Infrarotteleskop beobachtet nicht mehr
Redaktion
/ Pressemitteilung der ESA astronews.com
30. April 2013
Der Kühlmittelvorrat des ESA-Weltraumteleskops Herschel
ist verbraucht. Dies teilte die europäische Weltraumagentur ESA gestern
Nachmittag mit. Bei allen Instrumenten waren zuvor deutlich angestiegene
Temperaturen gemessen worden, die weitere Beobachtungen unmöglich machen.
Herschel hatte über drei Jahre lang das kalte Universum untersucht.
Das Weltraumteleskop Herschel. Im
Hintergrund eine Herschel-Aufnahme des
Rosettennebels.
Bild: ESA - C. Carreau |
Über drei Jahre lang hatte das ESA-Weltraumteleskop Herschel das
kalte Universum beobachtet, gestern war nun sein Kühlmittelvorrat aufgebraucht.
Zu Missionsbeginn verfügte es über 2.300 Liter Flüssighelium, das sich seit der
letzten Tankauffüllung einen Tag vor dem Missionsstart am 14. Mai 2009 langsam,
aber unaufhaltsam verflüchtigt hat. Die stetige Verdunstung des Flüssigheliums
war die Voraussetzung für die Kühlung der Instrumente auf Temperaturen nahe dem
absoluten Nullpunkt, um diese so lichtempfindlich zu machen, dass sie auch das
kalte Universum unter die Lupe nehmen können. Das Ende der Mission war in diesen
Wochen erwartet worden.
Die Bestätigung dafür, dass der Heliumvorrat nun endgültig aufgebraucht ist,
kam gestern, als beim täglichen Funkkontakt mit dem Raumfahrzeug in der
zuständigen Bodenstation in Westaustralien bei allen Herschel-Instrumenten
ein deutlicher Temperaturanstieg festgestellt wurde. "Herschel hat alle
Erwartungen übertroffen und uns eine unglaubliche Fülle an Daten beschert, mit
deren Auswertung die Astronomen noch mehrere Jahre lang beschäftigt sein
werden", so Prof. Alvaro Giménez, ESA-Direktor für Wissenschaft und robotische
Exploration.
Herschel hat über 35.000 wissenschaftliche Beobachtungen machen können und
dabei mehr als 25.000 Stunden an wissenschaftlichen Daten aus mehr als 600
Beobachtungsprogrammen zusammengestellt. Hinzu kommen noch weitere 2.000 Stunden
für Kalibrierungsbeobachtungen. Verwaltet wird der riesige Datensatz im
Europäischen Weltraumastronomiezentrum (ESAC) bei Madrid. Das Datenarchiv bildet
das eigentliche Vermächtnis der Mission. Von der Auswertung verspricht man sich
noch wesentlich mehr Entdeckungen, als dies in dem Einsatzzeitraum von
Herschel bisher möglich war.
"Herschels revolutionäre wissenschaftliche Ausbeute verdanken wir
nicht zuletzt der hervorragenden Arbeit europäischer Unternehmen, Einrichtungen
und Hochschulen bei Entwicklung, Bau und Betrieb dieses Weltraumobservatoriums
und seiner Instrumente", erklärte Thomas Passvogel, ESA-Projektleiter für
Herschel und Planck. Und Göran Pilbratt,
ESA-Projektwissenschaftler für Herschel, ergänzt: "Herschel
hat uns ein neues Bild des bisher verborgenen Teils des Universums präsentiert
und bisher nicht beobachtbare Prozesse bei der Entstehung von Sternen und
Galaxien aufgezeigt. Seine Daten ermöglichen uns auch die Untersuchung von
Wasservorkommen im All, sei es in Molekülwolken oder neugeborenen Sternen und
ihren protoplanetaren Scheiben und Kometengürteln."
"Auch wenn Herschel keine Messungen mehr vornehmen kann, ist dies
noch lange nicht das Ende der Mission: Uns steht noch eine Fülle an Entdeckungen
bevor", prophezeit Pilbratt. "Wir werden unsere Arbeit jetzt darauf
konzentrieren, die Daten in Form möglichst perfekter Karten, Spektren und
verschiedener Kataloge zugänglich zu machen, um so die Astronomen bei ihren
laufenden und künftigen Arbeiten zu unterstützen. Natürlich sind wir betrübt
darüber, dass die Beobachtungen nun ein Ende haben. Deshalb möchte ich an dieser
Stelle abschließend sagen: Danke, Herschel!"
Über die zahlreichen wissenschaftlichen Ergebnisse auf Grundlage von
Herschel-Beobachtungen haben wir bei astronews.com immer wieder berichtet.
Allein im April 2013 wurden neue Resultate über eine weit entfernte Galaxie, in
der es zu heftiger Sternentstehung kommt, Beobachtungen einer Staubscheibe um
einen Stern, um den auch Planeten kreisen und neue Erkenntnisse über die
Herkunft des Wassers in der Jupiteratmosphäre vorgestellt. Dies zeigt schon, wie
vielseitig Herschel-Beobachtungen eingesetzt wurden.
Das ESA-Weltraumteleskop Herschel wurde am 14. Mai 2009 gestartet.
Mit seinem Hauptspiegel mit einem Durchmesser von 3,5 Meter ist es das bisher
größte und leistungsfähigste Infrarot-Weltraumteleskop. Seine beiden
Kamera-Spektrometer, PACS (Photoconductor Array Camera and Spectrometer) und
SPIRE (Spectral and Photometric Imaging Receiver), deckten Wellenlängen zwischen
55 und 670 Mikrometer ab. Ein drittes Instrument, das sehr hoch auflösende
Spektrometer HIFI, deckte die Bandbreiten von 157-212 Mikrometer und 240-625
Mikrometer ab. Alle drei Instrumente befanden sich in einem mit superflüssigem
Helium auf -271 Grad Celsius gekühlten Kryostat, dessen Kühlmittelvorrat am 29.
April endgültig aufgebraucht war.
Herschel wird weiter für einige Zeit mit seinen Bodenstationen in
Funkkontakt bleiben, um nach der Erschöpfung des Heliumvorrats noch eine Reihe
technischer Tests durchzuführen. Im Mai wird das Raumfahrzeug dann auf einen
langfristig stabilen Park-Orbit um die Sonne manövriert.
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