ESA-Sonde vor heißem Experiment
von Stefan Deiters astronews.com
19. Mai 2014
Die europäische Venussonde Venus Express hat in der
vergangenen Woche ihren wissenschaftlichen Routinebetrieb beendet. Nachdem der
Treibstoff für Manöver im Orbit unseres Nachbarplaneten Venus nahezu verbraucht
ist, bereitet sich das Team nun auf ein spannendes Experiment vor: Die Sonde
soll tiefer in die dichte Atmosphäre des Planeten eintauchen als jemals zuvor.
Venus Express
soll bald tiefer in die Atmosphäre der Venus
eintauchen als jemals zuvor.
Bild: ESA - C. Carreau |
Die Venussonde Venus Express der europäischen Raumfahrtagentur ESA
wurde im November 2005 gestartet und befindet sich seit April 2006 im Orbit um
unseren sonnennäheren Nachbarplaneten Venus. Seitdem hat die Sonde die Venus
mithilfe ihrer sieben Instrumente an Bord gründlich untersucht - aus einer
Umlaufbahn, auf der Venus Express einen Abstand zwischen 250 und 66.000
Kilometern von der Oberfläche hatte.
"Venus Express hat uns gezeigt, wie sich die Bedingungen auf dem
Planeten verändern können - und dies auf allen Zeitskalen", so
ESA-Projektwissenschaftler Håkan Svedhem. "Außerdem hat uns die Sonde Hinweise
darauf geliefert, wie sich der Planet seit seiner Entstehung vor 4,6 Milliarden
Jahren verändert hat. Diese Informationen helfen uns dabei, zu verstehen, warum
die Erde und die Venus eine so dramatisch verschiedene Entwicklung hatten. Wir
konnten aber auch feststellen, dass es einige fundamentale Gemeinsamkeiten
gibt."
Venus und Erde werden oft als "Zwillingsplaneten" beschrieben, da sie eine
vergleichbare Größe haben und zudem die Sonne in akzeptabler Entfernung
umrunden. Trotzdem könnten die beiden Welten verschiedener nicht sein: Während
sich die Erde als Oase des Lebens und blauer Planet präsentiert, herrschen auf
der Oberfläche der Venus Temperaturen von über 450 Grad Celsius und sie ist von
einer dichten und giftigen Atmosphäre umgeben.
Die Daten von Venus Express haben jedoch gezeigt, dass durchaus einmal
gewisse Ähnlichkeiten vorhanden waren: So könnte es auf der Venus einmal
Plattentektonik und eventuell sogar einen Ozean aus Wasser gegeben haben. Doch
dann haben sich die beiden Planeten offenbar dramatisch unterschiedlich
entwickelt.
Venus Express hat unseren Nachbarplaneten acht Jahre lang aus dem Orbit
untersucht und nunmehr den Treibstoffvorrat, der zur Aufrechterhaltung der
Umlaufbahn nötig ist, fast vollständig verbraucht. In der vergangenen Woche
wurden daher die routinemäßigen wissenschaftlichen Beobachtungen beendet. Das
Team beginnt nun, die Sonde auf eine letzte und äußerst spannende Missionsphase
vorzubereiten: Venus Express soll tiefer in die Atmosphäre des Planeten
eindringen als jemals zuvor.
"Wir haben etwas ähnliches schon einmal früher kurz versucht und dabei die
oberen dünnen Atmosphärenschichten durchflogen", erklärt Patrick Martin, der
Missionsmanager von Venus Express. "Damals waren wir dabei rund 165
Kilometer von der Oberfläche entfernt. Jetzt wollen wir bis zu 130 Kilometern
heruntergehen und vielleicht noch tiefer."
Das Team verspricht sich davon nicht nur neue Erkenntnisse über die Atmosphäre
des Planeten, sondern auch neue technische Informationen darüber, wie eine Sonde
auf so extreme Umgebungsbedingungen reagiert. Interessant ist dies für das
sogenannte Aerobraking, mit dem Planetensonden schon häufiger
treibstoffsparend in ihre endgültigen Umlaufbahnen gebracht worden sind. Dabei
werden gezielt dichtere Atmosphärenbereiche durchflogen, um die Sonde
abzubremsen und so auf den gewünschten Orbit zu bringen, ohne Bremstriebwerke
benutzen zu müssen.
Während des Experiments, das für die Zeit vom 18. Juni bis 11. Juli geplant ist,
werden auch verschiedene wissenschaftliche Messungen durchgeführt. Es ist
möglich, dass der Treibstoff bei den Manövern vollständig aufgebraucht wird oder
die Sonde das Experiment nicht übersteht. Sollte Venus Express
allerdings weiterhin einsatzfähig sein, ist geplant, die Sonde anschließend
wieder auf eine höhere Umlaufbahn zu bringen und für einige Monate weitere
wissenschaftliche Beobachtungen zu machen - bis der Treibstoff endgültig
verbraucht ist.
Das Venus-Express-Team rechnet allerdings, dass spätestens bis zum Ende
dieses Jahres die Sonde ein letztes Mal in die Atmosphäre eingetaucht sein wird
und die Mission dann ihr feuriges Finale erlebt. "Venus Express ist
tiefer in die Geheimnisse dieses verhüllten Planeten eingedrungen als wir uns
vorstellen konnten", so Svedhem. "Zweifellos wird uns die Sonde bis zur letzten
Minuten Überraschendes liefern."
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