Schwarzes Loch bläst Staub ins All
von Stefan Deiters astronews.com
20. Juni 2013
Mithilfe des Very Large Telescope Interferometer
haben Astronomen die bislang detailreichsten Beobachtungen des Staubs in
unmittelbarer Umgebung um ein aktives supermassereiches Schwarzes Loch gemacht.
Dabei stellten sie zu ihrer Überraschung fest, dass das Schwarze Loch offenbar
nicht nur Material aufsaugt, sondern auch Staub aus seiner Umgebung ins All
bläst.
So sieht die Umgebung des aktiven
Galaxienkerns von NGC 3783 nach den jetzt
vorgestellten Beobachtungen aus.
Bild: ESO / M.
Kornmesser |
Im Zentrum fast aller Galaxien befindet sich nach Überzeugung der Astronomen
ein supermassereiches Schwarzes Loch. Diese gewaltigen Objekte unterscheiden
sich von den stellaren Schwarzen Löchern, die durch den Kollaps eines
massereichen Sterns am Ende seines nuklearen Lebens entstehen, durch ihre enorme
Masse: Sie kann viele Millionen Male größer sein, als die Masse unserer Sonne.
Einige dieser supermassereichen Schwarzen Löcher wachsen noch immer, indem
sie Materie aus ihrer Umgebung anziehen und verschlingen. Bevor dieses Material
aber auf Nimmerwiedersehen in den Schwarzen Löchern verschwindet, heizt es sich
auf enorme Temperaturen auf, so dass auf diese Weise extrem helle Objekte
entstehen - sogenannte aktive Galaxienkerne.
Ihr Zentralbereich ist von einer Region aus Staub umgeben, die etwa die Form
eines Schwimmreifens hat. Aus diesem Bereich sollte, so die Vorstellung der
Astronomen, der größte Teil der starken Infrarotstrahlung stammen, die man von
aktiven Galaxienkernen beobachtet hat.
Neue Beobachtungen mithilfe des Very Large Telescope Interferometer
(VLTI) der relativ nahegelegenen aktiven Galaxie NGC 3783 zeigen aber nun, dass
die Wirklichkeit offenbar etwas anders aussieht. Die Wissenschaftler stellten
nämlich fest, dass sich der "warme" Staub mit Temperaturen von 700 bis 1.000
Grad Celsius zwar tatsächlich in einem Torus um das Schwarze Loch befindet, dass
es aber darüber und darunter noch große Mengen an deutlich kühlerem Staub gibt.
"Das ist das erste Mal, dass wir detaillierte Beobachtungen im mittleren
Infrarot des kühlen Staubs mit ungefähr Zimmertemperatur um einen aktiven
Galaxienkern mit ähnlich detaillierten Beobachtungen des sehr heißen Staubs
kombinieren konnten", erläutert Sebastian Hönig von der University of
California in Santa Barbara und der Universität in Kiel die Bedeutung der
Beobachtungen. "Sie stellen gleichzeitig die umfangreichsten
Interferometer-Beobachtungen im Infraroten für einen aktiven Galaxienkern dar,
die bislang veröffentlicht wurden."
Der neu entdeckte Staub scheint eine Art kalten Wind zu bilden, der vom
Schwarzen Loch wegströmt. Er dürfte damit eine wichtige Rolle für die
Wechselwirkungen zwischen dem supermassereichen Schwarzen Loch und dessen
Umgebung spielen. Die Strahlung, die durch das Verschlingen von Material durch
das Schwarze Loch frei wird, scheint also gleichzeitig dafür zu sorgen, dass
Material ins All geblasen wird. Unklar ist den Forschern noch, wie diese beiden
Prozesse zusammenwirken. Der staubige Wind stellt für sie ein neues Puzzleteil
dar, das es bei der Enträtselung dieser Objekte zu berücksichtigen gilt.
Um so detaillierte Untersuchungen zu ermöglichen, wurden einzelne
Teleskopeinheiten des Very Large Telescope der europäischen
Südsternwarte ESO zu einem Interferometer zusammengeschaltet, das dadurch eine
Auflösung lieferte, die dem eines 130 Meter durchmessenden Einzelteleskops
entsprach. Das Very Large Telescope befindet sich, zusammen mit
weiteren kleineren Teleskopen, auf dem Gipfel des Paranal in Chile.
"Durch die Kombination der erstklassigen Empfindlichkeit der großen Spiegel
des Very Large Telescope durch Interferometrie konnten wir ausreichend
Licht sammeln, um sehr lichtschwache Objekte zu untersuchen", ergänzt
Teammitglied Gerd Weigelt vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.
"Dies hat es uns ermöglicht, in einer mehrere zehn Millionen Lichtjahre
entfernten Galaxie eine Region zu untersuchen, die nicht größer ist, als die
Entfernung der Sonne von ihrem nächsten stellaren Nachbarn. Kein anderes System
auf der Welt ist dazu gegenwärtig im sichtbaren Licht oder im Infraroten in der
Lage."
Doch die Untersuchungen auf dem Gipfel des Paranal könnten erst der Anfang
eines neuen Blicks auf die Geschehnisse in den Zentren aktiver Galaxien sein.
"Ich freuen mich jetzt wirklich auf MATISSE, das es uns erlauben wird, alle vier
großen Teleskope des Very Large Telescope zu vereinen und gleichzeitig
Beobachtungen im nahen und mittleren Infrarot zu machen", so Hönig. "Das sollte
uns noch viel mehr Daten liefern." MATISSE ist ein Instrument für das Very
Large Telescope Interferometer, das gerade gebaut wird.
Über ihre aktuellen Beobachtungen berichten die Wissenschaftler in der heute
erscheinenden Ausgabe der Fachzeitschrift Astrophysical Journal.
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