1138-262 über
insgesamt 40 Stunden im Millimeter-Bereich. In diesen Wellenlängen stellt der
Staub, der sonst den Blick auf Sternentstehungsgebiete oft versperrt, kein
Hindernis mehr dar, so dass sich die Wissenschaftler ganz neue Informationen
über die Vorgänge in dem entstehenden Haufen erhofften.
"Dieses ist eine der tiefsten Beobachtungen, die je mit APEX gemacht wurden
und hat die technologischen Möglichkeiten bis an die Grenzen ausgereizt", so
Carlos de Breuck, APEX-Projektwissenschaftler bei der europäischen Südsternwarte
ESO. "Das gilt auch für die Belastungsfähigkeit der Mitarbeiter, die am
Standort von APEX in einer Höhe von 5.050 Metern über dem Meeresspiegel
arbeiten."
Der Aufwand hat sich gelohnt: Das Team entdeckte mit APEX vier Mal
mehr Quellen im Bereich des Haufens als im weiteren Umfeld und konnte durch
Vergleich mit anderen Beobachtungen verifizieren, dass viele davon
tatsächlich auch in dem sich gerade bildenden Haufen liegen müssen.
"Die neuen APEX-Beobachtungen liefern das letzte Puzzleteil für eine
vollständige Zählung aller Mitglieder dieser Mega-Sternenstadt", erklärt
Dannerbauer. "Diese Galaxien befinden sich im Entstehungsprozess und sind daher
ähnlich wie eine Baustelle auf der Erde sehr staubig."
Die Überraschung kam jedoch, als sich die Astronomen genauer anschauten, wo
die neu entdeckten Sternentstehungsregionen lagen. Eigentlich hatten sie diese
in den Filamenten erwartet, die die einzelnen Galaxien verbinden. Stattdessen
scheinen sie sich hauptsächlich in einer einzigen Region zu konzentrieren - und diese befindet
sich nicht etwa dort, wo die zentrale Galaxie des Proto-Galaxienhaufen
liegt.
"Unser Ziel war es, die verborgene Sternentstehung im Spinnennetz-Haufen
zu finden - und dabei waren wir erfolgreich", fasst Dannerbauer zusammen.
"Allerdings haben wir auch ein neues Rätsel zu Tage gefördert. Die
Sternentstehung findet nicht dort statt, wo wir sie erwartet hatten. Die
Mega-Stadt entwickelt sich asymmetrisch."
Um nun dieses Rätsel zu lösen, sind weitere Beobachtungen nötig - dann mit
dem Teleskopverbund ALMA. Über ihre aktuellen Untersuchungen berichten die
Astronomen in einem Fachartikel, der heute in der Zeitschrift Astronomy &
Astrophysics erscheint.
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