ISON erreicht sonnennächsten Punkt
von
Stefan Deiters astronews.com
28. November 2013
Der Komet C/2012 S1 (ISON) wird heute in den Abendstunden
den
sonnennächsten Punkt seiner Bahn erreichen und dann nur etwa 1,1 Millionen
Kilometer von unserem Zentralgestirn entfernt sein. Auf Bildern der Sonnensonde
SOHO erscheint der Komet noch intakt, doch muss dies nicht bedeuten, dass ISON
die Passage heil überstehen wird. Die Annäherung an die Sonne lässt sich auch im
Internet verfolgen.
Der Komet C/2012 S1 (ISON) am 27. November 2013 auf einem Bild
der Sonnensonde SOHO (unten rechts).
Bild: ESA / NASA / SOHO [Großansicht] |
Übersteht der Komet C/2012 S1 (ISON)
seinen Flug um die Sonne und die Annäherung an unser Zentralgestirn auf nur rund
1,1 Millionen Kilometer? In den letzten Tagen gab es durchaus widersprüchliche
Nachrichten und Interpretationen der verschiedenen Beobachtungen. Die Experten
sind sich derweil nur über eines einig: Ob ISON sein Rendezvous mit unserem
Zentralstern überstanden hat, wird man erst in einigen Tagen wirklich wissen.
Inzwischen ist der Komet auch auf den Bildern des Sonnenobservatoriums SOHO
zu sehen und erscheint dort als heller, intakter Komet, der sich so verhält wie
andere sogenannte "Sungrazer" (also Sonnenstreifer). Er befindet sich
nun in einer Region, die "normale" Kometen nie durchfliegen. Aufgrund der Hitze
entweichen enorme Mengen an Eis, Staub und Gas von seiner Oberfläche ins All.
ISON wurde dadurch auf den SOHO-Bildern sogar so hell, dass er mit den
gewöhnlichen Belichtungszeiten des Instruments überbelichtet erschien.
Das Aussehen des Kometen auf den neuen Bilder könnte bedeuten, dass die
Beobachtungen Ende der vergangenen Woche, die manche als Hinweis auf ein
Auseinanderbrechen des Kerns gewertet hatten, auf einen kurzzeitigen Ausbruch
des Kometen zurückzuführen sind, der Kern also noch intakt ist. Allerdings, so
wird immer wieder betont, ist es noch zu früh, um irgendeine sichere Prognose
darüber machen zu können, ob der Komet die Sonnenpassage übersteht,
auseinanderbricht oder komplett verdampft.
Sicherheit über das Schicksal von ISON, so schreibt Astrophysiker Karl
Battams vom U.S. Naval Research Laboratory auf der NASA-Seite zur
ISON-Beobachtungskampagne, wird es erst geben, wenn man tatsächlich beobachtet,
dass ISON die Passage überstanden hat oder aber vor unseren Augen verdampft.
Doch selbst, wenn der Komet nach seiner Umrundung der Sonne wieder zu
beobachten ist, muss dies noch nichts bedeuten: So schien der Komet C/2011 W3
(Lovejoy) im Jahr 2011 die Passage um die Sonne scheinbar unversehrt überstanden
zu haben. Erst zwei Wochen später stellte man dann fest, dass sich der Kern
nahezu komplett aufgelöst hatte. Trotzdem sorgte der Komet damals noch für ein
spektakuläres Schauspiel am südlichen Himmel.
Sollte ISON tatsächlich nach dem Durchlaufen des sonnennächsten Punkts seiner
Bahn noch zu beobachten sein, könnten ihn erfahrene Amateurastronomen vermutlich
ab Montag oder Dienstag wieder am Himmel ausmachen. Zu einem Objekt für das
bloße Auge dürfte der Komet nicht vor Ende der kommenden Woche werden. Den
erdnächsten Punkt erreicht der Komet schließlich am zweiten Weihnachtstag. Sein
Abstand zur Erde beträgt dann aber noch immer über 60 Millionen Kilometer.
Niemand muss sich also Sorgen machen, dass ISON eine Gefahr für die Erde
darstellt.
Für alle die ISON vom heimischen Computer aus beobachten wollen, stellen NASA
und ESA ständig aktualisierte Bilder ihrer Sonnenobservatorien ins Internet. Auf
einer extra eingerichteten
Webseite des
Goddard Space Flight Center der NASA kann man ISON auf den Bildern des
Solar Dynamics Observatory fast in Echtzeit beim Durchlaufen des
sonnennächsten Punkts seiner Bahn beobachten. Erste Aufnahmen werden hier ab
18.45 Uhr MEZ erwartet.
Update (28. November 2013, 21.20 Uhr MEZ): Alles deutet
inzwischen darauf hin, dass der Komet ISON bei seiner Annäherung an die Sonne
verdampft ist.
Update (28. November 2013, 22.10 Uhr MEZ): Waren die
Nachrufe auf ISON verfrüht? Irgendetwas hat es offenbar um die Sonne geschafft.
Eventuell einzelne Trümmerteile.
Update (28. November 2013, 23.10 Uhr MEZ): Nach ESA-Angaben
hat sich der Komet ISON aufgelöst. Dies hätten SOHO-Wissenschaftler bestätigt.
Bei dem Material, das man auf der Bahn von ISON sehen noch kann, dürfte es sich
somit vermutlich um Trümmerteile und Staub handeln. Hinweise auf einen
Kometenkern gibt es nicht mehr.
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