Ströme aus Wasserstoffgas im All?
von Stefan Deiters astronews.com
28. Januar 2014
Bei Beobachtungen mit dem Green-Bank-Radioteleskop
könnte ein Astronom jetzt einen Strom aus kaltem Wasserstoff entdeckt haben, der
in die nahegelegene Spiralgalaxie NGC 6946 fließt. Genau solche Ströme haben
Forscher in Verdacht, für die langanhaltende Sternentstehungsaktivität in
Spiralgalaxien verantwortlich zu sein. Doch die Beobachtungen lassen sich auch
anders erklären.
Blick auf NGC
6946 und die Umgebung in verschiedenen
Wellenlängen.
Bild: D.J. Pisano (WVU); B. Saxton
(NRAO/AUI/NSF); Palomar Observatory – Space
Telescope Science Institute 2nd Digital Sky
Survey (Caltech); Westerbork Synthesis Radio
Telescope [Großansicht] |
"Wir wussten, dass der Grundstoff für die Sternentstehung irgendwo herkommen
muss", erklärt D.J. Pisano von der West Virginia University den
Ausgangspunkt für seine Beobachtungen mit dem Robert C. Byrd Green Bank
Telescope (GBT), einem der größten Radioteleskope der Welt. "Bislang wurden
nur rund zehn Prozent von dem entdeckt, was nötig wäre, um das zu erklären, was
wir in vielen Galaxien beobachten."
In Spiralgalaxien wie unserer Milchstraße entstehen zwar langsam, aber dafür
beständig immer neue Sterne. In anderen Galaxien, wie etwa in NGC 6946, ist die
Sternentstehungsrate sogar höher, allerdings auch noch weit von dem entfernt,
was man in sogenannten "Starburst-Galaxien" beobachten kann, also in Systemen,
in denen praktisch explosionsartig neue Sterne gebildet werden.
NGC 6946 ist rund 22 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt und befindet
sich in der Grenzregion der Sternbilder Schwan und Kepheus. Unklar ist
allerdings, woher das Material stammt, durch das die Sternentstehungsaktivität
in Systemen wie NGC 6946 aufrecht erhalten werden kann.
Die bevorzugte Theorie der Astronomen zur Erklärung dieses Phänomens sind
Ströme aus kaltem Wasserstoff, die diesen Grundstoff für die Sternentstehung
durch den intergalaktischen Raum transportieren. Allerdings ist dieser
Wasserstoff nur sehr dünn und somit außerordentlich schwer zu entdecken. Pisano
glaubt aber, dass ihm dies nun eventuell gelungen ist.
Bei früheren Radiobeobachtungen von NGC 6946 hatten Astronomen einen
ausgedehnten Halo aus Wasserstoff um die Galaxie entdeckt. Ein solcher Halo ist
nicht ungewöhnlich bei Spiralgalaxien und könnte durch intensive Sternentstehung
und Supernova-Explosionen entstanden sein, durch die Wasserstoff aus der Scheibe
der Galaxie in die Umgebung geschleudert wurde. Die gesuchten kalten Ströme aus
Wasserstoff würden allerdings aus einer ganz anderen Quelle stammen: Das Gas
sollte aus dem intergalaktischen Raum kommen und noch nie durch Sternentstehung
oder andere stellare Prozesse auf höhere Temperaturen aufgeheizt worden sein.
Mit dem GBT konnte Pisano nun das schwache Leuchten eines Filaments aus
neutralem Wasserstoff aufspüren, das offenbar NGC 6946 mit seinen galaktischen
Nachbarn verbindet. Das Signal dieses Stroms aus kaltem Gas ist so schwach, dass
es bislang unentdeckt geblieben ist. Könnte hier also eine massereichere Galaxie
ihre masseärmeren Nachbarn kannibalisieren, indem sie von ihnen kalten
Wasserstoff abzieht?
Es gibt für die Beobachtungen allerdings noch eine alternative Erklärung: So
könnte es in der Vergangenheit eine dichte Begegnung zwischen NGC 6946 und den
Nachbargalaxien gegeben haben, wodurch auch Wasserstoff ins All mitgerissen
wurde. Sollte dies so sein, müssten sich in dem beobachteten Filament auch
Sterne beobachten lassen, so dass weitere Beobachtungen hier Aufschluss geben
könnten.
Seine Studie, so schreibt Pisano in einem Fachartikel in der Zeitschrift
Astronomical Journal, würde damit auch unterstreichen, dass die Suche nach
kalten Gasströmen durch Beobachtungen von neutralem Wasserstoffgas sich schon
allein deswegen schwierig gestaltet, weil die dabei beobachteten Strukturen
durch ganz verschiedene Prozesse entstehen können, die man oft nur schwer
unterscheiden kann.
Der beste Weg zur Suche nach kalten Gasströmen sei daher eine großangelegte
Durchmusterung von Galaxien verschiedener Masse in ganz unterschiedlichen
Umgebungen und mit verschiedener Sternentstehungsrate. So sollte man - zumindest
statistisch - die Quelle der beobachteten Gasströme unterscheiden können.
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