Detaillierter Blick auf mysteriöse Jets
von Stefan Deiters astronews.com
16. Oktober 2013
Mithilfe des Radioteleskopverbunds ALMA haben zwei
Astronomenteams nun eng gebündelte Teilchenstrahlen, sogenannte Jets,
untersucht, die ihren Ursprung in der unmittelbaren Nähe von supermassereichen
Schwarzen Löchern haben. Während sich eine Gruppe eine
vergleichsweise nahe Galaxie vornahm, untersuchte das zweite Team ein
weit entferntes sehr aktives System.
Blick auf die Galaxie NGC 1433 mit Hubble
(großes Bild) und mit ALMA (oben rechts). Bild:
ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/NASA/ESA/F. Combes [Großansicht] |
Supermassereiche Schwarze Löcher, also Schwarze Löcher, die das
Vielmillionenfache der Masse unserer Sonne aufweisen, finden sich in den Zentren
nahezu aller Galaxien. Auch unsere Milchstraße beherbergt in ihrem
Zentralbereich ein solches Schwarzes Loch. Die zentralen Schwarzen Löcher in
unserer galaktischen Nachbarschaft sind allerdings vergleichsweise "ruhig", sie
verschlingen also relativ wenig Material aus ihrer Umgebung.
Dies war in der Frühphase des Universums anders: Damals haben die Schwarzen
Löcher große Mengen an Material aufgesogen. Bevor das Gas im Schwarzen Loch
verschwand, wurde es auf extreme Temperaturen aufgeheizt und sendete eine
intensive Strahlung aus. Diese "aktiven Galaxienkerne" zählen deswegen zu den
hellsten Objekten im All. Oft erscheinen die Zentren sogar so hell, dass sie die sie
umgebende Galaxie komplett überstrahlen und wie ein einzelner Stern erscheinen -
daher auch ihr Name: Quasar, für "quasistellares Objekt".
Aktive Galaxien weisen oft noch ein
weiteres Phänomen auf: Die Schwarzen Löcher verschlingen nicht nur Material,
sondern schleudern auch einen Teil des angezogenen Gases in enggebündelten
Teilchenstrahlen - in sogenannten Jets - wieder in die Galaxie zurück. Auf diese
Weise können Schwarze Löcher auch weit entfernte Regionen ihrer Wirtsgalaxie
beeinflussen und etwa die Sternentstehung in bestimmten Regionen zum Erliegen
bringen.
Zwei Astronomenteams haben nun mithilfe der Radioteleskope des Atacama Large
Millimeter/submillimeter Array (ALMA) die Jets von Schwarzen Löchern in der
nahegelegenen und relativ ruhigen Galaxie NGC 1433 sowie in der entfernten aktiven Galaxie
PKS 1830-211 genauer unter die Lupe genommen. NGC 1433 ist lediglich 30
Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt, während das Licht von PKS 1830-211
rund elf Milliarden Jahre benötigt hat, um uns zu erreichen.
"ALMA hat eine überraschende Spiralstruktur im molekularen Gas in der Nähe
des Zentrums von NGC 1433 sichtbar gemacht", erläutert Françoise Combes vom
Observatoire de Paris. "Dies zeigt uns, wie das Material in das Schwarze Loch
fließt. Dank der neuen detaillierten ALMA-Beobachtungen konnten wir auch einen
Jet aus Material entdecken, der sich vom Schwarzen Loch wegbewegt und nur eine
Länge von 150 Lichtjahren hat. Dies ist der kleinste molekulare Ausfluss dieser
Art, der
bislang in einer anderen Galaxie beobachtet werden konnte."
Diese Vorgänge sind für die Astronomen deswegen so interessant, weil Jets die Bedingungen
in der weiteren Umgebung des Schwarzen Lochs erheblich beeinflussen. So können
sie beispielsweise dafür sorgen, dass
sich keine kühlen Gaswolken mehr zusammenfinden, in denen neue
Sterne entstehen. So nehmen diese Jets direkten Einfluss auf die Sternentstehung
im Zentralbereich von Galaxien.
Den Jet vom zentralen Schwarzen Loch der entfernten aktiven Galaxie PKS
1830-211 konnte Ivan Martí-Vidal von der Chalmers University of Technology und
dem Onsala Space Observatory in Schweden und sein Team nur dank eines
glücklichen Zufalls genauer untersuchen: Eine massereiche Galaxie auf der
Sichtlinie von der Erde zu PKS 1830-211 sorgte nämlich für einen sogenannten
Gravitationslinseneffekt. Dieses durch Einsteins Relativitätstheorie
vorhergesagte Phänomen kann dafür sorgen, dass die Bilder entfernter Galaxien
dupliziert, verstärkt und verzerrt werden.
Bei den Beobachtungen von PKS 1830-211 hatten die Astronomen sogar doppeltes
Glück: Sie konnten nämlich verfolgen, wie das Schwarze Loch offenbar gerade
einen besonders großen "Happen" an Gas verschlang, wodurch sich die Helligkeit
im
Zentralbereich der Galaxie noch einmal deutlich vergrößerte.
"Dass wir dies in diesem Fall mit ALMA beobachten konnten war reines Glück",
so Sebastien Muller vom Onsala Space Observatory, der auch zum Team gehörte.
"Wir beobachteten PKS 1830-211 aus einem ganz anderen Grund, als wir bei den
Bildern der Gravitationslinse plötzlich geringe Veränderungen von Farbe und
Intensität feststellten. Als wir uns dann dieses unerwartete Verhalten genauer
ansahen, kamen wir zu dem Schluss, dass wir durch Zufall gerade in dem Moment
beobachtet hatten, zu dem frisches Material an die Basis des Jets direkt am
Schwarzen Loch gelangt ist."
Das Ereignis konnte auch im Gammastrahlenbereich mithilfe
des NASA-Weltraumteleskops Fermi registriert werden. Bei Gammastrahlung handelt
es sich um die energiereichste Strahlung, die es im Universum gibt. "Es ist das
erste Mal, dass man eine so klare Verbindung zwischen Gammastrahlen- und
Submillimeter-Radiodaten herstellen konnte, die auf ein Ereignis an der Basis
eines Jets von einem Schwarzen Loch zurückzuführen ist", so Muller.
Die Untersuchung von Jets von supermassereichen Schwarzen Löchern mit ALMA
steht noch ganz am Anfang. "Es gibt noch viel darüber zu lernen, wie Schwarze Löcher
diese gewaltigen energiereichen Jets aus Materie und Strahlung erzeugen können",
so Martí-Vidal. "Die neuen Beobachtungen aber, die bereits vor der
Fertigstellung von ALMA gemacht wurden, zeigen, dass der Teleskopverbund für die
Erforschung dieser Jets ein sehr leistungsfähiges Werkzeug ist - und die
Entdeckungen fangen gerade erst an!"
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